Karl Svozil: UFOs

Unidentified Aerial Phenomena: Observations, Explanations and Speculations

Karl Svozil ist emeritierter Professor für theoretische Physik an der TU Wien. Ver­mutlich im Lichte der inzwischen etwas an­deren Behandlung des UFO/UAP-Themas, ausgelöst durch die Untersuchungen des Pentagon und des AARO in den USA, gelang ihm 2023 die Veröffentlichung des vorlie­gend rezensierten Buchs im renommierten Springer Wissenschaftsverlag, das sich in 13 Kapiteln + Anhängen ausschließlich mit UFOs befasst. Mit der Veröffentlichung for­dert Autor ganz gezielt eine wissenschaftli­che Untersuchung von UFOs, die über die bisherigen militärischen oder laienwissen­schaftlichen Ansätze hinausgeht. Dies wird bereits im Klappentext deutlich und setzt den Ton für die folgende akademische Aus­einandersetzung mit dem Thema.

Das Buch ist in vier große Teile geglie­dert. Der erste Teil, „UFO Look-and-Feel: A Glance at Historic Sightings” ist ein in wei­ten Teilen kurzer und nüchterner Abriss un­gewöhnlicher Sichtungen von der sumeri­schen Hochkultur im 3. Jahrtausend v.Chr. bis hin zum „Tic-Tac-UFO“ von 2021. Der Teil bietet grundlegende Informationen für Le­ser, die mit der Geschichte der UFOs noch nicht näher vertraut sind. In einigen Fällen kommen auch kritische Argumente zu Wort, so z.B. beim Fall Gulf Breeze, Abschnitt 3.17. An anderer Stelle fehlen Einordnungen auf­grund der Knappheit gänzlich, so dass bei Interesse auf den (allerdings immer mit passenden Zitaten aufgebauten) Quellenap­parat nach jedem Kapitel zurückgegriffen werden muss. Insbesondere Abschnitt 3.1, „Some Literature“, kann hier empfohlen werden, mit Verweisen auf Publikationen von wohlwollender bis skeptischer Natur, die auch entsprechend kategorisiert sind.

Im zweiten Teil, „UFO Compliance-and-Management: Handling Strange Matters“ widmet Svozil sich zwei verschiedenen Aspekten, einerseits dem Umgang mit UFOs in den USA und anderen Ländern, andererseits in drei weiteren Kapiteln den Flugeigenschaften berichteter UFOs sowie Entführungserfahrungen, UFO-Abstürzen und UFO-Materialien. 

Zunächst geht er auf bedeutende UFO-Untersuchungsprojekte ein, die von verschiedenen Regierungen und Institutionen durchgeführt wurden, wie etwa „Project Sign“ (1947–1948) und „Project Blue Book“ (1952–1969) sowie das „Condon Committee“ (1966–1969) in den USA und der COMETA-Be­richt (1999) in Frankreich. Darüber, dass in diesen Ländern auch von privaten UFO-Or­ganisationen UFO-Forschung betrieben wird, lesen wir aber nichts. Deutschland widmet er auch nur wenige Zeilen und erwähnt da­bei Illobrand von Ludwiger, Andreas Müller und Robert Fleischer. Die aktuelle deutsche UFO-Forschung und insbesondere die Arbeit der GEP werden weitgehend ignoriert.

Im folgenden Abschnitt gibt der Autor einen kurzen Überblick über die von Augen­zeugen beschriebenen Flugeigenschaften von UFOs, darunter Zick-Zack-Bewegungen, und thematisiert das Phänomen der USOs (unidentified submerged objects).

Im nächsten Kapitel behandelt er einige klassische Entführungsfälle und diskutiert die verschiedenen Erklärungsansätze, die aus den Berichten hervorgegangen sind. Dabei werden unter anderem sexuelle Aspekte und die Frage angesprochen, inwie­weit psychische oder speziell schizophrene Symptome eine Rolle spielen könnten. Zu­dem weist der Autor auf eine der bizarrsten Hypothesen hin, die in Verschwörungskrei­sen zur Erklärung von Entführungsphäno­menen herangezogen wird: die dämonologische Hypothese. Diese besagt, dass eine angeblich geheime Gruppe innerhalb der US-Regierung, die „Collins Elite“, seit den 1950er Jahren UFO-Phänomene untersucht und behauptet, dass UFO-Entführungen keine physischen Ereignisse sind, sondern vielmehr von dämonischen Wesen ausge­hen. Demnach sollen die vermeintlichen Alien-Kontakte Täuschungen sein, die von Dämonen inszeniert werden, um Menschen zu manipulieren und von spirituellen Wahr­heiten abzulenken.

Im abschließenden Kapitel dieses Abschnitts geht der Autor vor allem auf zwei Ereignisse ein, die mit UFO-Abstürzen und möglicherweise sichergestelltem UFO-Mate­rial in Verbindung stehen: den Roswell-Zwi­schenfall und ein Treffen mit Admiral Wil­son. Zum Roswell-Fall erwähnt er unter an­derem die umstrittenen Behauptungen von Philip James Corso. An dieser Stelle wären kritischere Anmerkungen angebracht gewe­sen, z.B. aus unserer Veröffentlichung zum Roswell-Ereignis.[1]    

Die Entscheidung, die umstrittenen sogenannten Wilson-Davis-Dokumente näher zu behandeln, erscheint uns fragwürdig. Diese anonym veröffentlichten Dokumente aus dem Jahr 2019 beschreiben angeblich die Entdeckung von streng geheimen Programmen innerhalb der US-Regierung, die sich mit abgestürzten Alien-Raumschiffen und außerirdischer Technologie befassen. Die angeblich aufgedeckten Details stam­men aus Notizen eines Gesprächs zwischen Admiral Thomas Ray Wilson und dem Astro­physiker Eric Davis aus dem Jahr 2002. Da­vis äußerte sich jedoch später auf Nachfra­gen nur indirekt und hat die Authentizität der Dokumente weder bestätigt noch be­stritten. Dies lässt Raum für Spekulationen und trägt meiner Meinung nach nur zur Stärkung von Verschwörungstheorien bei – ein Aspekt, der in einer eher akademischen Arbeit unangebracht ist.

„UFO Apprehension-and-Challenge: Some Speculations“ enthält als dritter Teil des Bu­ches eine Aufstellung möglicher Erklä­rungsmuster für unidentifiziert gebliebene Fälle.

Svozil weicht an dieser Stelle kurz auf den Bereich der Paläo-SETI ab und behan­delt das Phänomen des sogenannten Cargo-Kults.[2] Dabei verweist er auf den von ande­ren Autoren hergestellten Zusammenhang zwischen diesem Kult und dem UFO-Phä­nomen. Auch die Zoo-Hypothese, die er­klärt, warum wir bisher keinen offenen Kon­takt zu Außerirdischen haben, wird kurz angesprochen.

Bei den vielen exotischen Hypothesen, die der Autor hier bringt, übersieht Svozil leider differenzierte kritische Ansätze wie sozialpsychologische oder multifaktorielle Erklärungen (auch wenn die Nullhypothese später kurz beschrieben wird, siehe unten). Dies ist eine verpasste Gelegenheit, das Thema noch umfassender zu beleuchten.

Der vierte Teil des Buches, „Executive Summary“ enthält entgegen diesem Titel keine Kurzfassung der im Buch versammelten Inhalte und Thesen, sondern die Beschreibung von vier weiteren Szenarien zur Erklärung von UFOs. Hier werden neben der Nullhypothese (skeptische Position) das Verschwörungsszenario, das Unterwanderungsszenario (z.B. von David Jacobs) und  das religiöse Szenario (UFOs als dämonisch) kurz erläutert. So ist auch dieses Kapitel eher zur Information für Lesende gedacht, die noch nicht mit solchen Spekulationen konfrontiert wurden.

Das letzte Kapitel widmet sich dann der Empfehlung „Continue Qualified Research“ durch verschiedene Gremien von Regierungsberatern. So schließt sich der Kreis im Sinne der Forderung des Autors nach akademischen Forschungen. Nicht erläutert wird von ihm allerdings, dass wissenschaft­liche Untersuchungen und Ergebnisse von Laienforschenden sich bislang oft glichen, z.B. bezüglich der Aufklärungsrate, s. S. vi.

Das Buch wird durch zwei Anhänge abge­rundet. Im ersten erläutert der Autor die Geheimhaltungsstufen, die in den USA zur Klassifizierung von Dokumenten und Informationen im Rahmen von UFO-Untersu­chungen und anderen sensiblen Themen verwendet werden. Diese dienen dem Schutz der nationalen Sicherheit und regeln den Zugang zu vertraulichen Informatio­nen. Dabei wird deutlich, dass der Autor einen klaren Fokus auf die Behandlung des UFO-Themas in den USA legt.

Im zweiten Anhang setzt sich der Autor mit den theoretischen Konzepten des Wissenschaftsphilosophen und -historikers Thomas Samuel Kuhn sowie des Wissenschaftstheoretikers Imre Lakatos auseinander. Obwohl beide sich nicht direkt zum UFO-Phänomen geäußert haben, erkennt Svozil in ihren Konzepten Ansätze, die für eine Untersuchung des Phänomens relevant sein könnten. Folgt man jedoch seiner Ar-gumentation, würde dies zu der Schlussfolgerung führen, dass UFOs mit den gegen­wärtig akzeptierten wissenschaftlichen Pa­radigmen nicht untersuchbar sind.

Insgesamt bietet Karl Svozils Buch eine fundierte und gut recherchierte Übersicht über UFOs, auch wenn es einige kritische Punkte gibt, die einer tieferen Betrachtung bedürfen. Besonders die explizite Benennung bzw. Abtrennung von Kontroversen und Spekulationen von den reinen Fakten, von klaren Angaben im Text bis zu separa­ten Kapiteln z.B. für Hypothesen zu UFOs, ist anerkennenswert. Das bietet Lesenden eine klare Unterscheidung zwischen beleg­ten Fakten und Vermutungen.

Manchmal geraten Ausdruck oder Rechtschreibung im Buch etwas seltsam, so dass kein vollwertiges Lektorat vorzuliegen scheint (z.B. „the object was eventually identified as a UFO.“ auf S. 9, Abschnitts­überschrift „5.1 Trent Phtotos“ auf S. 105). Gerade an solchen Stellen scheint dann auch manchmal doch eine eher befürwor­tende Haltung des Autors durch. Doch das sind als gering zu bewertende Mängel.

Für Leser, die an einer wissenschaftli­chen Perspektive auf UFOs interessiert sind, ist das Buch sicherlich eine wertvolle Res­source.

Danny Ammon, H.-W. Peiniger ∗ ∗ ∗ ∗ ∗

332 Seiten, br., ill., ISBN: 978-3-031-34397-1, Preis: 22,99 €

Springer Nature
www.springer.com
Cham, Schweiz (2023)

Hier erhältlich*


[1] Uli Thieme: Das UFO von Roswell. Ein Mythos stürzt ab. GEP e.V., Lüdenscheid, 2022

[2] Der Cargo-Kult ist allerdings ein spezifisch melanesisches Phänomen und nicht ohne weiteres auf jede Form von Imitation vermeintlich überlegener Besucher/Invasoren anwendbar, vgl. Kramer, André: Paläo-SETI. Lüdenscheid: GEP e.V., 2022, S. 91–94

Quelle: JUFOF Nr. 277, 4/2024: 27 ff

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