Bürgin, Luc: Rätsel der Archäologie (2003)

Luc Bürgin:
Rätsel der Archäologie
Unerwartete Entdeckungen, unerforschte Monumente

Wortgewaltig und kämpferisch beginnt Bürgin sein Buch: “Angeführt von Wissenschaftlern irren wir mit Scheuklappen durch das Paradies. Denn die Priester der Vernunft sind radikal: Was sich nicht erklären lässt, wird angezweifelt. … Was sich partout nicht leugnen lässt, wird ignoriert — sofern es sich gängigen Erklärungsmustern entzieht. /…/ Immer wieder bliesen die Verstoßenen im Laufe der Geschichte zum Angriff. Einem zusammengewürfelten Haufen gleich zogen sie in den Krieg gegen das Establishment. Nur selten konnten sie anfänglich Siege verbuchen. Doch ihre Armada wächst. Ihr Vormarsch lässt unser Weltbild erzittern. Und ihre Gegner sind alt geworden.” (S. 9 f.)

Leider vermögen die 22 Kapitel seines Buches die geweckten Erwartungen nicht zu erfüllen: Im ersten Kapitel über die Cheops-Pyramide – “Geheime Kammern erforscht” – referiert er noch einmal – und man fragt sich warum, wurden die Ereignisse doch schon in vielen Artikeln vor allem im Internet von allen Seiten betrachtet und durchgesprochen – die Ereignisse rund um die TV-Übertragung von National Geographic aus dem Inneren der Cheopspyramide, die im Herbst 2002 weltweit ausgestrahlt wurde. Fast hat man den Eindruck, um sich über das enttäuschende Ergebnis dieses Berichtes hinwegzutrösten, muss nun eine Verschwörung rund um Rudolf Gantenbrink konstruiert werden in deren Zentrum als Drahtzieher der ägyptische Archäologe Zahi Hawass steht. Aber keine Verschwörung und auch keine Wissenschaftsmafia war dafür verantwortlich, dass Gantenbrink an den Untersuchungen nicht teilnahm, er selber hatte daran schuld, denn nach seiner Entdeckung im Jahr 1993 hatte er ohne Autorisierung durch und entgegen selbst gemachter Absprachen mit dem Deutschen Archäologischen Institut in Kairo und die ägyptische Altertümerverwaltung Filmmaterial verbreitet, bevor die beiden genannten Institute darüber berichten konnten. Dass Gantenbrink sich selbst die Beteiligung an der Unternehmung des Jahres 2002 verbaute, verschweigt Luc Bürgin.

Der Tenor, dass “umstrittene” archäologische Funde von der “etablierten Wissenschaft” verschwiegen, versteckt oder mindestens stiefmütterlich behandelt werden, zieht sich durch das gesamte Buch. Nun, dass die besprochenen Funde verschwiegen werden, diese Aussage straft Bürgin selbst Lügen: Ein Blick in das elfseitige Literaturverzeichnis zeigt, dass er Informationen über die Artefakte, von denen er berichtet, allesamt in Zeitschriften, Pressemeldungen und dem Internet gefunden hat. Bürgin selbst ist diesen Meldungen fleißig nachgegangen und hat Wissenschaftler angeschrieben, um genauere Informationen zu erhalten; hat Finder und Besitzer von Objekten aufgesucht, um mit ihnen zu sprechen und ist in die Magazine von Museen gereist, um sich zu informieren. Dieses akribische Recherchieren ist als Pluspunkt auf Bürgins Seite zu vermerken. Zu fragen bleibt allerdings, ob SPIEGEL-Online, die Zeitschriften ‘Bild der Wissenschaft’, ‘Ancient Skies’ oder ‘Ancient American’ (die ausdrücklich schreibt, sie sei ein Magazin, dass Berichte interessierter Laien bringt) in den Augen der ernsthaft archäologisch interessierten Leser als Quellen Bestand haben können. Archäologische Abhandlungen und Grabungsberichte sucht man im Literaturverzeichnis übrigens vergeblich! Gerechterweise muss ich anmerken, dass der Autor oft recht ausführlich aus seiner privaten Korrespondenz mit Wissenschaftlern zitiert, viele seiner Aussagen dadurch aber nur schwer überprüfbar bleiben.

Die meisten rätselhaften Funde über die Bürgin berichtet, sind bei näherem Hinsehen eher Kuriosa, als Artefakte die unser Weltbild ins Wanken bringen könnten. Auch wird hier nichts verheimlicht. Im Gegenteil: Der zwölfeckige Ring von Paußnitz z. B., ein wohl um das Jahr 1150 gefertigtes Stück, das im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle aufbewahrt wird und von Bürgin zu einem Ring mit magischen Kräften hochstilisiert wird, zeigt zwar eine Inschrift aus Symbolen und buchstabenähnlichen Zeichen die bisher nicht gedeutet werden konnten, aber das Landesmuseum hat diesen Ring sogar im Internet veröffentlicht, mit der ausdrücklichen Bitte, doch bei den Deutungsversuchen zu helfen.

Eine eher kuriose Geschichte, die Paläo-Seti Begeisterte und UFO-Forscher interessieren könnte referiert Bürgin im dritten Kapitel: Es handelt sich um bearbeitete Steine, die auf dem Gipfel des Taennchel (einem Bergmassiv im Elsass) gefunden wurden. Dem Förster Marc Schultz berichteten im Jahr 1995 Freunde, dass sie vier Statuetten auf dem Taennchel gefunden hätten. Der Förster schaltete Archäologen ein, die die Steine untersuchen sollten, diese aber stuften die Funde als ‘vermutlich gerade mal ein Jahrhundert alt’ und wohlmöglich ‘von einer Sekte angefertigt’ ein. Bürgin forscht mit erheblichem Aufwand diesen Steinen nach und besichtigt sie schließlich im Archiv des Museums von Unterlinden. Bürgin: “Und dort lagen sie … Lieblos auf Holzregalen verstaut. Über und über mit Staub bedeckt” (S. 79f.) und steigert sich noch einmal mit der Bildunterschrift “Auch dieser ‘Kopf’ stammt vom Taennchel – und verrottet heute im Museumsarchiv” (S. 79, Abb. 27). Bürgin ahnt natürlich, warum diese angeblich brisanten Steine vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen werden sollen: “Schließlich zeigen einige der Objekte pyramidenförmige Berge samt seltsamen Wolken, die sich aus heutiger Sicht mühelos als “fliegende Untertassen” interpretieren lassen.” (S. 77f.). Auch dass der archäologische Konservator bei der Direction Régional des Affaires Culturelles (DRAC) Fréderik Letterlé zu Bürgins Ideen von UFO-Darstellungen nur sagt :”Soviel ich weiß, gibt es keine früheren künstlerischen Darstellungen derartiger Erscheinungen. All dies deutet darauf hin, dass die Stücke vermutlich zwischen 1930 und 1950 hergestellt wurden.” (S. 78) passt für Bürgin ins Bild: “Und deshalb können die Objekte aus Sicht der konventionellen Wissenschaft ab sofort frohgemut vergessen werden. Kein Wort darüber, dass sich Darstellungen himmlischer oder göttlicher Flugkörper quer durch alle Kunstwerke unserer Vorfahren ziehen – von der Steinzeit bis ins Mittelalter.” (S. 78). Ergänzen möchte die Rezensentin hier: Kein Wort aber auch von Herrn Bürgin, dass die angeblich historischen Untertassendarstellungen bisher keiner kritischen Prüfung standhalten konnten, kein Wort davon, dass diese Darstellungen maximal dem bei den Paläo-Seti-Forschern so beliebten “Es sieht so aus wie ein Raumschiff/ein Astronaut… – also ist es ein Raumschiff/ein Astronaut…” genügen können.

Die von Bürgin auf Fotos präsentierten Steine, auf denen man mit nüchternem Blick betrachtet nur ovale, unten abgeplattete “Objekte” erkennen kann, die höchstens eine sehr naive und äußerst grobe Erinnerung an UFO-Darstellungen zu wecken vermögen, konnten mich nicht überzeugen.

Bürgin zitiert zwei Seiten später die Archäologin des Museums in Unterlinden Suzanne Plouin: “Eigentlich sind sie [die Steine] ja durchaus ästhetisch. Und die untertassenförmigen Wolken…”, um dann anzufügen: “Die Dame lächelte etwas unsicher und senkte den Blick” (S. 80). Damit soll wohl angedeutet werden, dass Frau Plouin die Idee, dass es sich um fliegende Untertassen handeln könnte, zwar u. U. teilt, sie das aber niemals öffentlich äußern dürfte da sonst ihr guter Ruf dahin sei.

Merkwürdig an Bürgins Argumentation bleibt, dass er zwar selbst mehrfach schreibt, der Taennchel sei ein Anziehungspunkt für Amateurforscher, Rutengänger, Esoteriker und Pendelschwinger, “Kauzige Zeitgenossen, die sich guten Gewissens der Realität entziehen” (S. 63), aber dennoch die Einschätzung der Archäologen, es könne sich bei den Taennchel-Artefakten durchaus um sehr moderne Erzeugnisse eben solcher Schwarmgeister handeln (welche für den kritischen Leser die naheliegendste ist und bleibt) einfach nicht teilen will. Da bleibt dem Leser nur zu folgern, dass hier ein Geheimnis erzeugt werden soll, welches bei nüchterner Betrachtung einfach keines ist!

So hinterlässt das Buch insgesamt einen sehr zwiespältigen Eindruck: Einerseits berichtet Bürgin interessant, gut lesbar und recht umfassend recherchiert über archäologische Merkwürdigkeiten, andererseits macht er den guten Eindruck mit seinem Beharren auf der Idee, “die Wissenschaft” wolle Funde verstecken und herunterspielen oder würde sich zu alternativen Interpretationen bekennen wenn sie denn dürfte, wieder zunichte.

Das umfangreiche Literaturverzeichnis ist lobenswert, gibt es dem neugierig gewordenen Leser doch umfangreiche Möglichkeiten, sich selbst ein Bild von den dargestellten Funden und Tatsachen zu machen. Empfehlen kann ich das Buch jedem, der es als Anregung begreift, selbst zu forschen: Nicht mit eigenen Ausgrabungsprojekten, sondern zu Haus in den weiten Welten des Internet oder ganz klassisch mit einem archäologischen Fachbuch in der Hand.
Henriette Fiebig

268 S, geb., 101 Abbildungen, Literaturverzeichnis, ISBN 3-37766-2318-7, € 19,90

Herbig Verlag
www.herbig.net
München, 2003

Quelle: JUFOF 149: 157 f