Rubtsov, Vladimir: The Tunguska Mystery (2009)

Vladimir Rubtsov:
The Tunguska Mystery

Am 30. Juni 1908 gab es in Zentralsibirien am Fluss »Steinige Tunguska« eine außergewöhnlich starke Explosion, deren ungeklärte Ursache Interessierte noch heute zu umfangreichen Veröffentlichungen anspornt – das Tunguska-Ereignis. Die Theorien und Spekulationen darüber reichen von einem in die Atmosphäre eingetretenen Meteoriten oder Kometen über Nuklearexplosion, Miniatur-Schwarzes-Loch und Antimaterie bis hin zu Kollision oder Absturz eines außerirdischen Raumschiffs (vgl. jufof 155 (5-2004), S. 154–157).

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Dr. Vladimir Rubtsov ist Direktor des 1992 von ihm gegründeten privaten russischen »Forschungsinstitut für anomale Phänomene«. Er hat einen M.A. in Informatik und promovierte 1980 in Philosophie an der Akademie der Wissenschaften der Sowjetunion über »Philosophische und methodologische Aspekte des Problems extraterrestrischer Zivilisationen«.

Rubtsov ist ein Anhänger der Paläo-SETI-Hypothese, die er in einem Vortrag vor der Philosophischen Abteilung der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften verteidigte. Bereits in den siebziger Jahren forschte er in einer Arbeitsgruppe am Tunguska-Vorfall. The Tunguska Mystery bildet die Dokumentation seiner 35-jährigen Beschäftigung mit dem Thema.

Das Buch ist in der Reihe Astronomers’ Universe im renommierten internationalen Wissenschaftsverlag Springer erschienen und zieht unter Verwendung vieler Fotos und Abbildungen ein Resümee der Beschreibungen zum Vorfall selbst und der bereits kurz darauf einsetzenden Untersuchungen von verschiedenen Personen.

Kapitel 1 des Buches, »The Enigma of Tunguska«, fungiert als Einführung in die Thematik und gibt den Ausgangspunkt der Überlegungen – die Tunguska-Explosion – wieder. Dabei werden die Fakten zum Ereignis detailliert geschildert, zum Beispiel, dass der Tunguska-Vorfall bereits drei Tage vor der eigentlichen Detonation die Aufmerksamkeit der damals lebenden russischen und europäischen Bürger auf sich zog, als atmosphärische Anomalien wie seltsame Wolken, helles Zwielicht und solare Halos beobachtet wurden, die es bis in Nature schafften. Die erste Berichterstattung und die nachfolgenden Untersuchungen des Vorfalls bis heute werden geschildert, um den Schluss zu ziehen, dass die tatsächliche Ursache des Ereignisses trotz vieler Heureka-Rufe noch immer nicht gefunden sei.

Das zweite Kapitel, »The Big Bang of More than Regional Significance«, geht noch ausführlicher auf die anomalen Phänomene rund um den 30. Juni 1908 ein und quantifiziert optische, Detonations-, und geomagnetische Effekte. »A Shocking Discovery« berichtet dann von der ersten Expedition zum Ort der Detonation, geleitet von Dr. Leonid Kulik, und von seinen schriftlichen Aufzeichnungen, die seine Überraschung angesichts der Effekte des Ereignisses auf die Umwelt wiedergeben sowie seine erfolglosen Versuche, den Meteoriten, der seiner Meinung nach hier abgestürzt sei, zu finden.

Die weiteren Untersuchungen Mitte des 20. Jahrhunderts werden im Kapitel Vier, »Ideas Become Bizarre«, angeführt, die durch den Ingenieur und Science-Fiction-Autor Alexander Kasantsev ausgelöst wurden, der erstmals ein (»atomgetriebenes«) außerirdisches Raumschiff als Ursache des Tunguska-Ereignisses vermutete. Gefunden wurde allerdings in den Proben von der Kulik-Expedition metallische Partikel, die doch auf einen Meteoriten hindeuteten, und die Theorie von einem in der Luft explodierten kosmischen Festkörper entstand. Kasantzevs Idee wurde als »pseudowissenschaftliche Sensation« abgetan, inspirierte aber dennoch weitere Forscher. »Radical New Research« berichtet von diesen, der »Independent Tunguska Exploration Group«, die in den 60ern bis in die 2000er Jahre hinein Forschungen und Expeditionen betrieb, bis zu Dr. Alexey Zolotov, der die »Raumschiff-Hypothese« Ende der 50er, Anfang der 60er wissenschaftlich zu beweisen versuchte. In »Tracks Too Large To Be Seen« werden die Ergebnisse dieser Gruppen, insbesondere die Versuche zu errechnen, welche Art Explosion die vorgefundene Zerstörung hätte verursachen können (mechanische und thermische Kräfte), genauer berichtet. »The Third Key« geht dabei noch einmal genauer auf die magnetischen Effekte als dritte im Bunde ein.

»Significant Details for the Big Picture«, das achte Kapitel, beschreibt weitere Folgen der Explosion, wie Mutationen an Pflanzen, während sich »Grasping The Chaos« noch einmal den Augenzeugenberichten widmet. Im 10. Kapitel, »From Comet to Plasmoid to Mirror Matter« gibt es dann einen Überblick über die später zusätzlich geäußerten Hypothesen.

Die 2004 durchgeführte Exkursion von Dr. Juri Labwin von der sibirischen »Tunguska Space Phenomenon Foundation«, der »Teile eines extraterrestrischen technischen Gerätes« gefunden haben will (jufof 155, S. 156) und seine Behauptung, dass ein außerirdisches Raumschiff eine Kollision mit einem Meteor herbeiführte, um die Erde zu retten, finden allerdings keine Erwähnung.

Im 11. Kapitel soll dann endlich »die Hypothese des Autors« zum »Tunguska Mystery« geschildert werden, Rubtsov kommt aber in einer Berücksichtigung der von ihm als relevant erachteten Daten lediglich zu dem Schluss, dass keine der bisher geäußerten Hypothesen sinnvoll belegt werden konnte (was jedoch durchaus anzweifelbar ist). Im letzten Kapitel, »So What is the Answer« erhalten wir einen Bericht von Rubtsovs eigener Reise zum Zentrum der Katastrophe, das er genau 100 Jahre später mit einem Hubschrauber aufsuchte. Schließlich deutet Rubtsov an, dass, wenn herkömmliche Hypothesen für die Erklärung des Zwischenfalls nicht ausreichen, die Wissenschaft weiter schauen müsse, und bringt wiederum extraterrestrische Intelligenzen ins Spiel, ohne jedoch gleich einen Zusammenhang zu postulieren. Er weist auch darauf hin, dass, wenn das Tunguska-Objekt natürlichen Ursprungs war, es draußen im Kosmos eine unbekannte weitere Form von DCO (»Dangerous Cosmic Object«) geben müsse, die uns eines Tages vielleicht gefährlich werden könne.

Alles in allem ist das Buch kein spekulatives populärwissenschaftliches Werk, sondern als Schilderung der vielen Bemühungen um Verständnis des Tunguska-ereignisses durchaus lesenswert. Eine Website zum Buch, http://www.tunguskamystery.info, mit Appetizern (Fotos, Texte) existiert ebenfalls. Danny Ammon

318 Seiten, gebunden, mit Schutzumschlag, 38 s/w und 11 farbige Abbildungen, Register, ISBN: 9780387765730, $ 19,77

Springer Verlag (Reihe Astronomers‘ Universe)
www.springer.com
New York, 2009

Quelle: JUFOF Nr. 185: 156 f

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