Jörg Lorenz: Das Chemtrailhandbuch

Jörg Lorenz:
Das Chemtrailhandbuch

Was sich wirklich über unseren Köpfen abspielt

LorenzIn verschiedenen Quellen im Internet, in Bücher und Zeitschriften beschäftigen sich Menschen immer wieder mit Mutmaßungen über Verschwörungen, die nahezu weltumspannende, unglaubhafte Ausmaße annehmen, deren Aussagen aber oft immunisierend und so kaum widerlegbar sind. Zu solchen Verschwörungsideologien gehört auch der Glaube an sogenannte Chemtrails (englisches Kunstwort aus chemicals – Chemikalien und contrails – Kondensstreifen). Überzeugte Chemtrail-Verfechter behaupten, dass im Rahmen einer internationalen Verschwörung militärische und zivile Flugzeuge mit versteckten Tanks und Düsen an Bord wahlweise klimaverändernde oder krankmachende Chemikalien, Bakterien oder Viren am Himmel versprühen würden. Auch über Verbindungen zu UFOs wird spekuliert, so sollen UFOs Chemtrails »studieren«, Chemtrails sollen UFOs »detektieren« oder ihnen den Atmosphärenflug erleichtern usw.

Im Chemtrailhandbuch tritt Jörg Lorenz, von Beruf Softwareentwickler mit privaten Interessen an Fliegerei und Fotografie, solchen Thesen entgegen. Sein Anliegen ist es, den Leser über verschiedene Sachverhalte rund um den Chemtrails-Verschwörungsglauben aufzuklären. Entsprechend geht er in seinem Buch auf viele Details zur Entstehung von Kondensstreifen, zu atmosphärischen Effekten und zur Fliegerei ein, die Chemtrails letztlich als unbelegte Spekulationen entlarven, oft auf Unkenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge gegründet, manchmal aber auch bewusste Täuschungen. Der Autor beschreibt die »Chemtrails-Szene« in Deutschland, die Organisationen, Websites der Chemtrail-Verfechter und weist nach, dass über Protagonisten der Szene auch Verbindungen zur rechtsextremen Esoterik bestehen. Zu Wort kommen außerdem Berufspiloten, Aussteiger aus der »Chemtrails-Szene« und nicht zuletzt Wetterjournalist Jörg Kachelmann, der das Vorwort beisteuert. Kachelmann hatte selbst mehrfach ablehnendeÄußerungen gegenüber Chemtrails und deren Verfechtern veröffentlicht und geriet mit diesen vor Gericht aneinander (er gewann den Prozess und darf Chemtrails-Anhänger auch weiterhin »Nazis und Verrückte« nennen, wovon er im Vorwort denn auch wieder Gebrauch macht).

Jörg Lorenz ist es durchaus gelungen, verschiedene Fakten zusammenzutragen, die Chemtrails und die von ihnen überzeugten Gruppen zweifelhaft erscheinen lassen. Dennoch ist an Inhalt und Struktur seines Werks einiges problematisch, was den Wert als »Handbuch« deutlich schmälert.

Beim Lesen des Buches wird deutlich, dass der Autor nicht nur mit dem gedruckten Werk an der Kontroverse um die Chemtrails direkt teilnimmt, sondern sich bereits vorher vor allem im WWW intensiv mit Chemtrail-Anhängern auseinander gesetzt hat. Er ist Betreiber der Website http://www.chemtrail-fragen.de (weiterer interessanter Blog zum Thema: http://chemtrails-maerchen.blogspot.de) und schreibt in verschiedenen Foren, wo er regelmäßig klar Position gegen den Chemtrail-Glauben bezieht. Die wiederholte Auseinandersetzung mit einerseits immer gleichen, andererseits immer neuen Diskutanten, bei denen dann einige ganz bewusst persönliche Angriffe und – wie bei Jörg Kachelmann zu sehen – auch rechtliche Schritte unternehmen, macht es nicht leicht, reine Sachargumentation gegenüber der Involvierung der eigenen Person den Vorzug zu geben. Lorenz‘ Buch ist denn teilweise auch nicht frei von Polemik. So schießt er sich gewissermaßen auf eine bestimmte Gruppe, die »Bürgerinitiative Sauberer Himmel« und deren möglicherweise finanzielle Interessen ein, mit der er bereits online eine Gegnerschaft pflegt. Er widmet ihr mit dem gesamten Kapitel 12 mehr als 80 Seiten, wodurch ein neutraler Überblick über die Verfechter der Chemtrails-Thesen in Deutschland ein wenig ins Hintertreffen gerät. Das Einnehmen einer übergeordneten Perspektive in Bezug auf die Chemtrails-Kontroverse – freilich ohne dadurch die eigene klare Position aufzugeben! – hätte dem Buch und den dort vorgebrachten Argumenten eine noch bessere Wirkung verschafft.

Das Chemtrailhandbuch ist selbst zu einem bestimmten Anteil direkt aus den Inhalten der Websites von Jörg Lorenz entstanden. Auch wenn diese für das Buch wesentlich erweitert wurden, werden einige Details in mehreren Unterkapiteln wiederholt erläutert. So erscheint z. B. die Mahnung, dass selbst Kinder mit dem Chemtrail-Glauben indoktriniert werden und an Demonstrationen teilnehmen, inklusive Beweisfoto auf S. 55 und wird auf S. 322 mit genau demselben Foto in anderen Worten wiederholt.

Bestimmte Fachbegriffe und Abkürzungen (z.B. »HAARP«, »Düppel«) verwendet Lorenz zunächst ohne Erläuterung, erklärt sie aber in späteren Kapiteln doch noch. Auch hier kommen die Entstehung des Buches aus Online-Texten sowie eine starke »Insiderperspektive«, bei der das entsprechende Fachwissen bereits »in Fleisch und Blut übergegangen« ist, zum Tragen.

Schließlich ist die gesamte Gliederung des Buchs nicht vollkommen systematisch und nachvollziehbar. Nach der Erläuterung des Themas in den ersten drei Kapiteln (zwölf Seiten) geht es gleich um Details wie Szene, Protagonisten, Funktionen und Gefahren der Chemtrails-Verschwörungstheorie. Dann wird in mehreren Kapiteln auf konkrete Argumente für die Chemtrails eingegangen. Die Diskussion von Chemtrail-Anhängern mit staatlichen Stellen und in der Öffentlichkeit sowie schließlich die genaue Beschreibung auf die »Bürgerinitiative Sauberer Himmel« und deren Aktionen sowie Argumente beschließen das Buch. Die ersten drei Hauptkapitel umfassen dabei nur einige wenige Seiten, die weiteren (4–12) schließlich mit allen Unterunterkapiteln bis zu 85 Seiten (Kapitel 12), bei denen unabhängig vom eigentlichen Kapitel letztlich immer wieder konkrete Argumente oder Diskussionen das Thema sind. Es wirkt, als sei die nachträgliche Strukturierung von durch Lorenz und andere Kritiker bereits im Internet behandelte Details für das Buch nicht vollständig gelungen. Ein Stichwortregister, dass dieses Manko etwas auffangen könnte, fehlt. Dadurch ist der Charakter eines Nachschlagewerks, in dem kritische Erläuterungen zu bestimmten Thesen und Beispielen der Chemtrail-Anhänger gezielt herausgesucht werden können, nicht gegeben – angesichts des »Handbuchs« im Titel besonders schade.

Die zahlreichen Schwarzweiß-Abbildungen aus dem Buch sind praktisch immer Bilder aus dem WWW, einige davon (Ausschnitte aus Webseiten etc.) sind so klein wiedergegeben, dass der Text darauf nur schwer lesbar ist. Dieser wird aber meist im Fließtext wiederholt. Unverständlich bleibt, warum das zur Unterhaltung abgedruckte »Chemtrails-Bullshit-Bingo« auf der letzten Seite mit einem rotem Farbauftrag die einzige Farbabbildung im Buch ist. Dort wäre eine Hintergrundfarbe wirklich keine Notwendigkeit gewesen.

Trotz aller geäußerten Kritik lässt sich insgesamt dennoch ein positives Fazit ziehen: Das Chemtrailhandbuch ist eine in der Form einzigartige Sammlung von aufklärenden Details zu diesem Glauben an eine Verschwörung und ihren Anhängern in Deutschland. Lorenz‘ Aufforderung an die Chemtrail-Anhänger, echte Proben beizubringen und seine sehr konstruktiven Vorschläge einer praktischen Umsetzung dafür sind der schwerwiegendste Teil seiner Argumentation. Es liegt bei den Verfechtern der mysteriösen »chemischen Kondensstreifen«, ihre seit fast 10 Jahren beharrlich vorgetragenen Thesen mit Belegen zu untermauern.
Danny Ammon

 

378 Seiten, broschiert, ISBN 978-3-944342-12-2, 19,80 EUR
JMB-Verlag
http://www.shop-016.de/jmbverlagp152h31s33-Das-Chemtrailhandbuc.html
Hannover, 2013

 

Quelle: JUFOF Nr. 208: 121 ff