Nick Pope: Open Skies, Closed Minds

Nick Pope:
Open Skies, Closed Minds

 

PopeNick Pope begegnet einem z. B. in Fernsehbeiträgen zum UFO-Thema, in Büchern, und auch in jufof-Artikeln (siehe Nick Pope, UFOlogie für das neue Jahrtausend, Teil 1 und jufof 3 / 2007 und Teil 2 in Nr. 4 / 2007).

Er wird als ein (ja schon fast »der«) UFO-Experte aus dem britischen Verteidigungsministerium vorgestellt / zitiert, der vielerorts Anerkennung genießt. Und da er selbst wiederholt auf das überzeugende Material des MOD (Ministry of Defence) pocht, und auf seinen (ehemaligen) Job im UFO-Desk, war es an der Zeit für mich, sich einmal etwas mehr mit der Person Nick Pope zu beschäftigen. Ein Buch von ihm zu lesen sollte der Anfang sein, und dann mal sehen.

Nun hat Nick Pope mehrere Bücher veröffentlicht. Mir erschien vom Titel (und vom Erscheinungsjahr) Open Skies, Closed Minds als eines der Ersten, und damit wahrscheinlich gerade aus seiner Tätigkeit im UFO-Desk erwachsen. Das erschien mir als das Aussichtsreichste.

Zu Nick Popes Buch ist im jufof Nr. 118, 4 / 1998, S. 123, schon eine Rezension von Hans-Werner Peiniger erschienen (für die deutsche Übersetzung »Die UFO-Akte«), allerdings etwas knapper und eben schon 14 Jahre alt. Da Nick Pope sich seitdem immer wieder zu Wort gemeldet und schon den Spitznamen »UFO-Papst« hat lohnt sich vielleicht ein genauerer Blick auf sein »Frühwerk«.

Das Buch ist schlicht eingebunden, hat 270 Seiten und davon 8 Seiten mit Fotos in der Buchmitte. Weitere Skizzen, Karten oder Abbildungen findet man nicht. Im Anhang gibt es in schlichtester Anlistungsform die Sichtungszahlen der Jahre 1959–1995 des UFO-Desk, ein Muster des Meldebogens, ein Beispiel der vom Ministerium gewünschten Antwortschreiben, die Adressen der englischen UFO-Organisationen, eine schriftliche Anfrage von Winston Churchill und die Antwort, sowie eine Anlistung der »UFO File Held« und die Anzahl der Sichtungen von Sign/Grudge/Blue Book. Und damit findet der Durchschnittsleser nichts Aufregendes im Anhang.

Ab Seite 79 stößt man auf folgende Fälle, die Nick Pope aus seiner UFO-Desk-Tätigkeit – und damit aus dem Material des MOD – auswählt:

• Case 1: Capital (ein Anrufer wird von einem Drachen getäuscht, erkennt dieses, während er die Sichtung aktuell per Telefon meldet)

• Case 2: Waterloo (Passanten beobachten 1992 auf der Themse-Brücke – unweit des MOD-Dienstgebäude – um 17.00 Uhr ein buntes, helles Objekt über dem Fluss manövrieren, um dann mit einer Geschwindigkeit außerhalb bekannter Flugzeuge sich zu entfernen)

• Case 3: Fire in the Sky (in der Gegend um Herefordshire, 9.12.1991, am Spätnachmittag beobachten dutzende Zeugen ein feuriges Leuchten am Himmel, mehrere 1000 Fuß hoch, für einige Sekunden auch ein röhrendes, rumorendes Geräusch; es lässt sich auf einen Routine-Kampjetflug zurückführen, bei dem der Pilot vor der Landung Treibstoff ablässt)

• Case 4: Visitors (ein alter Zeuge missinterpretiert eine Militär-Helikopter-Übung)

• Case 5: The One That Got Away (drei Fischer filmen ein helles, silbriges Leuchten am Himmel, welches sich entfernt; auf dem Video ist auch eine orange Raute zu sehen, die mit Linsenfehlern erklärt werden kann; die ursprüngliche Wahrnehmung könnte eine Reflexion eines Flugzeuges sein, bleibt aber nicht ganz aufgeklärt)

• Case 6: Fear not, Zacharias (ein junger Kadett erlebt eine CE III-Begegnung auf dem Sportplatz beim morgendlichen Alleintraining; er empfindet eine Kontaktaufnahme; ein Vogel fliegt nahe an das Objekt (scheibenförmig, fest/dauerhaft, hell leuchtend, leise) und fällt tot zu Boden; den – am kommenden Morgen verschwundenen – Vogel tot am Boden liegend bezeugen mehrere Personen)

• Case 7: Craigluscar (ein Zeuge, Ian Macpherson, Febr., 1994, beim Fotografieren von Landschaftsaufnahmen bemerkt ein über dem Meer näher kommendes scheibenförmiges Objekt (dumpfes Röhren, mehrere 100 Fuß im Durchmesser, metallisch mit Lichtern); er beobachtet es 15 Minuten, orientierungslos, gelähmt, und kann erst zwei Aufnahmen beim wahnsinnig schnellen Abflug machen)

• Case 8: Bonnybridge (Hochburg von UFO-Sichtungen, 1992-1994 8.000 Berichte; nur ganz wenige, auch recht vage mit knappen Angaben von dreieckigen Objekten, erreichten den UFO-Desk)

• Case 9: Terror in the Quantocks (1992 geht ein Brief als Hilferuf einer Frau ein, deren Mann vier Jahre zuvor eine CE III-Begegnung hatte (Untertassenobjekt überfliegt den Mann, dieser wirft sich zu Boden, seine Kleidung hat Brandschäden, erleidet danach unheilbar an Symptomen von Strahlenschäden)

Die Fälle machen auf mich keinen besonderen Eindruck, sie könnte jede UFO-Organisation gesammelt haben. Die Details bzw. Beweise, dass es sich um nicht identifizierte Objekte handelt, werden nicht intensiv ausgebreitet. Insofern erscheinen mir im Vergleich die ausführlichen Fallbesprechungen der GEP (sicherlich sind es wenige, wo die GEP recht gut mit Informationen versorgt wird und die zu diesem Kreis zu zählen sind, aber die PROBLEMATIC-/ GOOD UFO-Fälle würde ich schon dazu zählen) ergiebiger und für den Dritten nachvollziehbarer. Vor allem zeigt die Auswahl nicht die Besonderheiten, die dem MOD bei der Falldiskussion zur Verfügung stehen.

Die Nebenbemerkung »ab Seite 79« habe ich nicht von ungefähr eingeflochten. Nick Pope entwickelt seine Themen langatmig. Der Leser bekommt schon gewisse Eindrücke von der Art seiner Tätigkeit im UFO-Desk, die Vor- und Nachteile, ziviler Angestellter des MOD zu sein, welche Schwächen wohnten der Organisation in dem von Nick Pope berichteten Zeitraum 1991–1994 an, zumal sich auch jeder Bürger – z. B. über eine Polizeistelle – an den UFO-Desk wenden konnte, und welche Einarbeitung bzw. Nichtausbildung das Personal mit etwa drei-jährigem Jobrotationsprinzip erfuhr. Aber das Buch erinnert regelmäßig auch ans Memoirenschreiben, weil alles und jedes recht personenbezogen angegangen wird.

Mich hat der elendig langentwickelnde Schreibstil nicht beeindruckt. In der Regel sind all die historischen Themen der 40-er, der 50-er Jahre bereits in vorhandener Literatur behandelt. Zumal Nick Pope ja zu diesen Fällen und Erkenntnissen/Theorien nichts Neues zutut. Schuldig bleibt er nach meiner Meinung auch, was denn das Besondere seiner Fallbearbeitung war und ist. Er lobt seine Tätigkeit mehrfach. Sicher, er war engagiert, hat sich selbst durch Lesen von UFO-Literatur »ausgebildet«, hat nicht nur die fast täglichen Meldungen bearbeitet, sondern auch in Historischen nachrecherchiert. Aber dem Leser bleibt verborgen, ob und wo seine Vorgehensweise von der des durchschnittlichen Vorgehens einer zivilen UFO-Organisation positiv abweicht.

Im Gegenteil! Da er auch eine Reihe von internationalen Fällen aufführt (das birgt die Gefahr, dass der Leser das Gesamtmaterial des MOD als »nicht so prall« annehmen könnte), ist ein Vergleich seiner Haltung, seiner Art der Analyse und seines Standpunktes möglich. Beispiel »Fall Falcon Lake«, 20.05.1967: Der Fall wird nicht ausführlich vorgestellt, vor allem fehlen die kritischen Aspekte, die den Fall auch als Schwindel möglich erscheinen lassen. Der Fall wird hier kritiklos als ein Beispiel herangezogen, um eine gegebene Gefahr durch UFOs anzunehmen (man vergleiche dagegen die Arbeit von Chris Rutkowski, Der Fall Falcon Lake – eine zu nahe Begegnung, die Ulrich Magin übersetzte und die in den jufof 2 / 2011, 3 / 2011 und 4 / 2011 zu finden ist, und deren Literaturangaben weit vor dem Erscheinungsjahr unseres rezensierten Buches liegen und damit Nick Pope verfügbar waren).

2. Beispiel »Betty Cash of Dalton, Texas«, 29.12.1980: Die drei Fahrzeuginsassen werden von einem ungekannten Flugobjekt eingeholt, welches den PKW auch überfliegt. Betty hatte den Wagen angehalten und war ausgestiegen. Beim Wiedereinsteigen fühlt sich der Türgriff erwärmt an, alle drei Fahrzeuginsassen zeigen die Tage drauf Krankheitssymptome, wie sie bei Strahlenschäden bekannt sind (und bleiben auch teils dauergeschädigt). Das UFO wird von aus allen Richtungen herbeikommenden Hubschraubern eskortiert. Nick Pope sagt zu dem Fall, dass er auch keine Erklärung zum Phänomen, ebenso zum Eskortieren der Hubschrauber hat, aber ihm fällt das Datum auf: An dem Tag geschieht auch die zweite Sichtung in »Rendlesham Forest«. Es werden nicht die Gemeinsamkeiten oder Gegensätzlichkeiten der zwei Fälle verglichen, es reicht als besonderes Element das Datum! Das ist schon »magisches Denken«, welches einem auch in der Fallschilderung »RAF Shawbury / Shropshire« vom 30./31.03 1993 begegnet. In der Diskussion, ob nun der Offizier vom Wetterdienst am Himmel möglich den Re-Entry des Cosmos 2238 sah oder anderes, das kann Nick Pope auch nicht ermitteln, aber das Datum fällt ihm auf: Genau drei Jahre nach der Belgienwelle! Und das schlägt schon fast dem Fass den Boden aus.

So verwundert es nicht, dass Nick Pope bei den Themen »Kornkreise«, »Tierverstümmelungen «, »Entführungen«, die ebenfalls mit Material außerhalb des MOD bestritten werden, bei allen verbleibenden ungeklärten Restfragen auf die Möglichkeit verweist, sie könnten ja auch durch UFOs (in Zusammenhang mit der ETH) verursacht sein. Es ist nicht sicher, aber das Gegenteil ist nicht bewiesen (ein wahrhaft neuer Ansatz!).

Es gibt eine Literaturliste im Anhang, aber direkt durch Zitate verwiesen wird darauf nirgends. Das Buch erschien 1996, zu der Zeit waren noch nicht die Freigaben diverser UFO-Akten in Frankreich, England, den USA unterwegs. Unter dem Zeitaspekt mag es tatsächlich ein neues Verhalten sein, von der Tätigkeit seiner Dienststelle, in diesem Falle das MOD, zu plaudern. Allerdings wissen wir heute, dass Nick Pope offensichtlich auch nicht in all die Akten eingeweiht war, die das MOD hält. Z. B. spricht Nick Pope aus, dass es Bestände ab 1959 gibt. Freigegeben wurden aber auch Fälle z. B. aus dem zweiten Weltkrieg, von Winston Churchill persönlich für 50 Jahre gesperrt.

So sehr wenig spannend das Buch auf mich wirkte und so sehr ich die Elemente vermisste, die eine Rechtfertigung bieten, Nick Pope als Experten einzustufen, so sehr mutig (mal wieder mutig) wirkte auf mich die Behandlung der Fragestellung »Bedrohung durch UFOs«. Nick Pope geht – und das habe ich bislang nirgends in Büchern namhafter Autoren gesehen – einen ganzen Schritt weiter. Für ihn ist es nicht nur bewiesen, dass es Zwischenfälle mit Unfällen oder auch Entführungen (von Sportmaschinen z. B.) gibt, ferner, dass unbekannte Objekte den Hoheitsluftraum verletzen, ohne dass das irdische Militär dieses aufklären oder gar beeinflussen kann. Er greift sogar die Fragestellung auf, ob es Sinn macht, bzw. unter welchen Gegebenheiten man daran denken könnte, sich auf Krieg mit den UFOs einzulassen. Außerdem spricht er schonungslos aus, was wohl viele denken, wie wackelig während des kalten Kriegs die Situation mit dem Auslösen des atomaren Gegenschlages war. Es brauchte nur einer der zwei Kontrahenten durch ein UFO glauben, der Gegner sei unterwegs, und die Katastrophe wäre perfekt gewesen. So etwas spricht keine offizielle Stelle aus. Und das macht Nick Pope gerade auch als Bediensteter des MOD aus. Möglich, dass er damit in gewissen Kreisen gepunktet hat (und als Experte gekrönt wurde, um diese Stimme zu erhalten). Erwähnen muss man zudem unbedingt, dass der Leser den Eindruck bekommt, seine teils als langatmig empfundenen Abhandlungen aber gerade jedes ihm bekannte Detail enthalten. Das heißt, er unterschlägt nichts, traut sich an alle Themen und nennt Ross und Reiter. »Ehrlichkeit« könnte man das nennen.

Das Buch ist zwar nicht mein Lieblingswerk geworden. Für die breite Leserschaft gibt es sicherlich Geeigneteres. Aber Nick Pope mit seinen Eigenwilligkeiten, Überraschungen und seiner Unbeirrbarkeit ist mir etwas mehr aufgeschlossen worden. Insofern hat es sich unter dem spezifischen Ansatz dennoch gelohnt, einmal in eines seiner Werke ausführlich reingeschaut zu haben.
Klaus Felsmann

 

Simon & Schuster, 1997
Deutsch (≫Die UFO-Akte≪): Knaur, 1998
jeweils nur noch antiquarisch erhältlich

Quelle: JUFOF Nr. 207: 93 ff