The Rendlesham Forest UFO Incidents: 42 Years of Denial

Gary Heseltine, ehemaliger Polizist bei der Royal Air Force und bei der British Transport Police (zuständig für die Sicherheit des Schienenverkehrs), widmete sich nach seiner frühzeitigen Pensionierung (2013) ganz seiner „privaten“ Leidenschaft, nämlich der UFO-Forschung. Er gab das „UFO Truth Magazine“ heraus, war an Konferenzen und Filmdokumentationen zur UFO-Thematik (u.a zum Rendlesham-Vorfall) beteiligt und machte Aussagen bei verschiedenen UFO-Anhörungen, nämlich 2013 im National Press Club in Washington D.C. und 2022 vor dem brasilianischen Senat. Zudem ist er der Vizepräsident von ICER (International Coalition for Extraterrestrial Research). Mit „Non-Human“ hat er nun sein erstes umfangreiches Buch verfasst, in dem er sich mit dem berühmten Rendlesham Forest-Vorfall (1980) beschäftigt.
Ist angesichts der zahlreichen Buchveröffentlichungen zum Rendlesham-Vorfall eine weitere Publikation nötig? Ich denke, wenn man so gründlich vorgeht und über eine so umfassende Detailkenntnis bezüglich dieses Falles verfügt wie Heseltine, kann man dies nur begrüßen. Denn der Autor hat eine vollständige Darstellung und Bewertung der bisherigen Untersuchungsergebnisse und zugleich eine detaillierte Nach- und Neuuntersuchung des Falles vorgenommen. Dabei geht es ihm darum, vorliegende Dokumente und Zeugenaussagen hinsichtlich ihrer Konsistenz und Glaubwürdigkeit mit den ihm bekannten „kriminalistischen“ Methoden zu beurteilen, wobei ihm nach eigenen Aussagen seine Ausbildung in fortschrittlichen polizeilichen Befragungstechniken zugute gekommen ist.
Heseltine wählt nicht die Vorgehensweise, den Fall aus seiner eigenen Interpretation der Ereignisse als ein kohärentes Narrativ darzustellen, sondern er legt die Ereignisse jeweils aus der Perspektive der verschiedenen Zeugen dar, wobei er dem Leser alle ihm zugänglichen Quellen in der Regel ungekürzt bietet und den Fall somit durch eine Vielzahl an Puzzleteilen vorstellt. Dies führt zwangsläufig zu häufigen Redundanzen, zwingt den Leser aber auch zu einer eigenen Auseinandersetzung mit ggf. vorliegenden Widersprüchen und Unterschieden in den Aussagen ein und desselben Zeugen im Laufe der Jahre und ebenso beim Vergleich der Darstellungen verschiedener Zeugen.
Heseltine fasst zunächst den allgemein bekannten Erkenntnisstand über die Ereignisse zusammen, die Ende Dezember 1980 an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen in und um die Militärbasen RAF Bentwaters und RAF Woodbridge, vor allem im Rendlesham Forest, der zwischen den Zwillingsbasen liegt (und nicht zum militärischen Sperrgebiet gehört), stattfanden. Die beiden britischen Basen wurden während des Kalten Krieges von der US Air Force im Rahmen der Nato benutzt, in der RAF Bentwaters lagerten zudem taktische Atomwaffen. Um die Weihnachtstage 1980 hatten dort an mehreren Tagen UFO-Aktivitäten stattgefunden, die zum ersten Mal im März 1981 in einem Artikel von Jenny Randles in der Zeitschrift „Flying Saucer Review“ aufgegriffen wurden.
Heseltine referiert akribisch die frühe Behandlung des Falles in den verschiedensten Medien, z.B. in Büchern, Zeitungen, UFO-Magazinen und TV-Dokumentationen.
Auf den nun folgenden ca. 300 Seiten folgt der Hauptteil seines Buches, nämlich die äußerst detaillierte, durch umfangreiche Zitate belegte Wiedergabe der Aussagen der entscheidenden Zeugen der Ereignisse. Dabei nutzt Heseltine Zeugenaussagen aus den unterschiedlichsten Medien, nicht nur aus Büchern oder Artikeln anderer UFO-Forscher oder TV-Dokumentationen, sondern z.B. auch Äußerungen in den „Social Media“, aus dem persönlichen Email-Verkehr oder Mitschnitten von Telefonaten mit den Zeugen bei seinen eigenen Recherchen etc. Da sich diese Recherchen über Jahrzehnte erstrecken, kommt es natürlich immer wieder zu Ungereimtheiten oder Widersprüchen zu früheren Aussagen. Es ist also sowohl für Heseltine wie auch für den Leser eine Herausforderung, solche Variationen hinsichtlich ihres Wahrheitsgehalts zu beurteilen. Was ist auf Erinnerungsfehler zurückzuführen, was evtl. auf eine absichtliche Änderung von Aussagen, und welche Absicht könnte dahinterstecken? Konsequent schließt Heseltine an jede zitierte Aussage eine „evaluation“ an, in der er auf mögliche Widersprüche bzw. Inkonsistenzen eingeht und ihre Implikationen zu beurteilen versucht.
Es kann nicht zu den Aufgaben einer Kurzrezension gehören, die Rendlesham-Vorfälle detailliert darzustellen, zumal sie dem Leser ohnehin (zumindest in ihren Grundzügen) vertraut sein dürften. Daher möchte ich hier nur auf einige wenige Details eingehen, die Heseltine aufgrund seiner Recherchen besonders fragwürdig erscheinen. Zum einen wirft für ihn das Verhalten des vermutlich bekanntesten der Zeugen, der in den meisten Sendungen, Podiumsdiskussionen usw. zum Rendlesham-Vorfall auftaucht, nämlich Colonel Charles Halt, gewisse Fragen auf. Berühmtheit erlangt haben sowohl seine Audiorekorder-Aufnahmen während des Einsatzes im Wald (vermutlich in der dritten Nacht) als auch das „Halt-Memo“. Heseltine, der eine Zeitlang bei seinen Recherchen mit Halt zusammengearbeitet hatte, stellte diese Zusammenarbeit schließlich ein, da Halt seiner Ansicht nach nicht immer aufrichtig war, sondern eine eigene Agenda zu verfolgen schien. So zog er z.B. eine 2007 gegenüber Heseltine gemachte und auf Video dokumentierte Aussage über die „UFO-Strahlen“, die auf die Reihe von Bunkern mit Atomwaffen gerichtet waren, im Jahr 2016 wieder zurück (S. 252 f.). Ebenso bestritt er, dass Sergeant Bustinza in seinem Team vor Ort gewesen sei, und räumte dies erst ein, als Heseltine ihn darauf hinwies, dass dessen Stimme auf Halts eigenem Audiotape zu hören sei. Dies könnte, wie Heseltine mutmaßt, damit zusammenhängen, dass Halt mit bestimmten Ereignissen, die von Bustinza bezeugt wurden, nicht in Verbindung gebracht werden wollte. Z.B. hatte Halt ihn nach Bustinzas Aussage beauftragt, die Kameras von britischen Polizisten zu beschlagnahmen, die Aufnahmen gemacht hatten (S. 251). Halt soll auch versucht haben, andere Zeugen zu diskreditieren.
Ein weiteres von Heseltine kritisch diskutiertes Thema ist die angebliche „Download“-Erfahrung von Jim Penniston. Dieser gibt an, bei seiner Berührung des unbekannten Objekts in seiner inneren Vorstellung einen Binärcode (also eine Folge von Einsen und Nullen) empfangen zu haben, den er am folgenden Tag wie zwanghaft in seinem Notizbuch niedergeschrieben habe. Und hier ergeben sich einige Unstimmigkeiten. Widersprüchlich bleiben die Angaben, die Penniston bei verschiedenen Interviews dazu gemacht hat, wann er erkannt habe, dass es sich um einen Code handelte. Welche Rolle spielt eine Hypnosesitzung, der sich Penniston 1994 unterzog und in der auch der Binärcode eine zentrale Rolle spielte? Teile dieser Hypnosesitzung wurden von Linda Moulton Howe 1998 in einem Buch veröffentlicht. Die Download-Geschichte wurde schließlich 2010 in einer Konferenz in Woodbridge zum 30. Jahrestag des Rendlesham-Vorfalls zum zentralen Thema. Handelt es sich vielleicht um eine nachträglich hinzugefügte Geschichte, wie Charles Halt vermutet?
Am 30. Dezember 2010 wurde die Dechiffrierung einiger Seiten des Codes in einer „Ancient Aliens“-Folge in den USA ausgestrahlt. Der Code soll u.a. einen Hinweis darauf geben, dass es sich beim Rendlesham-Vorfall um die Aktivität von „Zeitreisenden“ handele (S. 282).
Merkwürdig kommt es Heseltine auch vor, dass Penniston immer wieder unklare Aussagen über die Länge des Codes macht, er spricht von 8 bis 12 Seiten, gibt aber auch an, er habe noch 4 weitere Seiten niedergeschrieben (S. 276).
Diese und weitere Widersprüchlichkeiten führen, ebenso wie die Tatsache, dass noch immer keine Altersbestimmung der verwendeten Tinte vorgenommen wurde – bei Pennistons Notizbuch handelt es sich um ein Ringbuch, in das auch später noch problemlos Seiten eingefügt worden sein könnten – dazu, dass Heseltine der Binärcode-Story wenig Glauben schenkt und somit, neben den vorgebrachten konventionellen Erklärungsversuchen, auch die „Zeitreisen“-Hypothese als unglaubwürdig ablehnt. Auch gibt es keine Bestätigung dieser Geschichte durch andere Zeugen (S. 463).
Es ist Heseltine gelungen, weitere bisher unbekannte Zeugen der Ereignisse zu finden, die eine zusätzliche Bestätigung einzelner Geschehnisse liefern können. Besonders interessant finde ich hier, dass der Vorfall um Lieutenant Bonnie Tamplin eine weitere Bestätigung findet. Die Militärpolizistin war, so scheint es, bei einer Streifenfahrt einem rot-orange leuchtenden Objekt begegnet, hatte, bei dem Versuch, diesem auszuweichen, mit ihrem Jeep einen Unfall und schoss in Panik sogar mehrfach auf das Objekt. Nach dem Vorfall war sie nicht mehr in der Lage, ihren Dienst auszuüben und wurde zurück in die USA gebracht. Sie selbst hat sich nie zu dem Vorfall geäußert.
Ebenso konnte Heseltine neue Informationen zu der mutmaßlichen Radarerfassung eines der Rendlesham-Objekte in Erfahrung bringen.
Zahlreiche Fragen bleiben nach wie vor offen:
Was ist aus den Fotos und Filmaufnahmen geworden, die angeblich von einem gelandeten Objekt gemacht wurden?
Welche Rolle spielte das AFOSI (Air Force Office of Special Investigations) bei den nachfolgenden Untersuchungen? Wurde bei den Verhören der Militärpolizisten, zumindest in einigen Fällen, Sodium Penthotal (als „Wahrheitsserum“) eingesetzt, und kam es zu anschließenden Einschüchterungsversuchen, wie von einigen Zeugen behauptet?
Ein großes Problem ist auch die Frage nach der genauen zeitlichen Einordnung der einzelnen Ereignisse. In seinem Versuch einer chronologischen Übersicht am Ende seines Buches sind es – neben einigen Ereignissen, die teilweise schon früher im Jahr 1980 beobachtet wurden – vor allem drei bis vier aufeinanderfolgende Tage, an denen die Hauptereignisse, die wir als den „Rendlesham Incident“ bezeichnen, stattfanden, nämlich der 26. bis 28. und evtl. noch der 29. Dezember. Das Problem mit den genauen Daten einzelner Vorfälle ergibt sich vor allem dadurch, dass die Einsätze der beteiligten Personen in der Regel abends begannen und am nächsten Morgen endeten („The overnight aspect of the dates has always been a source of confusion“, S. 467).
Das Buch von Heseltine ist sicher nicht für jemanden geeignet, der sich lediglich einen raschen Überblick über den Rendlesham-Vorfall verschaffen möchte. Vielmehr kann die Art der Darstellung, nämlich vor allem das ausführliche Zitieren und Bewerten unterschiedlichster Quellen eher verwirrend sein, denn es ist nicht leicht, hier den Überblick zu behalten. Das Werk gibt aber einen Eindruck, wie aufwändig es ist, wenn man bei einem so vielschichtigen Fall wirklich jedes Detail kritisch beleuchten und allen verfügbaren Aussagen und Stellungnahmen gerecht werden möchte. Heseltine hat mit diesem Buch m. E. eine wahre Herkulesaufgabe vollbracht, und das Buch sei jedem empfohlen, der auf der Suche nach Detailinformationen bezüglich der aktuellen Quellenlage zu diesem klassischen Fall der UFO-Forschung ist.
Erschwerend bei der Lektüre ist der Umstand, dass Heseltine die Gliederung im Wesentlichen nach den Hauptzeugen vornimmt und nicht nach den einzelnen Ereignissen. Man verfolgt also im umfangreichsten Teil des Buches („Key Testimony“) jeweils in einem einzelnen Unterkapitel, wie sich die Aussagen eines bestimmten Zeugen im Laufe der Jahre entwickelt haben. Heseltine wählt dieses Vorgehen wohl auch deshalb, weil er Wert darauf legt, immer die Transkripte kompletter Interviews abzudrucken, damit einzelne Äußerungen immer in ihrem ursprünglichen Kontext verbleiben. So wird es einem Leser sehr erschwert, wenn er z.B. die Sichtweise verschiedener Zeugen zu einem bestimmten Einzelereignis vergleichen möchte, zumal das Buch leider kein Sach- oder Personenregister enthält.
Gerade durch die Komplexität und verwirrende Vielfalt der Phänomene, die sich nach den Zeugenaussagen an diesen 3-4 Tagen im Dezember 1980 in Bentwaters/Wood-bridge und Umgebung mutmaßlich abgespielt haben, ist dieser Fall geradezu ein Musterbeispiel eines anomalen Phänomens, bei dem sich viele der klassischen Merkmale eines „UAP“ gezeigt haben. Der Reigen unerklärlicher und z.T. absurd anmutender Phänomene reicht vom Auftauchen und Verschwinden von Leuchtkugeln und unerklärlichen materiellen Objekten, dem Erscheinen von fremdartigen „Entitäten“, möglicher telepathischer Kommunikation, dem „Scannen“ von Nuklearwaffen mit „Lichtstrahlen“ bis zu eventuellen „missing time“-Erlebnissen (und somit der Abduktion?) zweier Beteiligter u.v.m., und auch der „Download“, den Penniston angibt, würde lediglich ein weiteres aus anderen Fällen hinreichend bekanntes Phänomen darstellen.
Auch wenn Heseltine u.a. im Titel des Buches auf die neuere Entwicklung der Terminologie (NHI= Non-Human Intelligence) und die Erweiterung der Hypothesen in der aktuellen amerikanischen Diskussion Bezug nimmt (die ja übrigens, wenn man die Theorien Vallées bedenkt, überhaupt nichts Neues darstellen), so scheint ihm als Erklärung für den damaligen „non-human contact“ übrigens die „klassische“ ETH am plausibelsten, auch wenn er zugeben muss, dass er dies auf der Grundlage der öffentlich zugänglichen Daten nicht näher begründen kann: „[…] it is my personal belief that it was likely to have been of extraterrestrial origin.“ (S. 477)
Kurt Ullrich ∗ ∗ ∗ ∗ ∗
500 S., ISBN 13: 979-8472631594, Preis: 21,75 €
Independently published (12. Februar 2023)
Quelle: JUFOF Nr. 275, 4/2024: 123 ff
* „Als Amazon-Partner erhält die GEP über diesen Link eine Vergütung/Prämie“. Damit unterstützen Sie unsere Arbeit.