Pflock, Karl T. Brookesmith, Peter (Hrsg.): Encounters at Indian Head (2007)

Karl T. Pflock, Peter Brookesmith (Hrsg.):
Encounters at Indian Head
The Betty and Barney Hill UFO Abduction Revisited

Die beiden Herausgeber des vorliegenden Buchs – das zweite im Jahr 2007 herausgegebene, das sich mit der Entführungserfahrung von Betty und Barney Hill beschäftigt – waren Initiatoren eines im Jahr 2000 abgehaltenen Treffens verschiedener UFO-Forscher in Indian Head, ganz in der Nähe des Ortes, an dem die Hills fast vierzig Jahre vorher ihr Erlebnis hatten. Auch Betty Hill selbst bereicherte dieses Treffen eine Zeitlang (mit ihrer Nichte als Fahrerin, wodurch sich in der Beschreibung im Vorwort bereits die Idee zu deren eigenem Buch herauskristallisiert).

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Der Anspruch dieses Treffens lag explizit im Meinungsaustausch der verschiedenen »Lager«, wobei eine sorgfältige Auswahl der einzuladenden Kandidaten daraufhin stattfand, ob sie diesem Anspruch ohne Polemik oder emotionale Reaktion standhalten könnten. Wie die sieben Jahre später entstandenen Aufsätze der Teilnehmer (und einiger weiterer prominenter Forscher, die damals nicht teilnehmen konnten) zeigen, ist dies gut gelungen – der Leser findet ein Sammelsurium an Meinungen, Ideen, Aspekten zum Hill-Fall, das in dieser kompakten Form noch nirgendwo erschienen ist und – im Gegensatz zu weiter oben rezensiertem Buch (siehe Stanton T. Friedman, Kathleen Marsden: Captured!) – eben auch kritische Stimmen enthält.

Den Anfang macht Dennis Stacy, der die Ereignisse der Erfahrung von Betty und Barney Hill noch einmal detailreich Revue passieren lässt und dabei vielfach kolportierte Fehler oder Auslassungen in der Geschichte, die etwa bereits auf John Fullers Buch zum Thema beruhten, ausräumt. Damit nähert er sich stark dem Detailreichtum der Autorin des vorigen Buchs (siehe Stanton T. Friedman, Kathleen Marsden: Captured!) an, bezieht sich aber natürlich nicht so tiefgründig auf Vor- und Nachgeschichte des Falls.

Der zweite Beitrag stammt vom bekannten Anomalistiker und Leiter des Treffens, Marcello Truzzi, der als Erster die bekannten Fakten und Aussagen zum Hill-Fall sorgfältig abwägt – und dabei zu dem Schluss kommt, dass die Entführung der Hills womöglich kein reales Geschehen war, deren Untersuchung aber dennoch eine wichtige Aufgabe für die Anomalistikforschung darstellt.

Ganz anders sieht das der nächste Forscher, Thomas E. Bullard, der auf seine zahlreichen statistischen Untersuchungen zum Entführungsphänomen hinweist und die vielen Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede der Entführungserlebnisse der Hills und derjenigen, die nach ihnen veröffentlicht wurden, herausstellt. Er charakterisiert die Entführungserfahrung selbst klar als Mythos – bestreitet allerdings die Ansicht, dieser Mythos wäre auf Grundbausteine reduzierbar, die lediglich der menschlichen Psyche und Kultur entstammen.

Der Brite Hilary Evans greift die Charakterisierung des Hill-Falls als »außergewöhnlich « auf und vergleicht sie mit anderen außergewöhnlichen menschlichen Erfahrungen, namentlich solche mit Kontakten zu nichtmenschlichen Wesen, die hier aber auch etwa Sichtungen der Jungfrau Maria umfassen. Er kommt zu dem Schluss, dass sich andere Erklärungen finden lassen, als all diesen (sich auch zum Teil widersprechenden) Erfahrungen Realität zuzuschreiben, plädiert aber wiederum für weitere Forschung, um besser verstehen zu können, warum bestimmte Menschen in bestimmten Situationen solche ungewöhnlichen Erfahrungen machen.

Peter Brookesmith sieht das ähnlich und versucht Hinweise darauf zu finden, die Thomas Bullards Ansicht, der Mythos der Entführung sei nicht ausschließlich auf den Menschen reduzierbar, widerlegen. Dabei geht er ausführlich auf den Kenntnisstand der Hills kurz nach dem Erlebnis ein und versucht, mögliche Quellen für das Generieren dieser Erfahrung zu finden – unter anderem in einem Buch von Donald Keyhoe, das Betty nach dem Erlebnis, aber vor ihren ersten Träumen gelesen hatte.

Robert Sheaffers kritischer Ton ist noch erheblich schärfer: Er weist deutlich auf die möglichen Erklärungen für die UFO-Sichtungen der Hills hin, beschreibt, wie der angebliche »Zeitverlust« durch das langsame Fahren und wiederholte Anhalten Barneys erklärbar wird, verwirft Aspekte wie die gesamte Schilderung unter Hypnose, die »Sternenkarte« von Marjorie Fish oder die Radarsichtung eines UFOs in der Nähe und relativiert schlussendlich auch noch die Glaubwürdigkeit besonders von Betty Hill, die nach ihrer Entführungserfahrung und nach Barneys Tod ein gänzlich anderer Mensch wurde, der überall UFOs sah und ganz eigene Ansichten zum Phänomen vertrat.

Karl T. Pflock stellt dem den absolut befürwortenden Standpunkt gegenüber und weist auf die Schwierigkeiten in den recht einfach erscheinenden kritischen Anmerkungen zum Hill-Fall hin, etwa zur Unmöglichkeit, drei Stunden »verlorene Zeit« durch langsames Fahren zu erklären oder zur Glaubwürdigkeit der Hills zum Zeitpunkt ihrer Erfahrung, die damals beide politisch und ehrenamtlich äußerst aktive Bürger waren und mit der Schilderung ihrer Erfahrung eigentlich nur negative Publicitiy hätten gewinnen können.

Walter N. Webb, der nicht am Treffen in Indian Head teilnahm, war der erste UFO-Forscher, der den Hill-Fall untersuchte. Er besuchte das Ehepaar kurz nach ihrer »unterbrochenen Reise« und befragte es sechs Stunden lang. Er beschreibt in seinem Beitrag die Geschichte, so wie er sie erlebt hat, noch einmal ausführlich und geht dabei auch ehrlich auf die Fehler ein, die ihm damals als Forscher unterliefen – interessanterweise auf Grund einer damals eher skeptischen Haltung in Bezug auf die Schilderungen der Hills.

Das Buch wird abgeschlossen durch einen Appendix von Martin Kottmeyer, der hier noch einmal äußerst genau versucht zu prüfen, welche kulturellen Einflüsse, hauptsächlich Science-Fiction-Filme, die Inhalte des Hill-Erlebnisses hätten formen können (ohne auf das Wie einzugehen). Er weist dabei auch ausdrücklich auf die Unterschiede zwischen Bettys anfänglichen Träumen und den Schilderungen des Ehepaars unter Hypnose hin, wobei er der Ansicht ist, dass die unter Hypnose gewonnenen Aussagen noch viel deutlichere Bezüge zu fiktionalen Außerirdischen, Raumschiffen und Entführungen hatten.

Fazit: Das vorliegende Buch ist durch seine lange Entstehungszeit (inzwischen sind leider sogar drei der beteiligten Personen verstorben – Betty Hill, Karl T. Pflock und Marcello Truzzi) auf einem älteren Stand als das vorangehende und berücksichtigt daher einige neue Aspekte, die Marden und Friedman aufwerfen, nicht. Die Tatsache aber, dass hier eine gemeinsame Arbeit von »Pro-« und »Kontra-Forschern« entstand, die gegenseitig ihre Manuskripte kritisch prüften, aufeinander eingingen und auf diese Weise einen fruchtbaren, detailreichen Meinungsaustausch erreichten, macht auch dieses Buch zu einer wertvollen Quelle über den Fall Betty und Barney Hill.
Danny Ammon

Anomalist Books
www.anomalistbooks.com
San Antonio, TX, 2007

Quelle: JUFOF Nr. 174: 190 f