Bernhard Proschold:
Außerirdische
Das große Tabu unseres Zeitalters
Wenn wir die außerirdische Hypothese (ETH) bei der Beurteilung von UFO-Sichtungen, Alien-Berichten, in der Prä-Astronautik, oder außerirdische Besucher auch nur in allgemeinen Diskussionen zur Sprache bringen, wird man gleich von vielen Menschen, ganz besonders aus der wissenschaftlichen Community, belächelt. Warum ist das so? Warum wehrt man sich gegen diese Hypothese, warum ist man dieser gegenüber nicht aufgeschlossen, warum wird man dann gleich als »Spinner« betitelt? Warum hat der Mensch eine solche Angst vor dem Unbekannten, vor dem Fremden?
Bernhard Pröschold, Astrofotograf, Soziologe und Journalist, betreibt die Web-Seite www.hessdalen.de. Bei mehreren Reisen nach Norwegen wurde er auf das UFO-Phänomen, speziell auf die Hessdalen-Lichter aufmerksam und sein Interesse daran geweckt. Dabei ist er wohl auch auf die o.g. Fragen gestoßen, die ihn dazu veranlasst haben, diese Problematik in einer sozialphilosophischen Arbeit aufzuarbeiten.
Zunächst versucht er, überhaupt die Idee von außerirdischen Besuchern wissenschaftstheoretisch zu legitimieren. Weder die Wissenschaft noch die Öffentlichkeit möchten sich mit der Hypothese auseinandersetzen. Wenn das Thema angesprochen wird, fallen gleich panikartig die Scheuklappen und man schiebt das Thema in die Ecke der Lächerlichkeit. Mit dem vorliegenden Buch möchte der Autor den Leser einladen, sich einfach mal ernsthaft mit der Möglichkeit der Anwesenheit außerirdischer Besucher als Gedankenexperiment einzulassen und sich mit dem »radikal Fremden«, so wie der Autor es bezeichnet, auseinanderzusetzen.
In seinem Kapitel »Leben im Universum« macht Pröschold deutlich, dass zumindest die Existenz außerirdischen Lebens von der Wissenschaft bereits akzeptiert wird. Nämlich im Bereich der SETI-Forschung. Verlagert man diese Akzeptanz aber auf die Erde, verlässt man, so Pröschold, »nach allgemeinem Dafürhalten den soliden Boden der seriösen Wissenschaft«, ganz besonders dann, wenn es um UFO-Phänomene geht. In seiner weiteren Betrachtung kommt er schon mal zu dem Schluss, »dass es sich bei der ETH um eine recht spekulative, aber dennoch legitime wissenschaftliche Hypothese zur Erklärung des UFO-Phänomens handelt«. Das sieht die Wissenschaft und Öffentlichkeit aber ganz anders und so fragt sich der Autor, welche Mechanismen dafür gesorgt haben, dass außerirdische Besucher zu einem regelrechten Tabuthema geworden sind. In der Wissenschaft mag es wohl daran liegen, dass es die UFO-(Laien-)Forschung bisher nicht geschafft hat, Hypothesen aufzustellen, die erst einen Zutritt zum »normalen akademischen Wissenschaftsbetrieb« ermöglichen. Keine breite wissenschaftliche Forschung bedeutet auch keine Akzeptanz in der Öffentlichkeit.
Warum das Thema zu einem absoluten Tabu geworden ist, hat der Autor wissenschaftstheoretisch, anthropologisch und geistesgeschichtlich begründet. Damit aber auch die Gründe aufgezeigt, warum der wissenschaftlichen Mainstream den Themenkomplex als modernen Mythos disqualifiziert. Leider wird das dann auch noch durch »pathologische Wucherungen«, wie Pröschold bestimmte ufologische Randerscheinungen, beispielsweise UFO-Sekten, nennt, legitimiert: »Die Verschmelzung von religiösen Motiven, phantastischen Erzählungen und weltanschaulichen Botschaften transformiert die UFO-Thematik zu einem der großen Mythen der Moderne.« So vermutet er auch einen Zusammenhang »zwischen dem akademischen Desinteresse an der physikalischen Evidenz des UFO-Phänomens und seiner Wahrnehmung als populärer Mythos.« Und gerade weil die Wissenschaft es ablehnt, sich mit dem UFO-Phänomen zu beschäftigen, bietet sie dadurch denen, »die die enorme Nachfrage nach mystischen Weltdeutungen befriedigen wollen« eine Spielwiese. Das führt wiederum dazu, dass die Wissenschaft beim UFO-Phänomen nicht von einem physikalischen Phänomen ausgeht, sondern von einem soziokulturellen. Ein »Teufelskreis«, aus dem es kaum ein Entkommen gibt.
Natürlich haben auch die Medien ihren Anteil daran. So bauen sie »Experten auf, auf die zur Erklärung von unidentifizierten atmosphärischen Phänomenen zurückgegriffen wird«. Und das immer wieder auf dieselben, weil es ja so einfach ist, wenn man die zur Kenntnis nimmt, die am lautesten schreien und sich selbst in den Vordergrund drängen. Warum muss ich jetzt nur an einen »Experten« in Mannheim denken? Wie auch immer… Pröschold wirft den Medien / Journalisten vor, sich nicht ausgewogen zu informieren und nicht auch mal die sprechen zu lassen, die mehr im Stillen, aber sachgerecht, sich der UFO-Forschung widmen.
Somit wird deutlich, dass die Weigerung der Wissenschaft, sich mit dem UFO-Phänomen zu beschäftigen, zur selbsterfüllenden Prophezeiung geworden ist. Und die Öffentlichkeit findet ihre Ablehnung zum Thema UFOs dadurch bestärkt, weil sich entweder »jemand mit der UTH beschäftigt oder weil sich niemand ernsthaft mit dieser Forschung beschäftigt.«
Gegenüber der UFO-Forschung bemängelt Pröschold, dass es »an typischen institutionalisierten Kommunikationsformen des akademischen Betriebes« fehlt. »Einzig das Allen Hynek Center for UFO Studies veröffentlicht unregelmäßig aktuelle Forschungsbeiträge«. Nun ja… hier scheint der Autor nicht ganz auf dem Laufenden zu sein und ignoriert offenbar auch unsere Arbeit. Aber er hat schon Recht, wenn er darauf hinweist, dass zwar die »unermüdliche Arbeit privater Forscher« bei der Aufklärung von UFO-Fällen wertvoll ist, aber es dennoch »der Laienforschung an Ressourcen, Vernetzung und Institutionen der kritischen Prüfung« fehlt. Nun… wir versuchen das zu machen, was im Rahmen der Möglichkeiten durchführbar ist.
Bemerkenswert und richtig finde ich, dass Pröschold deutlich darauf hinweist, dass es sich bei der UFO-Forschung um ein höchst interdisziplinäres Gebiet handelt und damit jeder Wissenschaftler, »egal ob in der Rolle eines Ufologen oder in der Rolle eines Fachwissenschaftlers – bei der interdisziplinären Erforschung eines kaum verstandenen Phänomens zum Laien« wird.
Um dem ganzen Dilemma zu entgehen fordert der Autor, dass »ein öffentlicher Diskurs über die Möglichkeit außerirdischer Besucher beginnen« und die »Überprüfung der ETH zu einem zentralen Gegenstand der akademischen Forschung werden« muss. Allerdings kann ich mir zumindest zum letzten Punkt nicht vorstellen, dass ich das noch erleben werde.
Auch wenn Pröscholds Argumentationskette sich sehr an sozialphilosophischen Betrachtungen orientiert und die praktische Forschung kaum berücksichtigt, fand ich das von ihm aufbereitete Thema ganz spannend und informativ. Allerdings kann er nicht von uns erwarten, dass wir die ETH noch tiefer in unsere Arbeit etablieren und noch gründlicher hervorheben. Wir haben schon genug mit unserer bisherigen Arbeit zu tun, nämlich die Spreu vom Weizen zu trennen. Aber interessante Denkanstöße haben sich aus seinem Buch in jedem Fall ergeben.
Hans-Werner Peiniger
157 Seiten, broschiert, ISBN 978-3000388514, 19,90 EUR
Verlag Bernd Pröschold
Köln, 2012
Quelle: JUFOF Nr. 207: 91 ff