Druffel, Ann: Firestorm (2003)

Ann Druffel:
Firestorm
Dr. James E. McDonald’s Fight for UFO Science

Vorwort von Jacques Vallée

Der Selbstmord des Atmosphärenphysikers James McDonald (1920-1971) und die bösen Kräfte, die dahinterstanden, sind ein gerne gewähltes Thema in den unglaubwürdigeren UFO-Büchern. Eine Biographie dieses Mannes, noch dazu von Ann Druffel, ist nun im amerikanischen Verlag Wild Flower Press erschienen, der sonst zum Billy Maier-Dunstkreis gehört (mit Maiers amerikanischem Vertreter, Fiebags Ko-Autor James Deardorff). Ann Druffel kannte ich bisher nur als Kultist (ihr letztes Buch handelte davon, wie man sich vor Entführungen durch Aliens schützen kann!), und Dr. James McDonald war mir nur als Hardcore-UFO-Wissenschaftler bekannt, der mit dem Kopf gegen die Wand rannte, um die physikalische Realität von Raumschiffen zu beweisen. Es versprach also, ein interessantes Buch zu werden.

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So schlimm wie befürchtet wurde es dann doch nicht. Zwar ist das Buch mit 600 Seiten länger, als es sein Stoff rechtfertigt, und viel zu überdetailliert, aber McDonald war schon ein interessanter Mann.

Allerdings kein Heiliger, obwohl ihn Druffel dazu macht – alles, was McDonald tut, ist für sie „genial“ oder besser als das, was andere tun. Doch McDonald war – nachdem er erst einmal von der physikalischen UFO-Realität überzeugt war – ein ungeduldiger Querulant, der seine Meinung und Haltung absolutierte. Nachdem er sich 1962 erstmals für UFOs interessierte, studierte er 1966 „einen Monat lang“ das Problem „in aller Tiefe“, beschuldigte dann Hynek, er sei feige (S. 66), weil er nicht die Realität der UFOs herausposaune. Überhaupt ist Hynek einer der Hauptbösewichter und Verschwörer in diesem Werk – der Mann, der die falschen Identifizierungen der Air Force schrieb und damit die UFO-Forschung „um Jahrzehnte“ zurückwarf. McDonald hatte zwar unbeschränkten freien Zugang zu den Blue Book-Akten, beschuldigte aber die dort Arbeitenden der Inkompetenz und der Vertuschung (S. 53), und so weiter. Für Druffel ist all das ein Zeichen für McDonalds unendliche Integrität, Forscher, die mit ihm zu tun hatten, etwa Vallée, sehen das etwas anders.

Für mich am verblüffendsten war die Erkenntnis, dass McDonald, im Gegensatz zu dem, was man sonst liest, nie die ETH vertreten hat, sonders sie stets nur als die „am wenigsten unwahrscheinliche Hypothese“ bezeichnete und später auch paranormale Thesen in Betrachte zog.

McDonalds ufologische Karriere begann, als sich der überaus kompetente und anerkannte Atmosphärenphysiker für Kugelblitze interessierte und in Kontakt mit Richard Hall vom NICAP kam. Eine enge Freundschaft mit dem NICAP-Team, vor allem mit Keyhoe, folgte, und es dauerte nicht lange, bis McDonald von der physikalischen Realität der Untertassen überzeugt war und vehement gegen die „Inkompetenz“ der Air Force-Untersuchungen vorging (Wenn es etwas an McDonald zu kritisieren gibt, so Druffel über das von ihr verehrte Idol, dann das, dass er nicht begriff, dass ein allumfassendes Cover-Up existierte). Weil er Hynek als den Hauptverantwortlichen für diese Unfähigkeit sah, fuhr McDonald zeit seines Lebens heftige Attacken gegen den längst zum Untertassenglauben bekehrten. Zusammen mit NICAP übte McDonald, der – wenn man den detaillierten Beschreibungen der Fälle glauben kann, die Druffel aufführt – selbst nur ein Dutzend Sichtungen untersuchte, Druck auf die Air Force aus, das UFO-Problem endlich „objektiv“ zu lösen. Mit Hall und Keyhoe war er die treibende Kraft hinter den ermüdenden Versuchen, eine Anhörung über UFOs im Kongress durchzusetzen (wie soll man denn über UFO-Realität abstimmen – per Volksentscheid?). Aber der Mann hatte auch Züge, die mir äußerst sympathisch sind – humorlos war er (Vallée meint in dem Buch, er habe ihn nie lachen gesehen), aber er kämpfte für die richtigen Sachen: Aktiv war er in der Friedensbewegung, gegen die Stationierung von Atomraketen, gegen den Krieg in Vietnam, für die Gleichberechtigung der Rassen. Er unterstütze seine Frau, eine militante und aktive Marxistin, so gut es ging.

Aber der Kampf für die UFO-Realität war der größte und zeitintensivste Kampf seines Lebens. Als er immer mehr Zeit mit dem UFO-Thema verbrachte und dafür Forschungsgelder benutzte, wurde er von Phil Klass angeschwärzt (S. 204ff), obwohl seine Vorgesetzten an der Universität von Arizona hinter ihm standen (die Forschungen betrafen auch immer atmosphärische Physik). Sollte nur die Hälfte dessen, was hier von Klass berichtet wird, wahr sein, dann war auch Klass damals ein bösartiger, verbitterter Mann. McDonald beschäftigte sich intensiv (zwei Jahre nach dem Vorfall) mit der Landung von Socorro, widmete gewaltige Spannen seiner Zeit der Widerlegung der Condon-Studie (hier ist Druffels Buch fast unkonsumierbar, weil all die alten Enten wie das Low-Memorandum seitenweise breitgetreten werden) und der – immer kurz bevorstehenden – Anhörung im Kongress. Breiten Raum nimmt die Darstellung der privaten Kontroversen zwischen McDonald und Condon ein, der selbst ein extrem unangenehmer Zeitgenosse ohne jeden Humor und ohne jedes Verständnis für UFO-Fans gewesen sein muss.

Beweise für physikalisch reale Fluggeräte sah McDonald vor allem in Fotos (etwa den Heflin-Fotos oder dem geradezu lächerlich naiven Yorba Linda-Foto, S. 275), zwei Fälle, die Ann Druffel für NICAP mit untersuchte, und in radarvisuellen Fällen, etwa dem Lakenheath-Radar-Fall, England.

So kometenhaft McDonalds Karriere im UFOland begonnen hatte, so schnell sank sein Stern. In den letzten Jahren verbiss er sich in den Condon-Bericht, der ja zu einem weitgehenden Desinteresse an UFOs geführt hatte, und widmete seine Kraft erneut umweltschutzpolitischen Themen, etwa der Zerstörung der oberen Schichten der Atmosphäre durch Umweltverschmutzung und Überschall-Flugzeuge, zu der er bei einer Anhörung Angaben machte, die heute geradezu prophetisch wirken. Man nahm ihn nicht ernst – man lachte über ihn, weil er der Untertassen-Professor war. McDonald erlitt immer wieder Perioden tiefer Depressionen, und es scheint, als habe ihn diese Episode erneut in tiefe Verzweiflung gestürzt. Zwar verkündete er seinen Freunden kurz danach, er habe die „Antwort auf das UFO-Problem“ gefunden (S. 492), raunte aber, er dürfe nichts davon verraten (Druffel mutmaßt, er sei auf Roswell-Trümmer gestoßen!).

Dann, nur wenige Tage später, erklärte ihm seine Frau, die sich von dem hektisch arbeitenden und von Air Force-Archiv zu Air Force-Archiv ziehenden Mann vernachlässigt fühlte, sie habe sich in einen jüngeren Mann, einen politischen Aktivisten, verliebt und werde ihn verlassen. Kühl plante McDonald seinen Selbstmord, der jedoch missglückte, weil seine Waffe ausrutschte und er – wenn auch völlig erblindet – überlebte. Er sagte seinen Freunden, er werde es wieder versuchen, und tatsächlich fuhr er am 13. Juni 1971 mit einem Taxi in Wüste bei Tucson und erschoss sich dort. Ein tragisches Schicksal, aus dem Ann Druffel noch einmal Kapital schlägt: Da der Liebhaber McDonalds Frau nur vier Monate später wieder verlies, steckte hinter der ganzen Sache … sehr wahrscheinlich der CIA!

Ein volles Leben, ein spannendes Leben auch, wenn auch viel zu pedantisch aufgearbeitet. Getrübt aber wird der Lesegenuss nicht nur durch übertriebene Pedanterie, sondern auch durch Druffels alles durchraunende Verschwörungstheorie und eine stets und ohne Ausnahme wertende Darstellung der Geschehnisse. So erfahren wir, dass alle UFO-Skeptiker natürlich „schlecht unterrichtet“ waren, dass neben McDonald nur Keyhoe und ihre eigene NICAP-Gruppe „objektive“ (eines ihrer Lieblingsworte, bedeutet Pro-UFO) Forscher gewesen seien, oder dass Keyhoes Bücher „voller Fakten“ und „nüchtern und objektiv berichtet“ seien (in Wirklichkeit sind sie im BILD-Zeitungs-Stil geschrieben). Das Condon-Committee ist für sie schon deshalb nicht objektiv, weil es zu viel Zeit für Kontaktler aufwendete (als seien die nicht Bestandteil des UFO-Phänomens), sie missversteht das Low-Memorandum wie alle UFO-Fanatiker (es ging nur darum, das seriöse Ansehen der Uni zu wahren), schließlich gelten ihr schon Druckfehler im Register des Condon-Reports (z.B. Lackenheath statt Lakenheath) als Beweis für eine angebliche Verschleierungstaktik (vgl. S. 442).

Dazu kommt die verwerfliche Verwendung von sehr wahrscheinlich gefälschten, zumindest aber sehr fragwürdigem Quellenmaterial, etwa den MJ 12-Dokumenten – wenn tatsächliche historische Aufzeichnungen von McDonald, von der Air Force und MJ 12-Unfug miteinander verquirlt werden, welchen Wert hat dann so eine Biografie noch? Und weil Druffel nie berichtet, sondern immer wertet (UFO-Fans sind objektiv, Kritiker böse und unmoralisch), erfährt man letztlich weniger über McDonald sondern mehr über die wirre Welt der Ann Druffel. Ein Kapitel z.B. widmet sich nur der Zerstörung von NICAP durch das CIA (so als hätte nicht Keyhoes finanzielle Unfähigkeit die Organisation zerstört). Zum Beweis präsentiert sie die Tatsache, dass NICAP abgehört wurde, nachdem zwei NICAP-Leute sich als Air Force-Untersucher ausgegeben und sich so ins Pentagon eingeschlichen hatten. (S. 451) Aber ist es denn nicht die Aufgabe von Geheimdiensten, solche gefährlichen Spinner zu überprüfen?

Großes hat McDonald meiner Ansicht im UFO-Gebiet nicht geleistet, weil er sich sofort in die physikalische Realität der Untertassen verbiss und dann nie mehr über den Tellerrand sah; aber als Dokumentation zur Geschichte des UFO-Phänomens ist Druffels Werk ein wichtiges Buch, weil es eine Gestalt beleuchtet, die immer wieder eine zentrale Rolle in der Welt der UFO-Gläubigen spielt. Und viele wertvolle Fakten enthält es aufgrund seiner Materialfülle zudem: Wer hätte schon gewusst, dass bereits 1962 (S. 36) in Tucson UFO-Sichtungen durch Modellheißluftballone ausgelöst wurden? Oder dass Mr. Marsgesicht Richard Hoagland sich schon am 26. Januar 1968 mit McDonald traf, weil er ein großer UFO-Fan war (S. 269)? Ich kann das Buch nur jedem an der Geschichte des UFO-Phänomens interessiertem ans Herz legen – aber muss auch vorwarnen, dass Leute, die wie ich nicht „objektiv“, also gläubig bis zum Exzess, an das UFO-Phänomen herangehen, lange Passagen hysterischen Verschwörungsgeschwätzes zu ertragen haben. McDonald ist daran nicht schuld – er hatte es stets abgelehnt, solchen Unfug zu glauben.
Ulrich Magin

610 S., br., ill., ISBN 0-926524-58-5, $ 34,00

Wild Flower Press
Granite Publishing Group
www.5thworld.com
Columbus, USA, 2003

Quelle: JUFOF 149: 153 ff