Christian Alt und Christian Schiffer: Die Wahrheit ist (n)irgendwo da draußen

Was der neue Ufo-Hype über uns Menschen verrät

In den letzten Jahren ist der Buchmarkt zur UFO-Thematik in Deutschland überschaubar geworden. Ein neues Werk ist nun im angesehenen Goldmann Verlag erschienen und wie der Titel „Die Wahrheit ist (n)irgendwo da draußen“ vermuten lässt, geht es um das Für und Wider der Diskussion, ob hinter UFOs eine (nichtirdische) Intelligenz stecken könnte.

In insgesamt sechs Kapiteln widmet sich das Buch vielen Themen von Roswell über die Area 51 bis hin zu Entführungen. Aber auch Themenverwandtes wie Prä- Astronautik oder SETI kommt zur Sprache.

Was positiv im Buch auffällt, sind viele sehr detailreiche Erläuterungen zu aktuellen Themen wie AATIP, die UFO-Videos der Navy oder der To the Stars Academy von De Longe, welche so bisher in Deutschland noch wenig beachtet worden sind.

Auch die Behandlung kontroverser Themen wie der Einsatz von Hypnose bei Entführungen oder die bewusste Nutzung von Personen für Desinformationen, wie im  Fall Bennewitz, ist empfehlenswert. Allerdings ist die Betrachtung von Verschwörungen allgemein, deren Gefährlichkeit und vor allem die Einbettung von UFOs in dieser grauen Schattenwelt zum Teil etwas naiv und zu wenig tiefgreifend.

Auch wenn das Buch mit vielen Fach-Termini daherkommt, welche nahelegen, dass die Autoren  versucht haben, sich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen (als Beispiele hierzu mögen z.B. genannt werden: Fermi Paradoxon – S. 148, Drake Gleichung – S. 155 oder Rare Earth – S. 162), gelingt es doch nicht immer, den Kern zu treffen. So bleiben Erklärungen für Fälle wie Rendlesham oder UFO-Entführungen (mit pauschalen Verweisen auf Persinger und Schlafparalysen) zu einfach und oberflächlich.

Schwierig wird es, wenn Ungenauigkeiten zu objektiven Fakten im Buch auftauchen, welche Zweifel an der Sorgfalt bezüglich des gesamten Buches aufkommen lassen. Hier seien beispielhaft vier Punkte angeführt:

Im zweiten Kapitel geht es unter anderem um die Initialsichtung des modernen UFO-Phänomens durch Kenneth Arnold. Während hier grundsätzlich geschichtliche Hintergründe aufgearbeitet werden, die es einem möglicherweise noch nicht sehr informierten Publikum gestatten sollen, die Historie einzuschätzen, fällt auf, dass die Autoren sowohl auf den Seiten 52 als auch 53 schreiben, dass die Sichtung am 27. Juni 1947 stattfand. Auf Seite 59 erfährt man dann doch noch mit dem 24. Juni 1947 das richtige Datum.

Auf Seite 56 wiederum wird behauptet, das Dritte Reich habe bis Kriegsende versucht, die V2 zu entwickeln. Auch wenn eine stete Weiterentwicklung erfolgte, war doch bereits 1942 die Serienanfertigung angeordnet worden, welche 1943 startete.

Auf der gleichen Seite behaupten die Autoren, der Begriff des Kalten Krieges sei erst im April 1947 aufgekommen, dabei hatte ihn Orwell bereits 1945 geprägt.

Auf den Seiten 118 f. schreiben Alt und Schiffer, dass man das Project Sign 1948 (und darauf aufbauend dann Grudge und Blue Book) schuf, weil immer mehr Piloten UFOs sahen, die aber in Wirklichkeit auf Sichtungen des streng geheimen U-2- Spionageflugzeugs beruht hätten. Dessen Erstflug fand aber erst 1955 und die tatsächliche Indienststellung erst 1957 statt.

Gut gefallen haben mir indes die Verweise auf Popkultur und Zeitgeist und wie diese in das UFO-Phänomen hineinspielen, auch wenn einige Aussagen, wie die angebliche Unterschätzung der psychischen Komponente durch die UFOlogie, sicher auf große Teile zutreffen, dann aber doch zu pauschal sind, wenn man an die Werke z.B. eines Vallée denkt.

Dem Grundtenor des Buches ist dennoch uneingeschränkt zuzustimmen: die grundsätzliche Entmystifizierung, der Verweis darauf, UFOs neutral zu sehen und nicht als Stigma, und der in der Einleitung formulierte wünschenswerte Vorsatz:

„Wir wollen mit diesem Buch versuchen, eine Brücke zu schlagen. Zwischen ernsthafter Beschäftigung mit dem Ufo-Phänomen und der Popkultur. Wir brauchen dringend eine neue Ufo-Kultur, eine neue rationale Ufologie.“ 

Auch wenn dies den Autoren selbst nur teilweise gelingt, bleibt dies im Nachgang als der große Wert des Buches hängen.

Und auch die im Anhang angebotene gute aktuelle Literaturliste lässt sich als Pluspunkt hervorheben.

Dass Bücher im Internet-Zeitalter eine gewöhnungsbedürftige Sprache nutzen und statt tatsächlicher Forschung eher auf Zusammenfassungen von Themen setzen, ist ein eher allgemeiner Trend und lässt sich nicht allein dem vorliegenden Werk anlasten.

Der Erkenntnisgewinn bleibt so jedoch überschaubar, die gezogenen Rückschlüsse bleiben Interpretation. Dennoch bemüht sich das Buch um einen neutralen Ton und auch die Konzentration auf die Entwicklungen der letzten Jahre verleiht ihm eine gewisse Aktualität.

Marius Kettmann ∗ ∗ ∗ ∗ ∗

240 Seiten, pb., ISBN-13: 978-3442317011, Preis: 18,00 €

Wilhelm Goldmann Verlag
www.penguin.de/Verlag/Goldmann
München, 2023

Hier erhältlich*

Quelle: JUFOF Nr. 274, 4/2024: 125 f

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