Bürgin, Luc: Hochtechnologie im Altertum (2003)

Luc Bürgin:
Hochtechnologie im Altertum
Flüsternde Steine, magische Spiegel, ewiges Licht

Ohne Zweifel: Luc Bürgin hat sein Thema gefunden. Wie schon in seinen Werken „Verbotene Archäologie“ und „Rätsel der Archäologie“ stellt er auch in seinem aktuellen Buch die ‚konventionelle‘ Wissenschaft als Unterdrückerin von Wahrheiten an den Pranger, beklagt die Unterschlagung von brisanten Texten und fordert uns auf, historischen Berichten Glauben zu schenken, in denen man z. B. von „… sprechenden Maschinen, ewig brennenden Lampen und antiken Funkgeräten…“ (Klappentext) lesen kann. Denn, so Bürgin: „Nicht Märchenfeen versichern uns dies, sondern versierte Historiker. Warum aber lesen wir nirgends darüber? Die Erklärung ist simpel: Was heute jedermann nachschlagen kann, war bis vor kurzem Eigentum einer kleinen elitären Clique. Unter dem akademischen Deckmäntelchen entscheidet sie, was real ist und was nicht. Sie diktiert uns ihre Sicht der Dinge und paukt sie uns von Kindesbeinen an ein. Sie erfand den »gesunden Menschenverstand«, um uns den Glauben an Wunder zu rauben. Seither glauben wir an die Wissenschaft.“ (S. 10)

Das ist starker Tobak! Aber Bürgin ist noch nicht fertig mit seiner Anklage: „Bis vor kurzem funktionierte dieses Spielchen perfekt. Doch dann geschah, was niemand ahnen konnte: Die Bibliotheken – einst Kathedralen der Elite – öffneten sich für jedermann. Wissen wurde zu Allgemeingut: Seit Computertechnik und Internet die staubigen Archive mit ihren Suchmaschinen vernetzen und Fernleihen zum Kinderspiel avancieren, wird gestöbert wie noch nie…“ (S. 10)

Hier ist nicht der Ort die Geschichte der Bibliotheken durch die Jahrtausende zu verfolgen, dennoch sei angemerkt: Die Tore zur Welt der Bücher öffneten sich nicht erst mit der Erfindung des WWW für jedermann; bereits 1854 wurden von den Bildungsvereinen des Deutschen Nationalvereins und der Deutschen Fortschrittspartei Bibliotheken gegründet, die die Allgemeinbildung pflegten und überwiegend naturwissenschaftliche und technische Literatur beschafften; 1898 wurde die erste kommunale öffentliche Bibliothek in Berlin-Charlottenburg ins Leben gerufen. Dass Universitätsbibliotheken schon immer den Studierenden und Lehrenden zu Verfügung standen ist klar; das diese Personengruppe eine Art elitärer Glaubensgemeinschaft bildete und noch bildet – nichts anderes will Bürgin wohl mit seiner Formulierung „Kathedralen der Elite“ andeuten – möchte ich verneinen. Wer sich intensiver mit den Wissenschaften und den Wissen Schaffenden auseinandersetzt, dem ist klar, dass diese gewöhnlich nicht nur offen für begründete (!) neue Ideen sind, ihre Theorien einer ständigen Überprüfung anhand aktueller Erkenntnisse unterziehen, sondern diese auch regelmäßig publizieren. Nur wer sich nicht die Mühe macht die Fachzeitschriften zu konsultieren oder ein Fachbuch zu lesen, der wird wohl Bürgins – wie ich meine grundfalsche – Einschätzung unterschreiben wollen.

Luc Bürgin interessiert sich natürlich für ganz besondere Texte: „Noch sind viele historische Raritäten aus den vergangenen Jahrtausenden nur im Originaltext einsehbar. Und der ist zu allem Übel auch noch oft in Latein verfasst. Doch die Zahl der Übersetzungen wächst.“ (S. 10f.)

Und an diesem Punkt ist die Neugier des wissenschaftlich interessierten Lesers natürlich geweckt: Welche Texte mag der Autor wohl dem Vergessen entrissen haben? Hat er Handschriften eingesehen, die gewöhnlich nur dem Fachmann zur Verfügung stehen? Bürgin schreibt weiter: „Grandiose Bibliotheken des Altertums fielen dem Feuer oder der Zerstörungswut selbstherrlicher Eroberer zum Opfer. Wertvolle Einzelstücke wurden von Sammlern auf Nimmerwiedersehen gestohlen. Die kostbarsten Exemplare ergatterten sich Kirchenväter und trugen sie in die geheimsten Winkel des Vatikans.“ (S. 12) Das ließ auf sensationelle Erkenntnisse hoffen! Ist doch jedem, der sich mit den Thesen der Paläo-Seti beschäftigt immer wieder der eine oder andere seltsame und nicht in den ‚konventionellen‘ Büchern publizierte Text begegnet, der von einem findigen Autor aufgestöbert wurde.

Rasch jedoch folgt die Ernüchterung, denn ca. 75% der vom Autor zitierten Werke wurden im 19. oder 20. Jahrhundert ediert, der Rest stammt aus dem 17. und 18. Jahrhundert, ein einziger Text aus dem 15. Jahrhundert! Nun ja, alte Texte wurden (und werden) natürlich nach und nach ediert und publiziert, also blieb noch die Hoffnung, dass es sich um wirklich ganz abgelegene Schriften aus längst vergessenen Zeiten handeln könnte. Auch da wurde ich enttäuscht: ca. 30% der Texte (insgesamt führt er ca. 50 längere Abschnitte aus etwa 45 Werken an) wurden zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert verfasst, weitere 30% stammen aus der Zeit des 1. bis 10. Jahrhunderts nach Christus, dazwischen ein wenig Mittelalter und frühe Neuzeit, gerade mal 3 Texte stammen aus der Zeit vor Christi Geburt.

Nun gut! Aber vielleicht – so meine allerletzte Hoffnung – hat er ja in den bekannten Werken wenigstens Abschnitte gefunden, die bisher übersehen oder vielleicht auch – in seinem Vorwort (s.o.) deutet er ja so etwas an – absichtlich abschwächend oder abschätzig interpretiert wurden? Auch das nicht! Da wird z. B. in Kapitel 22 Goethes Erlebnis in einer regnerischen Nacht auf der Reise von Hanau nach Gelnhausen zitiert. In der Einleitung des Kapitels stimmt uns Bürgin folgendermaßen auf die Thematik ein: „Lautlos schwebt eine seltsame Apparatur vom Himmel. Wie ein Blatt im Wind schaukelt die futuristische Maschine gen Boden. Allerlei blinkende Lämpchen an ihrer Außenseite erhellen den Nachthimmel. Vermutlich war das technologische Wunderwerk nicht für fremde Augen bestimmt.“ (S. 121)

Goethe selbst aber schreibt: „Auf einmal sah ich an der rechten Seite des Wegs, in einer Tiefe, eine Art von wundersam erleuchtetem Amphitheater. Es blinkten nämlich in einem trichterförmigen Raume unzählige Lichterchen stufenweise übereinander, und leuchteten so lebhaft, daß das Auge davon geblendet wurde.“ (S. 122) Er deutete das Naturschauspiel wohl korrekt als Irrlichter.

Vor einiger Zeit äußerte ich in einem Diskussionsforum Kritik an Bürgins Buch: Es ging um das Kapitel 3 „Flüsternde Steine“ in dem aus John Lloyd Stephens‘ Buch „Die Entdeckung der alten Mayastätten“ zitiert wird. Spannend lässt Bürgin seinen Text beginnen: „John Lloyd Stephens Finger zitterten vor Aufregung.“ (S. 28) als der einen „heiligen“ Stein betrachtet, der ihm zuvor von einem Padre nur widerwillig ausgehändigt wurde. Bürgin spekuliert darüber, was wohl in Stephens’ Kopf vorgegangen sein mochte, als der vermeintliche Wunderstein sich doch nur als schlichte Schiefertafel entpuppte: „Spielte der Padre ein falsches Spiel? Befand sich das Gebilde längst an einem anderen Ort? Hatten die Indios das Kleinod heimlich ausgetauscht…?“ (S. 29) Ein Blick in Stephens‘ Buch zeigt: Kein Wort davon bei ihm! Er nimmt lediglich nüchtern zur Kenntnis, dass die alten Geschichten wohl nicht der Wahrheit entsprechen und reitet fort.

An dieser Stelle begann ich mich zum ersten Mal über Bürgin zu ärgern: In seinem Buch wird als Quelle des Berichtes die englische Originalausgabe von Stephens‘ Buch genannt, nicht aber die deutsche Ausgabe von 1993. Und ein Vergleich der deutschen Fassung mit Bürgins Textausschnitten zeigt – denn beide sind Wort für Wort identisch -, dass da wohl der Text aus dem deutschen Buch übernommen wurde. Mir ist wirklich unverständlich, warum nicht zumindest auch auf die deutsche Ausgabe verwiesen wird. Über die Gründe, diese nicht zu erwähnen, kann ich nur spekulieren…

Bürgin antwortete mir auf meinen Vorwurf, in diesem Kapitel wohl ein wenig hinzugedichtet zu haben, folgendes: „Ich bin Journalist – und kein Wissenschaftler. Ich schreibe so, damit mich jedermann versteht. Und möchte den Leser auch unterhalten. Trockene Bücher gibt es mehr als genug. Ein bisschen bildlicher „Pepp“ hat noch keinem Elaborat geschadet.“

Und auf meine Kritik, dass bei sämtlichen Texten die Seitenverweise fehlen: „Die fehlenden Seitenangaben mögen für manche ein Manko sein. Einverstanden. Allerdings helfen Sie auch nicht in jedem Fall weiter, da es bei sehr alten Büchern zum Teil x geänderte Auflagen gibt. Du müsstest Dir dann also schon die Mühe nehmen, exakt die richtige Ausgabe zu eruieren und Faksimilie erstellen lassen, da vieles nicht ausleihbar sondern nur einsehbar ist.“ Ich denke, es ist überflüssig diesen Einwand weiter zu kommentieren: Der interessierte Leser wird wissen, was von solchen Argumenten zu halten ist.

Insgesamt würde ich das Buch eine nette Sammlung von kuriosen Texten aus aller Welt nennen, halte es aber für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Technik und Technologie im Altertum für schlichtweg unbrauchbar … außer natürlich, man macht sich die Arbeit, die sich Bürgin erspart hat: Nämlich alle Texte nachrecherchieren und kritisch kommentieren, um danach eine Bewertung vorzunehmen zu können, die vielleicht dem Klappentext „Wer drückte unseren Vorfahren modernste Apparaturen in die Hand, noch ehe diese erfunden waren?“ gerecht werden könnte.

Aber ich will nicht unfair sein und Luc Bürgin noch einmal zu Wort kommen lassen (wieder zitiert aus seiner Forums-Antwort an mich): „Persönlich war mir vor allem wichtig, möglichst viel Neues zu präsentieren: Den vollständigen Cardanus-Text etwa. Den gesamten D’Auvergne-Artikel [den er übrigens auch in der ersten Ausgabe seines neuen Mysteries-Magazins veröffentlicht hat, H.F.]. Die erstmalige Betyl-Übersetzung. Die Dissertation über den sprechenden Kopf. Den Originalausschnitt über die seltsame Wunderwaffe. etc. etc. All dies und noch viel mehr findest Du nirgends in der Literatur. Darin liegt – für mich – der Reiz des Buches.“

Die von ihm genannten Texte sind zweifellos interessant und regen zu weiterem Nachdenken an. Ohne eine Einordnung in ihre Entstehungszeit und -bedingung, ohne einen Kommentar und nur als vereinzelte Zitatblöcke aus umfangreichen Werken aber sind nicht mehr als eine Ansammlung von Kuriosa aus vergangenen Zeiten. Übrigens ist Bürgin – das sei abschließend gesagt – mindestens eine wirklich hochinteressante und wissenschaftsgeschichtlich sicher lohnenswert zu verfolgende Tatsache entgangen: Im Kapitel 6 „Bechers »Diaprojektor«“ zitiert er aus einem Werk von Johann Joachim Becher (1635-1682): „… ausgenommen, daß ich im Jahre 1656 dem Kaiser Ferdinand III. sein Bild in einem Glas gezeigt habe, wie es sich bei heiterem Sonnenlicht aus künstlich geschaffenen Wolken zeigte, in Unwetter und Stürmen aber sich dem Blick entzog und sich in die Wolken zurückzog, was zu damaliger Zeit nicht ohne das Staunen vieler sichtbar war.“ (S. 48) Bürgin kommentiert: „Seine Projektionsmaschine, den originellsten Apparat in besagter Schrift [De nova temporis dimetiendi ratione, et accurata horologiorum constructione, theoria & experientia], erwähnt Becher nur mit wenigen Worten – wohl aus Angst vor Nachahmern.“ (S. 48)

Es lag nicht fern bei dieser Schilderung an eine ‚Laterna Magica‘ zu denken und eine kurze Recherche konnte meine Vermutung auch bestätigen. Erstaunlich aber ist folgendes: Eine Art Vorläufer der ‚Laterna Magica‘ wurde zwar von Athanasius Kircher in seinem 1646 erschienenen Buch ‚Ars magna lucis et umbrae‘ beschrieben, tatsächlich erfunden aber hat dieses Gerät Christiaan Huygens, und das sicher vor 1659; bereits 1662 ließ Louis XIV. über Huygens Vater – der als Diplomat am französischen Hof tätig war – eine ‚Laterna Magica‘ anfordern. Wenn Becher bereits 1656 dem Kaiser Ferdinand III. eine Projektionsmaschine vorführte, so wäre es natürlich spannend dieser nachzuforschen. Wohlmöglich war Huygens doch nicht der erste?

Bürgins Textsammlung hat also durchaus Neues zu bieten, allerdings offenbart sich das erst bei der genaueren Recherche. Mein Eindruck dieses Büchleins wäre ein positiverer, wenn der Autor wenigstens ein paar Texten ein wenig Recherche gewidmet, die Zitate korrekt mit Seitenzahlen nachgewiesen und der Verlag nicht auf ein Register verzichtet hätte (und bei dem stolzen Preis von 19,90 Euro für lediglich 192 Seiten kann man das schon erwarten!).
Henriette Fiebig

192 S, geb., ill., ISBN 3-930219-67-0, € 19,90

Kopp-Verlag
www.kopp-verlag.de
Rottenburg 2003

Quelle: JUFOF 151: 27 ff