Gisela Ermel:
Hexenwahn und UFO-Welle
Gisela Ermel ist Autorin mehrerer grenzwissenschaftlicher Bücher, beschäftigt sich im vorliegenden Werk mit dem Hexenwahn des Mittelalters und sucht in den Hexenerlebnissen Parallelen zum modernen UFO-Phänomen. Dazu bedient sie sich u. a. historischer Werke, wie den 1486 erschienenen Hexenhammer (1) als auch den Gerichtsprotokollen aus den Hexenprozessen.
Ein wesentlicher Punkt in den damaligen Vorstellungen der Hexenpraktiken war der sogenannte Hexenflug (2), in dem die Autorin Analogien zum heutigen Entführungsphänomen sieht. Mit Hilfe von Dämonen, bzw. dem Teufel, sei es den Hexen möglich gewesen, zu fliegen, um z. B. an Hexenversammlungen teilzunehmen. Auch wenn es nie einen glaubwürdigen Augenzeugen gegeben hat, der einen Hexenflug gesehen hätte, war er fester Bestandteil in den Vorstellungen und dem Glauben der damaligen Bevölkerung. Die Autorin stellt sich die Frage, ob in den Prozessakten und »Selbstbezichtigungen vermeintlicher ›Hexen‹ ein kleiner Teil echter Erlebnisse verborgen ist.« Sie vergleicht die Berichte zu den Hexenerfahrungen mit modernen Entführungsbehauptungen und findet hier durchaus erkennbare Parallelen, wie z. B. das Durchdringen von Wänden oder Bedroom-Visitors.
Gisela Ermel fragt sich, ob »man bei gleichen Motiven auf einen gleichen – unbekannten – Verursacher schließen« kann. Meiner Meinung nach kann man das schon. Müssen aber hier in beiden Fällen unbedingt Außerirdische dafür verantwortlich sein? Ist es nicht eher der Mensch selbst? Ist es nicht viel wahrscheinlich, dass beide Erzählungen möglicherweise einen gemeinsamen soziokulturellen Ursprung haben und aus denselben psychologischen Mechanismen entstanden sind?
Weiter schreibt Sie, dass die alten Prozessakten nochmals mit moderner Sichtweise durchforstet werden sollten. Welche Sichtweise meint sie? Die der modernen Entführungsforschung? Das halte ich für falsch! Wenn, dann dürfen die Erzählungen und Akten nur im damaligen Kontext betrachtet werden. Um die Entstehung der Hexenmythen zu erklären, ist es gar nicht erforderlich, in den Dämonen und dem Teufel »Vertreter einer fremden Intelligenz« zu vermuten, »die ihre Rollen und Masken geschickt den damaligen Vorstellungen anpassten.« Auch diese Mimikry-Hypothese hat ihre Schwächen. (3)
In Hexenwahn und UFO-Welle beschreibt die Autorin viele Motive, die sich sowohl in den Hexenberichten als auch in modernen Entführungserzählungen finden lassen. Das allein ist schon bemerkenswert und ich muss zugeben, dass mir die Parallelen in diesem Umfang bisher nicht präsent waren. Eine Ähnlichkeit ist sicherlich auch die, dass während der mittelalterlichen Hexenverfolgung viele Hexenpraktiken erst mittels Suggestivfragen unter der Folter von den Betroffenen beschrieben wurden und sich deren Analogie in den heutigen Hypnosebefragungen mit UFO-Entführten wiederfindet.
Die von Gisela Ermel aufbereiteten Informationen zur damaligen Hexenverfolgung sind interessant und spannend zu lesen. Aber eben nur solange sie diesen Hexenwahn nicht verlässt. Alles darüber hinaus, nämlich dann, wenn sie die Analogien durch Eingriffe einer außerirdischen Intelligenz als Gedankengang vorschlägt, ist m. E. höchst spekulativ, interpretationslastig und auch gar nicht erforderlich, um die elementaren Aspekte in den Hexenmythen erklären zu können. Trotzdem gibt es von mir wegen des hohen Informationsgehalts zum Thema Hexenverfolgung und der verständlichen Aufbereitung noch ein »Daumen hoch«.
Vielleicht hätte es der Arbeit gut getan, wenn die Autorin an exemplarischen Entführungsfällen die Parallelen zu den Hexenberichten herausgearbeitet hätte, ohne über außerirdische Eingriffe zu spekulieren. Dann hätte das Buch schon fast den Charakter einer soziokulturellen Arbeit gehabt.
Hans-Werner Peiniger
(1) http://de.wikipedia.org/wiki/Hexenhammer
(2) http://de.wikipedia.org/wiki/Hexenflug
(3) André Kramer: Die Mimikry-Hypothese aus wissenschaftlicher Sicht. In: jufof Nr. 176 (02/2008)
(4) Miniatur in einer Handschrift von Martin Le France, Le champion des dames, 1451, aus: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Champion_des_dames_Vaudoises.JPG
158 Seiten, broschiert, ISBN 978-3-95652-006-8, 12,50 EUR
Ancient-Mail-Verlag
http://www.ancientmail.de/html/grenzwissen.html
Groß-Gerau, 2013
Quelle: JUFOF Nr. 210: 191 f