Pincio, Tommaso: Die Außerirdischen (2007)

Tommaso Pincio:
Die Außerirdischen
Der größte Mythos des 20. Jahrhunderts

Eine der interessantesten Veröffentlichungen der letzten Zeit zum UFO-Thema ist zweifellos die vorliegende Arbeit des italienischen Journalisten und Comic-Zeichners Tommaso Pincio. Die Aufarbeitung des Themas geht Pincio jedoch von einer ganz anderen Seite an als erwartet. Er beschreibt keine UFO-Vorfälle, keine Alien-Entführungen und diskutiert auch nicht die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem UFO-Phänomen. Seine Aufmerksamkeit gilt eher der Entstehung und Kulturgeschichte des UFO-Mythos, wie Zeitgeist und Popkultur ihn beeinflussten, wie die Reaktionen der Menschen auf den UFO-Wirbel der 50er Jahre waren und welche Auswirkungen das gehabt hat, die bis in unsere heutige Zeit reichen und das gegenwärtige Bild der Ufologie prägen. Wer also wissen will, wie ein Mythos entstehen kann, sollte mal einen intensiven Blick in Die Außerirdischen werfen.

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In teils humorvoller, teils spöttischer Art hält Pincio uns Menschen augenzwinkernd einen Spiegel vor das Gesicht, in dem wir erkennen, welchen Einfluss UFOs und Außerirdische, bzw. der Glaube daran, auf unser Denken nahmen und immer noch nehmen. Offenbar scheinen uns die Außerirdischen fortwährend damit zu beeindrucken, wenn sie unbescholtene Bürger entführen, vorwiegend nachts die Menschen erschrecken, unendlich viele verschiedene Typen
von Fortbewegungsvehikeln verwenden, sich in nicht minder weniger humanoiden und nichthumanoiden Formen zeigen und Getreidehalme in Kornfeldern plattdrücken.

Nutznießer des plötzlichen Interesses an Fliegende Untertassen und Außerirdische war damals sicherlich die Presse, die sofort die Wirkungsfähigkeit des Themas erkannte, sich wie Blöde auf diese Themen stürzte und es in allen Variationen boullevardmäßig ausschlachtete. Das hatte zur Folge, dass sich die Wissenschaft weitgehend zurückhielt und es so nur zu wenigen ernsthaften Untersuchungen kam. Bis in die 70er Jahre, so Pincio, hatte die Presse das Thema voll im Griff und die Leichtgläubigkeit der Bürger ausgenutzt, es handelte sich also eher um ein Medienphänomen. Und wie leichtgläubig der Mensch sein kann, zeigte sich nicht nur an der 1938 von Orson Welles produzierten fiktiven Reportage über eine Landung von Marsbewohnern, sondern ein ebenso erfundener Bericht über die Atlantiküberquerung mit einem Ballon von Edgar Allen Poe im Jahre 1844.

Der Start der modernen UFO-Ära wird ja gerne dem Hobby-Piloten Kenneth Arnold zugesprochen, der am 24. Juni 1947 während eines Fluges neun ungewöhnliche Flugkörper beobachtete und mit seiner Sichtung die Presse und Öffentlichkeit beeindruckte. Mit seinem Fall wurde auch erstmals durch die Presse der Begriff der »Fliegenden Untertasse« verwendet. In Pincios Analyse wird deutlich, wie sehr Arnolds Erlebnis und die Berichterstattung und Diskussion darüber das weitere Bild des UFO-Phänomens in der Öffentlichkeit prägte. Dabei gibt es in dem Fall durchaus auch kritische Punkte, die sowohl damals als auch heute von kaum einem wahrgenommen werden. So ging man immer davon aus, Arnold sei ein ausgeglichener Mensch gewesen, dessen Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit man nicht anzweifeln könne. Gerade diese Zweifel kommen aber auf, wenn man das Kapitel zu Arnolds Fall liest.

Nicht weniger einflussreich war die Rolle Donald Keyhoes, der die amerikanische UFO-Organisation NICAP leitete und als ehemaliger Pressechef des Handelsministeriums genau wusste, wie man mit welchen Nachrichten das Interesse der Medien und der Öffentlichkeit schürt.

Pincio zeigt uns ausführlich und nachvollziehbar, wie die Medien »den idealen Nährboden für eine Pseudowissenschaft« schufen und erstellt ein psychisches Profil der Nachkriegsmenschen, die mit dem ganzen Untertassen-Wirbel aufwuchsen. Er macht deutlich, warum die UFO-Paranoia ausgerechnet in den USA begann und dort immer noch Hochkonjunktur hat, warum sich die US-Regierung durch sie bedroht sah, warum sich UFO-Sekten-Mitglieder im Wahn umbrachten, warum UFO-Verschwörungstheorien entstanden, warum Amerikaner Bunker in ihre Gärten bauten und Versicherungen gegen den Überfall einer außerirdischen Zivilisation abschlossen, wie die Motive des Außerirdischen in den Alltag einflossen, wie der Mythos um die MIB entstand, wie Außerirdische unser Bewusstsein veränderten und wie der Glaube an die Möglichkeit der Existenz außerirdischer Besucher die Ängste und Hoffnungen der Menschen beeinflusste und den Zeitgeist prägte. Und wenn man das alles so betrachtet, dann erkennen wir, dass die Außerirdischen schon längst unter uns leben… zwar nur in den Köpfen der Menschen, aber dafür facettenreich und unwiderruflich zu löschen.
Hans-Werner Peiniger

264 Seiten, gebunden, 53 Abbildungen
ISBN 978-3-8077-1032-7, ¤ 17,90

Rogner und Bernhard Verlag
www.rogner-bernhard.de
Berlin 2007
Erhältlich bei Zweitausendeins
www.zweitausendeins.de

Quelle: JUFOF Nr. 176: 63 f

 

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