Unerklärliche Flugobjekte vom Altertum bis in die moderne Zeit

Als die englische Version von „Wunder am Himmel“, „Wonders in the Sky“, 2010 erschien, da hagelte es nicht nur beweihräuchernde Besprechungen, sondern oft auch harte Kritik. Zu viele Fehler enthielt das Buch, von biografischen bis zu geografischen Angaben. Da ist es zunächst als positiv zu bemerken, dass in der vorliegenden Ausgabe auf einige dieser Kritikpunkte eingegangen wurde: Rangun liegt nicht mehr in China, wie im Original auf S. 436, sondern, ganz korrekt, in Myanmar (S. 408). Und Prag wird nun nicht mehr in der Tschechoslowakei lokalisiert, sondern richtig in der Tschechischen Republik. Einige der Quellen für deutsche Berichte hat der Über setzer oder der Verlag dankenswerter Weise nun ergänzt, etwa zu Nr. 91, S. 121. wo das englische Original die ominöse Quelle Ekkehard of Aurach, On the Opening of the First Crusade, 1101 zitierte, als habe ein Deutscher im 12. Jahrhundert ein Buch auf Englisch veröffentlicht. Die deutsche Ausgabe stellt auf S. 121 klar: Der Mann hieß Ekkehard von Aura und führt nun eine Übersetzung aus dem Lateinischen an, aber erneut ohne Seitenangabe… als wollten die Autoren jede Überprüfung ihres Materials verhindern. Der nicht existierende Ort Bry in Südfrankreich (Original S. 158) ist nun korrekt als Aix wiedergegeben (S. 202), weil das englische Buch hier nicht übersetzt, sondern tatsächlich die Originalquelle abgedruckt wurde. Aber das war es dann im Großen und Ganzen.
Insofern habe ich wenig zu ändern an einer Besprechung, die ich schon anlässlich der englischen Erstveröffentlichung schrieb (2010b) und die ich nun gekürzt und aktualisiert folgen lasse.

auf X, 31.05.2015
Die UFO-Forschungs-Veteranen Jacques Vallée und Chris Aubeck (rechts) sammeln in diesem Buch 500 Berichte über UFOs und Nahbegegnungen vor 1872. Sie wollen damit belegen, dass es seit Jahrtausenden ein unerklärliches UFO-Phänomen exotischer Herkunft gibt, das bis in unsere heutige Zeit konsistent beschrieben worden ist. Um das zu erreichen, streichen sie bei den berichteten Phänomenen jede symbolische oder allegorische Beschreibung, um die Beobachtungen von ihrer zeitgenössischen Interpretation zu lösen und somit zu einem Kern vorzustoßen, den sie der naturwissenschaftlichen Analyse zugänglich machen wollen.
Die beiden Autoren suchen nach einer Kernphänomenologie, die das Ablösen mehrerer Schichten kultureller Ausgestaltung erfordert, so beschreibt David Hufford in seinem Vorwort ganz präzise die Methodik von Aubeck und Vallée. Um aber zu erkennen, was die „kulturelle Ausgestaltung“ ist, muss man zuerst wissen, wie die Kernphänomenologie aussieht: Kulturelle Ausgestaltung ist dann eben alles, was nicht dazu passt. Die Methodik definiert also bereits das Resultat: Alles, was nicht dem modernen Phänomen entspricht, ist bloße Ausgestaltung, und am Ende der Analyse steht – wen wundert es? , das moderne Phänomen.
Und das Vorgehen erzeugt automatisch (wie etwa Erich von Dänikens Mythenbetrachtung) eine einschränkende zeitgenössische, heutige, also bloß andere und nur scheinbar „modernere“ Deutung. Anders gesagt: eine grobe Verfälschung der Berichte. An dieser Grundvoraussetzung krankt und scheitert (muss scheitern) das ganze Buch.
Ein Engel, der am Himmel in eine Trompete bläst, ist nämlich ein bedeutsames Ereignis: Er warnt vor Krieg, Pest oder dem anbrechenden jüngsten Tag. Eine „weiße Gestalt“ am Himmel, die „ein zylindrisches Objekt“ hält, das alles begleitet von „unidentifizierten Geräuschen“- das ist Unsinn. Kein Wunder also, dass Vallée das UFO-Phänomen für undurchschaubar hält, wenn er für seine Betrachtung zuerst den gewollten Sinngehalt abzieht.
Die 500 Meldungen, die beide Autoren hier gesammelt haben, sind ein Sammelsurium aus Bibeltexten, Einblattdrucken, Marien- und Engelerscheinungen, aber auch Himmelsheeren, die wenig miteinander gemein haben außer der Tatsache, dass man sie mit mehr oder weniger (manchmal nur mit enormer) Kraftanstrengung in das Prokrustesbett der modernen UFO-Mythologie quetschen kann. Jeder Eintrag beginnt mit einer Zusammenfassung des folgenden Textes in scheinbar neutraler Darstellungsweise, so dass Engel oder Geister zu „Humanoiden“ und Himmelsomen zu „Scheiben“ werden. Das engt die mögliche Deutung von vornherein auf das UFO-Phänomen ein.
Die Fehler dieser Methode zeigen sich schnell. Die Autoren wollen die gesammelten Erzählungen ihrer zeitgenössischen Deutung entkleiden, um so auf das Phänomen an sich zu stoßen – dabei ist (das wurde oft genug in Einzelstudien gezeigt) die Interpretation das eigentliche Phänomen. Ausgangslage für die Autoren ist also, in dem Wust früherer Überlieferungen echte Anomalien zu finden und dabei völlig außer Acht zu lassen, dass viele dieser Phänomenberichte nur dazu dienten, eine theologische oder mythologisch bedeutsame Aussage zu machen. Das berichtete „Ereignis“ war nebensächlich, oft erfunden oder aus anderen Quellen übernommen und so abgeändert, dass es zu der intendierten Deutung passte. Einblattdrucke des 16. und 17. Jahrhunderts beispielsweise kopierten „Ereignisse“ voneinander, ändern Datum und Ort und Details, damit es zur moralischen Botschaft, auf die es den Schreibern eigentlich ankam, passte. Die Methode, die Vallée und Aubeck einsetzen, dient also nicht der Entschlüsselung, sondern nur einer weiteren, von den damaligen Berichtschreibern nicht einmal gewollten Verrätselung und Verschleierung.
Die sensationelle Schlussfolgerung Vallées und Aubecks, dass ein exotisches, vom Beobachter unabhängiges Phänomen seit Jahrtausenden unsere Weltbilder manipuliert, darf nach all dem getrost in Frage gestellt werden. Erschafft sich nicht vielmehr der Mensch Phänomene, die zu seinem Weltbild passen? Nimmt er nicht vielmehr ungewöhnliche Naturerscheinungen so wahr, wie es seinem Verstandeshorizont entspricht? Schließlich: In den Texten geht es nicht einmal um Wahrnehmungen, sondern um kulturell gefilterte Beschreibungen. Wie können solche Rohmaterial für naturwissenschaftliche Revolutionen sein?
Interpretation
„Wir begannen dieses Projekt …streng fakten- statt glaubensorientiert“, behaupten die Autoren auf S. 579. Ich bezweifle das, denn die Schlussfolgerung stand von vornherein fest. „Wir werden zeigen, dass unidentifizierte Flugobjekte nicht nur einen großen Einfluss auf die populäre Kultur, sondern auch auf unsere Geschichte und Religion hatten“, wird auch bereits auf S. 16 festgestellt. Die angeblich neutrale, tatsächlich aber höchst manipulative Neuinterpretation der alten Berichte lässt schon auf S. 39 Echnatons Sonnenscheibe zum UFO werden. Dann kommt – schon wieder!, möchte man seufzen – eine völlig irrsinnige Technisierung des biblischen Hesekiel-Buchs. Vallée und Aubeck verstehen den Zweck der biblischen Prophetie nicht (sie ist weder Vorhersage noch Augenzeugenbericht, sondern formuliert ein theologisches oder politisches Programm) und deuten Hesekiel – wie Däniken und Konsorten – natürlich wortwörtlich. Aber Hesekiel beschreibt kein Fluggerät, sondern der sehr sorgfältig und höchst literarisch verfasste Text verweist auf Beschreibungen des Tempels von Jerusalem und formuliert mittels bekannter Metaphern und Ritualobjekte ein theologisches Programm für die sich im Exil befindlichen Juden. (Magin 2008 erklärt, wie komplex dieser Prophetentext komponiert ist und welchen Einfluss die darin formulierten revolutionären spirituellen Ideen auf das Judentum und später das Christentum und den Islam hatten: Die zeitgenössischen Leser verstanden sehr wohl, was Hesekiel schrieb.)
Aber auch christlichen Predigern ergeht es in ufologischen Händen nicht besser: Ein Kommunionshostie, die bei einem Himmelswunder am 9. Mai 1641 über dem portugiesischen Braga im Mond erscheint, mit zwei Engeln zu ihren Seiten (Nr. 238, S. 247), verwandelt sich in „neutraler Sprache“ in eine „flache Scheibe“. Nun, eine flache Scheibe hätte den Chronisten kaum interessiert, ihm war die Hostie wichtig. Schließlich war der 9. Mai 1641 nicht irgendein Tag, sondern Christi Himmelfahrt. Ein leuchtendes Kreuz, das 1555 in Cuenca, Spanien, über einem neu errichteten Kalvarienberg erschien (also einer Nachbildung des Kreuzes auf Golgatha) wird als UFO gedeutet (Nr. 193, S. 205), mit dem Zusatz, dass man „auch seine religiöse Bedeutung nicht außer Acht lassen sollte“ – ganz so, als sei diese sekundär.
Und obwohl die Autoren auf S. 173 warnen, dass Flugschriften des 16. und 17. Jahrhunderts oft erfunden seien, ignorieren sie diese einfache Feststellung auf den Folgeseiten, um möglichst viele Engels- und Hostienwunder sowie Himmelsheere in UFOs mit Besatzung verwandeln zu können. Bei den „zylindrischen UFOs“ 1561 über Nürnberg (S. 205, Nr. 194) handelt es sich um widerstreitende Kanonen, nicht um Mutterschiffe. (vgl. Magin 2010a)
Die Entkleidung von zeitgenössischer Interpretation führt dazu, dass eine Erscheinung des heiligen Geistes in ihrer konventionellen Form der Taube als „vogelähnliches Objekt“ katalogisiert wird (Nr. 181, S. 193) oder zwei sich um ein Kreuz streitende Himmelsheere über Wittenberg (eine klare Allegorie auf Luther und wohl von den zeitgenössischen Lesern kaum als Reportage verstanden) als „seltsamer Anblick“ (Nr. 184, S. 194, hier sind in der deutschen Ausgabe die Berichte 183 und 184 vertauscht und in chronologischer Unordnung, hier stimmt allerdings das Original). Geisterschiffe am Himmel, die von der französischen oder holländischen Küste aus erspäht wurden, gelten als UFO-Phänomen (naheliegender wäre eine Luftspiegelung). Typische Nordlichtbeschreibungen, etwa eine Licht-säule, aus der Kugeln kommen, wie sie zu hunderten in Zeitungen des 19. Jahrhunderts zu finden sind, werden natürlich ebenfalls schnurstracks in UFOs verzaubert. (S. 321, Nr. 322)
Ein Fund, den Vallée bereits vor 50 Jahren gemacht hat, nämlich ein amerikanischer Zeitungsbericht über ein Himmelsphänomen, das John Martin 1878 beobachtete, und bei der er die Größe des Lichts mit dem einer „saucer“ verglich („about the size of a large saucer“, als das Phänomen über ihm war), wird manipulativ als Untertassenbericht vorgezeigt (S. 447, Nr. 494, die Autoren unterschlagen, dass es eine Größenangabe, kein Formvergleich war). Doch der Größenvergleich mit einer Untertasse war damals gang und gäbe, er taucht in Seeschlangenberichten bei der Beschreibung der Augen der Monster dutzende Male auf. Ich habe 2010 bei „google newspapers“ einen kleinen Versuch unternommen: In der Periode von 1800 bis 1900 finden sich für „large as saucers“ 67 Treffer, „big as saucers“ taucht 69-mal auf, „big as a saucer“ 20-mal, „large as a saucer“ schließlich 25-mal. Und die Metapher beschreibt so ziemlich alles von der Größe einer Wunde über eine Brosche bis zum Schlangenkopf. Erneut wird deutlich, dass Vallées und Aubecks Methode, Sichtungen von „zeitgenössischer Deutung“ zu befreien, nicht zu einer neutralen Darstellung führt, sondern nur zu einer neuen, von den ursprünglichen Verfassern gar nicht intendierten Bedeutung, womit das Prinzip ad absurdum geführt wird. John Martin hat eine gebräuchliche Metapher benutzt, er wusste noch nichts von „flying saucers“. Die Autoren wissen von ihnen, und deshalb nehmen sie die damals übliche Metapher und passen sie ihren voreingenommenen Erwartungen an.
Mangelnde Literaturkenntnis
In vielem haben die Autoren einfach ohne Überprüfung eine Quelle abgeschrieben, trotz ihrer angeblich intensiven Recherche. Der Fall Thutmosis (S. 478ff) wird ohne meinen recht umfangreichen Aufsatz in „Fortean Studies“ (Magin 1999) dargestellt (der zwar falsche Schlussfolgerungen zog, die nun widerlegt sind, aber viel Literatur aufführte, die zur Analyse unerlässlich sind), sie bilden auch (S. 480) nicht die hieroglyphische Umschrift des (erfundenen) hieratischen Papyrus Tulli ab, wie behauptet, sondern die Wandmalereien im Grab Thutmosis III, die das ägyptische Totenbuch illustrieren!
Ab S. 88 werden Varianten der Magonia-Erzählung aufgeführt, die wie schon 1969 in Vallées „Passport to Magonia“ völlig verzerrt dargestellt und gedeutet sind, obwohl Jean Luis Brodu in einem Aufsatz in „Fortean Studies“ (1995) den Gesamtkomplex in seinen zeitgenössischen Rahmen gestellt und die nur vom Volk geglaubte Sage von den Zauberschiffen aus Magonia (die heutige Stadt Mahon auf der Baleareninsel Menorca!) als Adaption alter Glaubensformen an Religionsstreitigkeiten der karolingischen Zeit ausführlich ohne Rekurs auf etwas Mysteriöses geklärt hat.
Und obwohl Vallée stets Wert auf seine astronomische Kompetenz legt, erwähnt er etwa auf S. 419 einen „contributer named R P Greg“ (die deutsche Übersetzung macht aus ihm immerhin einen „freien Mitarbeiter“) ohne zu erkennen, dass es sich hier um den berühmtesten Meteor-Forscher des 19. Jahrhunderts handelt!
Sachfehler
In einem Buch, für das ein Jahrzehnt lang recherchiert wurde, sollten nicht so viele Sachfehler stecken wie im vorliegenden Werk. Auf S. 19 des Originalbuchs lesen wir, der Islam sei in Medina entstanden (nein: in Mekka, die deutsche Fassung, S. 28, lässt den Ort einfach aus), auf S. 29 wird behauptet, Columbus habe kurz vor seiner Landung in Amerika ein „seltsames Licht“ gesehen (er beschreibt tatsächlich den fahlen Schein einer Fackel; es klingt fast so, als zitierten die beiden Autoren den Vorfall nach einem Buch des Sensationsautors Charles Berlitz!). Das römische Hadria (S. 50, Nr. 11) lag mitnichten am Golf von Venedig, es handelt sich um das heutige Atri, das 500 km südlich von Venedig in der Provinz Teramo in der Region Abruzzen liegt (Kleiner Pauly, Band 2, Sp. 905; die Übersetzung macht aus Hadria gleich Adria); im Jahre 80 n. Chr., gab es keinen Ort in Schottland namens Caledon Wood (S. 61, Nr. 26), das ist Englisch und bedeutet: Wald in Caledonia=Schottland, die Schlacht an der Milvischen Brücke fand innerhalb der Stadt Rom statt, nicht in der Nähe Veronas (S. 500), und Aviemore ist ein Skikurort in Schottland, der betreffende italienische Ort bei Foggia (S. 106, Nr. 76, Jahr 1001) heißt Avianio-Irpino. (Auf diesen Fehler hatte ich 2010 hingewiesen, er steht nach wie vor im Buch.) Der River Fend im Bericht über den Tod des hl. Columba (S. 78) ist der Finn in Donegal; auf S. 150 und 152 sind die Nummern 133 und 136 wörtlich identisch, es handelt sich um zwei Varianten des gleichen Berichts, auf S. 294, Nr. 295 werden die Karibikinsel Grenada und die spanische Stadt Granada verwechselt, daher eine Sichtung aus Amerika nach Spanien transportiert, und zwar in den nicht vorhandenen Hafen der doch beträchtlich vom Meer entfernten Gebirgsstadt etc. (Diesen Fehler hat man ebenfalls nicht korrigiert, obwohl verschiedene Buchbesprechungen darauf hingewiesen hatten.) Irgendwann habe ich es aufgegeben, solche Fehler zu notieren. Dass in einer solchen Sammlung Fehler vorkommen– vorkommen müssen – will ich nicht in Abrede stellen, aber dieser Datensatz sollte ja zu etwas dienen. Wenn nun jeder zehnte Bericht bereits beim ersten Lesen erkennbare schwerwiegende geografische oder inhaltliche Fehler aufweist, dienen die Daten, selbst wenn sie die ufologische Deutung zu tragen imstande wären, zu nichts.
Unklare Zitierweise
„Die Untersuchung solcher Fälle muss also mit der Suche nach einer Primärquelle beginnen“, schreiben die Autoren auf S. 36. Sie halten sich aber nicht daran.
Die Quellenangaben zu den einzelnen Berichten sind nämlich höchst kurios. Selbst leicht zugängliche antike Autoren werden nach Internetquellen oder mit Seitenangaben statt in der üblichen Zitierweise nach Buch und Kapitel angegeben. Bei dem Prodigiensammler Julius Obsequenz wird beispielsweise nie das Kapitel seines Werkes genannt, im Original von 2010 wurde eine deutsche Handschrift von 1101 über einen übersetzen englischen Titel angeführt, ohne Angabe, wo sie eventuell in einer wissenschaftlichen Anthologie gedruckt zu finden ist oder wo das Original verwahrt wird (das wurde in der deutschen Ausgabe berichtigt, wie eingangs gesagt). Die Autoren geben eine einzige Quelle für ihre Hesekiel-Darstellung an, nämlich Wikipedia (S. 42 ff), für Wundergeschichten rund um die Verbreitung der Lehre Buddhas in China (S. 59f) ist die Quelle ein Buch von 1887, das die These vertritt, Jesus sei ein essenischer Buddhist gewesen! Es gibt sicherlich leicht zugängliche (und modernere) religionswissenschaftliche Darstellungen des Buddhismus, so dass man nicht auf obskure Machwerke zurückgreifen müsste. Für einen (völlig fiktiven) Angriff Alexanders des Großen auf das 800 Jahre später gegründete Venedig wird „ein Brief“ zitiert, den Alexander angeblich an Aristoteles schrieb, dieser sei eine Fälschung und werde von Dante erwähnt – sonst nichts (S. 489), für zahllose japanische Berichte (unüberprüft) dient als Quelle ein japanisches UFO-Heft namens „Brothers Magazine“ (Nr. 22. S. 58; Nr. 290, S. 290 und Nr. 314, S. 315) Es hilft ein bisschen bei der Einordnung, wenn man weiß, dass das ein Heft japanischer Kontaktler war. Auch viele andere Quellen sind nicht zeitgenössisch, sondern ufologisch – etwa zu Nr. 315, S. 316: „UFOs and Extraterrestrial in History“, oder bei Nr. 320, S. 320: Michel Bougard, „La chronique“. Auch Nr. 234 (S. 244) stammt aus einem UFO-Buch, die angebliche Originalquelle lautet: „Histoire Locale du District Fengxian“ von Lou Ao – Hat wirklich ein chinesischer Gelehrter 1639 auf Französisch geschrieben? Und bei dem modernen UFO-Buch wird auch keine Seitenangabe genannt, man kann dort suchen und suchen – die Dokumentation von Fällen mit einer Primärquelle sieht anders aus. Nur ein Bruchteil der Quellenangaben ist nachvollziehbar, ein Quellenverzeichnis am Ende des Buchs fehlt.
Die Nachprüfbarkeit, die die Autoren zu Recht von anderen einfordern, lassen sie also selbst in vielen Fällen nicht zu. Man muss annehmen, dass noch vieles mehr aus dritter oder vierter Hand zitiert wurde, dazu noch aus ufologischen und prä-astronautischen Quellen. Ist ein Bericht zu schön, um gestrichen zu werden, obwohl ein Beleg für zeitgenössische Quellen fehlt, wird er dennoch (mit einigen Einschränkungen) in den Katalog aufgenommen!
Kriterien
Engel, Hostienwunder, Poltergeister – auch ohne Bezug auf ein eigenartiges Licht – sind mal aufgenommen, mal fehlen aus der Literatur bekannte Fälle (etwa der „Mähende Teufel“) völlig. Unklar ist, welche Kriterien überhaupt zu einer Aufnahme in den Katalog geführt haben, außer der Anmerkung der Autoren, das alles sei über Jahre hinweg genau geprüft und erwogen worden.
Warum zum Beispiel ist der Poltergeist-Klassiker von Tedworth (Nr. 275) von 1662 aufgenommen, sonst aber kein weiterer vergleichbarer Fall? In Tedworth gab es nichts Ufologisches. Fall 264, S. 268, beschreibt, wie ein junger Mann 1660 den Geist eines Bischofs sieht – klar, man kann das als Sichtung eines „Humanoiden“ bezeichnen, wie die Autoren es tun, aber sollte man dann nicht auch gleich noch zehntausende ähnlicher Geistererfahrungen mit aufnehmen? Was macht den Bischof, der sich in Luft auflöst, eher zum Humanoiden als den römischen Legionär, der dasselbe tut?
Meldungen über Seeschlangen sind zweimal in den Katalog aufgenommen – was ist mit den rund 1500 anderen Seeschlangenberichten (bei denen teilweise Lichter, Antennen oder Bullaugen beschrieben wurden)? Bei einem der Fälle manipuliert die Fallzusammenfassung, wie so oft in diesem Buch: Ein 60 cm übers Wasser ragender („standing up“) Seeschlangenhals (S. 320, Nr. 320) von 1717 wird zu einem 60 cm über der Oberfläche schwebenden Objekt. Hier hat der Wunsch, möglichst viele UFOs in alten Aufzeichnungen zu finden, das Denken geleitet. Eine weitere im Katalog enthaltene Seeschlange (S. 376, Nr. 389) von 1813 unterscheidet sich in nichts von ähnlichen Seeschlangenberichten und weist kein einziges Kriterium auf, das sie eher den UFOs zuordnen würde.
Diese Willkür gibt einer der beiden Autoren – der sonst für seine sorgfältigen Recherchen bekannte Chris Aubeck – in einem Internet-Posting unumwunden zu und schiebt die Schuld auf seinen Mitautor: „Da das Buch Fälle enthält, die ich persönlich nicht ausgewählt hätte, die ich aber akzeptiert habe, weil mein Co-Autor sie interessant fand (in einem so großen Buch sind Meinungsverschiedenheiten unvermeidlich), betrachte ich das Buch lieber als die beste Sammlung historischer Fälle, die bisher veröffentlicht wurde.[1]
Das Buch ist in drei Abschnitte gegliedert:
1) Die „authentischen” Berichte (Teil 1, „Eine Chronologie der Wunder“),
2) Die zweifelhaften Berichte (Teil 2, „Mythen, Legenden und Erinnerungen an die Zukunft“: Schwindel, meteoritische und meteorologische Phänomene), wobei der Unterschied zu den im ersten Abschnitt gesammelten Meldungen erstaunlich unklar bleibt, und
3) Schlussfolgerungen und Methodendiskussion (Teil 3, „Quellen und Methoden“). Diese schwanken zwischen vernünftig und exzentrisch. Beispielsweise wird postuliert, hinter den gesammelten „echten“ Meldungen verberge sich unzweifelhaft ein reales, bislang nicht identifiziertes und erstaunlich homogenes Phänomen, dabei wird diese Gleichartigkeit doch erst durch die „zeitneutrale“ Umschreibung der einzelnen Einträge geschaffen (als „flache Scheibe“ listen die Autoren einmal eine Hostie, die am Himmel erscheint, einmal die Sonnenscheibe, die Echnaton anbetet, mal ein modernes UFO – und doch ist eine Oblate keine Untertasse und kein Himmelskörper). Es zeigt sich, dass sich das Sammelwerk nicht an die eigenen Standards hält. Die Autoren definieren sie in diesem Abschnitt, erklären, warum andere derartige Arbeiten voller Fehler seien, warnen vor Interpretation und Datenmanipulation – aber sie selbst stellen diese Kriterien im gesamten Buch auf den Kopf und halten sich an kein einziges. Bis auf Ausnahmen ist jede Aussage in diesem Teil des Buchs unterstützenswert, und doch sind es nur Lippenbekenntnisse.
Das Buch hätte die Chronik der Beziehung des Menschen zu himmlischen Zeichen werden können, doch die latente Umdeutung der alten Quellen nach modernen Vorstellungen bewirkt, dass es nicht einmal als eine solche Datenbank taugt. Vallée und Aubeck betrachten Geschichte von rückwärts – was heute UFO genannt würde, war damals schon eines. Die beschriebenen Klassen von Erscheinungen verlieren so ihren Status als eigenständige Phänomene – ein Himmelsheer darf kein Himmelsheer im zeitgenössischen Kontext sein, also ein Warnung vor gewaltsamen Auseinandersetzungen. Das Buch ist demnach – Chris Aubeck hat es bereits eingestanden – nur eine willkürliche Sammlung, deren Wert allerdings durch die mangelhaften Quellenangaben beträchtlich gemindert wird, ebenso wie durch die manipulative Nacherzählung der Meldungen, die sie ihres gesamten historischen, soziologischen, psychologischen und literarischen Kontextes beraubt.
Somit ist das Buch auch nur für den eine wertvolle Quelle, der diese Mängel erkennt und damit umzugehen weiß – für das Gros der Leser aber wird es ein weiteres Sammelsurium á la Erich von Däniken sein, dessen Bausteine man für seine eigene Lieblingstheorie ausschlachten kann und dessen Weintröge ungeprüft weiterleben werden. Das Werk, dessen Grundidee (sammeln und sichten, welche Himmelsphänomene es vor 1947 gab) vernünftig und lobenswert ist, wird reduziert auf eine selektive Datenmasse, die höchstens Anstoß geben kann für weitere Forschungen zu den einzelnen Quellen, aber diese Funktion können bereits zahllose Seiten im Internet bedienen. Und das ist sehr bedauerlich.
Das sah auch Peter Rogerson von der Seite „Magnolia“. Er fasste 2010 im Grunde alles, was ich hier lang und breit sage, in einem knappen Absatz zusammen:
„Der Hauptkatalog ist eine unglaublich diverse Sammlung, darunter Omen am Himmel, ein angeblicher Venusmond, anomale Meteoriten, Wunder, die mit Heiligen in Verbindung gebracht wurden, Visionen der Jungfrau Maria, Berichte, die Hexen unter Folter gestanden, die Levitation von Geistlichen, der berühmte Trommler von Tedworth und so ziemlich alles außer Onkel Tom Cobleigh und seinem grauen Geisterpferd [eine englische Geistergeschichte].“
In mancher Hinsicht ist das hinnehmbar. Wir könnten das Buch als eine Sammlung von Berichten betrachten, von denen jeder heute gerade noch als UFO-Geschichte eingestuft und in irgendeinem UFO-Buch behandelt werden könnte. Wir könnten es als einen Weg sehen, zu zeigen, dass Menschen einer Vielzahl seltsamer Phänomene, Ereignisse und Erfahrungen die unterschiedlichsten Bedeutungen zugeschrieben haben. Was wir nicht tun können, ist das, was die Autoren (oder zumindest Vallée) offenbar tun wollen: alle diese Geschichten als ‚echte‘ Berichte über ein völlig anomales einheitliches UFO-Phänomen darzustellen. Die bloße Lektüre der Geschichten zeigt deutlich, dass sie sich auf viele unterschiedliche Phänomene und Erfahrungen beziehen, genau wie die modernen Berichte. Allerdings muss auch gesagt werden, dass die Verbindungen zwischen beiden in manchen Fällen nur schwer ersichtlich ist.
Die deutsche Ausgabe hat einige leichte Korrekturen gemacht, aber viele andere unberücksichtigt gelassen, zudem ist an der grundlegend falschen Methode nichts verändert. Was schließlich noch auffällt ist, dass manche Berichte in Schreibschrift gesetzt wurden – warum, das erschließt sich nicht (z.B. S. 335, 370, 407, 485, 492) und ist auch in der Originalausgabe nicht so gehalten, dort steht der Text einfach kursiv.
Ulrich Magin, 3/5 Sternen
Quellen
Aubeck, Chris (2010): Posting auf http://de.narkive.com/2010/7/4/1927494-zwei-neue-buecher.html
Brodu, Jean Louis (1995): Magonia: A Re-Evaluation. Fortean Studies 2, S. 198-215
Magin, Ulrich (1999): Great Rings of Fire – Flying Saucers Attack the King of Egypt. Fortean Studies 6
Magin, Ulrich (2008): Raumschiff oder Gotteserscheinung? Die Visionen des Hesekiel. Skeptiker 2/2008, S. 75-85.
Magin, Ulrich (2010a): Ein UFO im Jahr 1561? Jufof 187 1/2010
Magin, Ulrich (2010b): Zeitschrift für Anomalistik 10 (2010), Nr. 1+2, S. 153–159
Rogerson, Peter: Buchbesprechung auf https://pelicanist.blogspot.com/2011/01/signs-and-wonders.html#more
[1] „As the book contains cases I would not have chosen personally, but agreed to accept because my co-author found them interesting (in such a large book disagreements are inevitable), I prefer to regard the book as the best collection of historical cases published to date.“
638 Seiten, geb., zahlreiche Abbildungen, ISBN: 978-3989920477, Preis: 29,00 EUR
Kopp Verlag
www.kopp-verlag.de
Rottenburg, 2024
Quelle: JUFOF Nr. 280, 4/2025: 117 ff
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