Der UFO-Berichterstatter – Eine ignorierte Problematik

T.A. Günter. In der UFO-Forschung ist der Gegenstand der Untersuchung nicht, wie man vielleicht fälschlicherweise glauben mag, das unidentifizierte fliegende Objekt (UFO) selbst, sondern lediglich der Bericht darüber. Diese UFO-Berichte stammen von den sogenannten UFO-Berichterstattern (1).

Für viele Vertreter der UFO-Forschung zählt der Zeuge (UFO-Melder) als Hauptsäule seiner Untersuchung (2). Sämtliche Informationen, die oftmals zu einer Identifizierung führen, stammen von ihm. Darauf, dass der Zeugenbeweis ziemlich heikel ist (ein UFO-Bericht stellt immer eine Erzählung aus dritter Hand (3) dar) aufgrund von Wahrnehmungsfehlern, Erinnerungslücken, Interpretationen, Prädisposition oder Vermischen bzw. dem Einfließen unabhängiger Erlebnisse, möchte ich hier nicht näher eingehen. Darüber ist an anderer Stelle schon oft berichtet worden. Stellen wir aber fest, dass die Aussage eines UFO-Zeugen sehr problematisch sein kann.

Umso verwunderlicher ist es aber, dass dem UFO-Berichterstatter selbst kaum Beachtung geschenkt wird, sondern man sich vorrangig auf die möglichen UFO-Stimuli (Stimulus-Response-Modell) konzentriert (4). Im Grunde wissen wir noch recht wenig darüber, was das für Menschen sind, die von UFOs berichten. Unterscheiden sich UFO-Melder von Nicht-Meldern bzw. Nicht-Sichtern in ihrer Persönlichkeitsstruktur? Gibt es Unterschiede/Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen Erzählungen?

Zweierlei Maß

Auffallend ist der folgende Umstand: die UFO-Berichte unterscheiden sich scheinbar je nachdem, an wen sie gehen. Vergleichen kann man dies, wenn man sich die verschiedene Literatur vornimmt (skeptische sowie pro-orientierte) und auf die Fälle und deren Strangeness-Grad hin vergleicht. Dies weist auf ein unterschiedliches Klientel hin.
So berichtet die populäre UFO-Literatur von spektakulären Erscheinungen, „fliegenden Untertassen“ und dem Wirken außerirdischer Besucher, während bei kritischen UFO-Forschern fast ausschließlich Berichte hereinbekommen, die man als nicht erkannte IFOs klassifizieren kann. Hier wird größtenteils von Lichtpunkten am Nachthimmel berichtet, die von erfahrenen UFO-Forscher schnell identifiziert werden können. Warum bleiben aber hier die wirklich spektakulären Fälle aus?
Es ist anzunehmen, dass sich die Melder natürlich vorrangig an die Forscher wenden, von denen sie sich verstanden fühlen, d.h. im Klartext, dass ein thematisch vorbelasteter Zeuge, der die populäre und oftmals an der ETH orientierte Literatur vielleicht auch nur ansatzweise kennt, sich eher an einen Pro-Ufologen (5) wendet, während jemand, der seine Sichtung einfach nur erklärt haben möchte, eher an Sternwarten, Wetterämter, Flugsicherungen etc. oder kritische UFO-Untersucher herantritt. Zu verzeichnen sind also möglicherweise Unterschiede zwischen
a) UFO-Meldern, die sich an Pro-Ufologen wenden,
b) Meldern, die sich an kritische Untersucher (6) wenden und
c) Meldern, die sich an Offizielle Stellen, wie Sternwarten, Wetterämter oder wenden.

Es wäre demnach schon interessant, der genauen Motivation nachzugehen um mehr über die Melder und ihre möglichen Beweggründe zu herauszubekommen.
„Warum Zeugen bei mir anrufen und nicht bei WW (7) ist doch klar: Weil sie nicht vera…t werden wollen, weil ich sie für voll nehme und mit Respekt behandel und ihnen nicht ein X für ein U vormache“, tönt Michael Hesemann im Alien-Forum (8). Hier allein muss differenziert werden, WELCHE Art von Berichterstattern bei Herrn Hesemann anrufen und WELCHE Art sich beim kritischen CENAP meldet.
Wenn es tatsächlich Unterschiede gibt, dann ist dies ein entscheidender Hinweis darauf, dass man immer nur einen gewissen Teil vom Gesamtbild sehen kann. Man kann jedoch nicht alle Facetten des Phänomens erfassen, wenn man sich stets nur auf die eigenen Daten beruft und die der „anderen Seite“ beharrlich ignoriert.

Konzentration auf den Zeugen?

Aber der potentielle UFO-Melder ist zumeist (wenn man bewussten Schwindel außen vor lässt) auch ein UFO-Wahrnehmer und somit stellt sich ja auch die Kernfrage, weshalb er etwas gesehen hat. Der UFO-Forscher Rudolf Henke aus Sandhausen wies bereits mehrmals auf die Notwendigkeit hin, dem UFO-Melder mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen: „Ich finde die Frage, warum von Tausenden potentieller Zeugen nur einer das Phänomen als UFO meldete und warum ausgerechnet DIESE Person und keine der vielen anderen Zeugen! Es [ist] m.E. ein Holzweg, den sog. Stimuli hinterherzulaufen. Ich sehe den Schlüssel zum Verständnis des GESAMTphänomens in den Meldern selbst und nicht in den sog. Stimuli.“ (9)

Bei aller Wichtigkeit der bekannten Stimuli ohne deren Kenntnisse man in der Forschung nicht weit kommen wird, liegt die Frage eben auch darin, weshalb der Mensch aus einem eigentlich wenig spektakulären Stimulus ein UFO macht. Es ist auch Aufgabe der UFO-Forschung, diesem Aspekt auf den Grund zu gehen.
Henke führt weiter aus: „Wie gesagt, wenn man sich damit zufrieden gibt, die sogenannten Stimuli aufzudecken, kann man sicherlich ruhig schlafen. Wenn man jedoch die Hypothese in Betracht zieht, dass die UFO-Melder SELEKTIV agieren, d.h. sich die entsprechenden „Stimuli“ AKTIV aussuchen, bleibt einem nichts anderes übrig, als die Melder selbst eingehend unter die Lupe zu nehmen. Das ist bisher nur ansatzweise geschehen.“ (10)

Fazit

Da bis dato zu wenige Untersuchungen in dieser Richtung gemacht worden sind und jeder nur seine eigenen Erfahrungen (sofern er selbst praktisch tätig ist und da ein Wörtchen mitzureden hat) wiedergeben kann (11), muss man sich bewusst sein, dass wir jeweils nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Gesamtspektrum der UFO-Berichte zu hören bekommen. Das ist m.M.n. jedoch gerade ein Grund, sich mehr mit den Menschen hinter den Berichten zu befassen und etliche Fragen neu zu formulieren. Folgende (durchaus unvollständige) Fragestellungen stehen hier m.E. im Vordergrund:

1. Wer sind die UFO-Melder? (mögl. sozial. Status und psychol. Konstitution)
2. Wer meldet sich wo mit seinem UFO-Bericht und welche Inhalte haben diese?
3. Welche möglichen Beweggründe haben sie, ihre UFO-Sichtung an eine bestimmte Stelle zu melden?
4. Welche (entscheidende?) Rolle spielt die Prädisposition und gibt es einen Zusammenhang zum Strangeness-Grad und dessen vermeintlicher Höhe.
5. Welche Rolle spielen die Medien?

Mir ist durchaus bewusst, dass jeder UFO-Forscher die Schwerpunkte für sich woanders legt und viele von ihnen es kaum als nötig ansehen, sich auch mit dem Erzähler von UFO-Berichten zu befassen.
Nach Ansichten einiger weniger kritischer UFO-Forscher können gewisse Thesen, wie z.B. der Einfluss der Medien (12) auf den UFO-Glauben, nur durch die genaue Beleuchtung der Melder belegt, verändert oder falsifiziert werden. Generell kann man abschließend sagen, dass man das Phänomen in seiner Ganzheit nur verstehen kann, wenn man alle Aspekte betrachtet und hierzu gehört an erster Stelle der UFO-Berichterstatter und seine Aussage.

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(1) Ich vermeide hier bewusst den Ausdruck „UFO-Wahrnehmer“, weil diese Wortwahl voraussetzt, dass tatsächlich ein Erlebnis (im psychologischen Sinne) stattgefunden haben muss. Zieht man jedoch auch bewussten Schwindel in Betracht, dann kann diese Bezeichnung nicht mehr gelten. Zudem bleibt der einfache Zeuge/Wahrnehmer (UFO-Sichter), wenn er seine Erlebnis für sich behält, als Teil der nicht zu unterschätzenden Dunkelziffer von UFO-Erfahrungen – der UFO-Melder/-Berichterstatter hingegen berichtet lediglich von einem Ereignis, egal ob es objektiv real oder fiktiv ist. Ansonsten steht die Bezeichnung Zeuge hier ebenfalls für einen Melder.
(2) Siehe: Ickinger, Jochen (1998): „Zeugenaussagen aus juristischer Sicht.“ In: Peiniger, Hans-Werner (1998): Das Rätsel: Unbekannte Flugobjekte. Moewig, Rastatt.
(3) Als Aspekte einer UFO-Sichtung gelten das ursprünglichen Erlebnis und dessen Wahrnehmung sowie der Bericht durch den Wahrnehmer (nach Peiniger, 1998) Der Weg von der Wahrnehmung bis zur Bewertung durch den Untersucher ist gespickt von Verzerrungen, Veränderungen und Interpretationen, was bei der Ermittlung unbedingt Beachtung finden sollte. Hinweise hierzu finden sich in kriminalistischen Handbüchern zur Zeugenpsychologie.
(4) Als gewissenhafter UFO-Phänomen-Untersucher MUSS man sich mit den möglichen Auslösern für UFO-Berichte (Stimuli) auseinandergesetzt haben. Nur dann ist es möglich nach den Parametern und Übereinstimmungen eines Berichtes mit einem bekannten Stimulus eine Identifizierung vorzunehmen. Nichtsdestotrotz kann davon ausgegangen werden, dass die bekannten Stimuli „austauschbar“ sind (nach Henke) und die eigentliche Problematik in den Meldern selbst liegt. Da auch diese These noch völlig unbewiesen ist, müssen hier unbedingt weitere Untersuchungen mit diesem Schwerpunkt angestrebt werden.
(5) Die Bezeichnung „Pro-Ufologe“ verwende ich hier als Begriff für den Vertreter einer UFO-Gruppierung oder auch einen Einzelforscher, der dem UFO-Phänomen nicht nur befürwortend gegenübersteht, sondern auch als Anhänger einer bestimmten Hypothese/Theorie gilt. Die populärste Hypothese ist die ETH (Extra-terrestrial hypothesis). In keinster Weise soll dieser Begriff hier eine Bewertung dessen darstellen.
(6) Als kritische Untersucher möchte ich hier Forscher bezeichnen, die den Thesen der Ufologie zunächst kritisch gegenüberstehen und sie als nicht erwiesen betrachten. In der Öffentlichkeit treten viele von ihnen als Skeptiker auf – auch wenn das Bild in der Öffentlichkeit nicht immer so stimmt, so könnte dies ein entscheidender Faktor über die Beweggründe, sich an ihn zu wenden oder einen Kontakt zu vermeiden, sein.
(7) Werner Walter vom CENAP Mannheim, der als ausgesprochener UFO-Skeptiker gilt. Er ist eher ein Verfechter des Stimulus-Response-Modells und besitzt ein immenses Fachwissen über die UFO-Historie und die einzelnen Stimuli.
(8) http://www.alien.de/apboard/thread.php?id=3707&start=646, Zugriff am 23. Mai 2002 um 23:10 Uhr.
(9) Rudolf Henke in einer Email vom 25.11.2001
(10) ders. in einer Email vom 25.11.2001
(11) So zum Beispiel R. Henke, der in seinem Zwischenresümee „UFO-Melder – wirklich Menschen wie du und ich?“ (In: Journal für UFO-Forschung Nr. 6/2001 [Heft 138], S. 170 ff. GEP e.V., Lüdenscheid), feststellte, dass „sich unter den UFO-Zeugen [die von Henke selbst im JUFOF besprochen wurden], deren thematische Prädispositionshaltung einschätzbar ist, kein einziger wirklich objektiv-neutraler Zeuge befand.“ Henke weist jedoch selbst darauf hin, dass für genauere Daten wesentlich mehr Fälle ausgewertet werden müssen.
(12) Die öffentlichen Medien und die populäre UFO-Literatur scheinen eine große Rolle zu spielen. Hier setzt m.E. ein Teufelskreis ein: die UFO-Literatur wirft Melder ab, die wiederum in die Literatur mit einfließen. Ohne entsprechende Studien ist diese Theorie jedoch unbelegt.

GEP-Insider 19-4/2003