»Mensch trifft Alien – und was dann?« Der vorliegende Sammelband ist vielfältigen Themen rund um Außerirdische gewidmet. Die wissenschaftlichen Standards verpflichteten Einzelbeiträge sollen im Folgenden separat vorgestellt werden.
Im ersten Beitrag analysiert Martin Engelbrecht zunächst die dem Menschen eigenen Ideen und Vorstellungen über außerirdische Intelligenz, wie sie in der klassischen und zeitgenössischen Science-Fiction-Literatur zum Ausdruck kommen. Mit Hilfe zahlreicher Beispiele gelingt es ihm, einen »Phasenraum in der Konstruktion außerirdischen Lebens« zu entwickeln, der mit allgemeinen Fähigkeiten und moralischen Eigenschaften als Dimensionen zentrale menschliche Charakteristika anführt. Deren jeweilige Verschiebung in Relation zu der Menschheit zugeschriebenen Koordinaten generiert dann eine entsprechende allgemeine Beschreibung einer fiktiven fremden Zivilisation.
Matthias Hurst erweitert den Blick auf »menschlich erzeugte Aliens« in Richtung Film und Fernsehen. Seine filmwissenschaftlichen Betrachtungen konzentrieren sich schließlich auf den komplexen Kosmos des Star-Trek-Franchises, immer wieder rekurriert dabei seine Betrachtung auf das »dialektische Spannungsfeld zwischen der Darstellung extraterrestrischer Wesen als fremder Lebensform und der allegorischen Präsentation menschlicher Belange«, wie es gerade in den verschiedenen Inkarnationen von Star Trek wiederholt deutlich wird.
Die Philosophin und Historikeren Marie Luise Heuser schlägt dann den Bogen von der dediziert fiktionalen Betrachtung fremden Lebens zur philosophischen Imagination der »Transterrestrik«, wie sie in der Renaissance zur Geltung kam. Konkret untersucht sie die Publikationen der Vorreiter einer Überwindung rein geo- und anthropozentrischer Weltbilder, des Philosophen Nikolaus von Kues (der extraterrestrische Intelligenz für höchstwahrscheinlich befand, aber jegliche Spekulation darüber aus menschlicher Perspektive für unsinnig hielt), des wegen Ketzerei hingerichteten Giordano Bruno (der eine erste Form der Raumfahrtphilosophie entwickelte und Leben auf fernen Welten unter den immer gleichen Grundcharakteristika postulierte) sowie des Naturwissenschaftlers Johannes Kepler (der sich als erster ganz konkrete Außerirdische vorstellte, darunter auch Bewohner des Erdmondes).
Die Grundthese des außerirdischen Besuches hier auf der Erde vor ferner Zeit sowie die Charakteristika der sie vertretenden Szene – der Präastronautik – untersucht Ingbert Jüdt. Nach einer Darstellung der prinzipiellen Argumente als aus Ignoranz gegenüber kulturspezifischen, »institutionellen Tatsachen« entwickelte technologische Interpretationen historischer Artefakte und Texte lokalisiert er die Ursachen des Erfolges derartiger Ansätze in einer Legitimationskrise stetig komplexer, ambivalenter und kontroverser Formen von Wissenschaft, die darüber hinaus in exklusiver, abgeschlossener und mit hohen Zugangshürden versehene Wissensdiskurse führt. Dem gegenüber führe die Präastronautik eine legitime »kollektive Selbstdeutung« aus, die schließlich einen heterodoxen Wissensbestand erbringe, dessen problematische Argumentation gerade aus der bemängelten »Schließung von Wissensdiskursen« entstünden.
Gerhard Mayer wendet sich der Rezeption des modernen UFO-Phänomens in den Medien zu, die ein wesentlicher Faktor für die Konnotation des Phänomens mit außerirdischer Intelligenz als deren Ursache ist. Dafür zieht er die Berichterstattung zweier in Stil und Inhalt vielfach konträr gegenüberstehender Printmedien, der Bild und des Spiegel, seit ihrem ersten Erscheinen heran. Er erkennt zwei Tendenzen, »Aufklärung und Entschärfung« oder »Spektakularisierung«, bei denen die Bild-Zeitung ein hohes Maß an Beliebigkeit, der Spiegel jedoch eine klarere Linie der »vereinfachend-einseitigen Darstellung zum Zweck der Entschärfung« aufwiesen. Schließlich beschreibt er auch die in jüngerer Zeit stark gehäuft auftretenden Meldungen von »Pseudo-UFO-Sichtungen« und »UFO-Alarmen« des von den Medien als »Deutschlands größten UFO-Spezialisten« gehandelten Werner Walter, dessen massive interessengeleitete Medienpräsenz im Lichte der Problematik einer von Medium oder Rezipient und hinterfragten Laienforschung von Mayer zwar nicht inhaltlich bewertet, aber aus Sicht des Rezensenten mindestens als diskussionswürdig vermittelt wird.
Eine Zusammenfassung von Erkenntnissen zum Subjekt des UFO-Sichters und -Melders bieten Ina Schmied-Knittel und Edgar Wunder. Dazu zählt die »Problematik der Interpretation von Sichtungsquoten«, die den Erhebungen bis dato aufgrund der umgangssprachlichen Ambiguität des UFO-Begriffs (neutral vs. »außerirdisch«) innewohnt, den meist »trivialen Motiven« und oft »banalen Deutungen« der Melder, die dennoch mit einer starken Zurückhaltung im Sinne einer »geschützten Rede« kommuniziert würden. Schließlich wird dargelegt, dass UFO-Erfahrungen weder soziodemographische, noch weltanschauliche, noch psychopathogische Ursachen zugrunde gelegt werden können und die UFO-Zeugen demnach »normale«, aber vor der öffentlichen Stigmatisierung, die gerade aus der Nichtkenntnis der ermittelten »Normalität« resultiere, verständlicherweise stark zurückhaltend agierten.
Eine noch wesentlich stärker stigmatisierte, weil mit weit exotischeren Erfahrungen belastete Personengruppe, die »von Aliens Entführten« bespricht Michael Schetsche. Nach einer Schematisierung der Betroffenenberichte mit den typischen Komponenten dieser Erfahrung nennt Schetsche »Erklärungsversuche der Wissenschaft«, vor allem psychoreduktionistische, also den individuellen geistigen Gegebenheiten der »Entführten« inhärente Ursachen. Diesen wohnten allerdings Probleme inne, die sie als singuläre Erklärungen unhaltbar machen, etwa die Ähnlichkeit von Entführungserfahrungen. Bessere Chancen weise hierfür das False Memory Syndrome auf, das die systematische Beeinflussung der vielfach durch hypnoseähnliche Zustände erlangten »Erinnerungen« durch den involvierten Forscher beschreibt. Die Kombination mit kulturellen Deutungsmustern, die sich sowohl aus fiktionaler als auch aus der modernen Literatur über Entführungen selbst herausbilden, könnte eine Ätiologie der Erfahrungen ergeben. Auf den Ausnahmestatus sehr früher bzw. nicht durch Hypnose »kontaminierter« Fälle hinweisend, entwickelt Schetsche die Hypothese der Entführungserfahrung als »Phantom-Phänomen«, dass »gleichermaßen zwei Segmenten der Realität angehört«, des Fiktionalen ebenso wie der Welt der als real geteilten Erfahrungen.
Zurück zur UFO-Forschung und erkenntnistheoretischen Betrachtungen über deren Potenziale kehrt Gerd H. Hövelmann. Er beschreibt die Probleme der UFO-Forschung als nichtinstitutionalisierte, von der Wissenschaft ignorierte und von den Medien oft ironisierte Laienforschung und kommt auf den Wunsch der UFO-Forscher nach einer theoretisch fundierten Arbeitsweise zu sprechen. Diesem begegnet er mit einer Antwort, die sich auf zwei unterschiedliche Forschungsansätze der UFO-Forschung bezieht: Zum einen die Untersuchung und Beurteilung mündlich berichteter Fälle, in der er auf Grund der zahlreichen Unwägbarkeiten menschlicher Wahrnehmung, Erinnerung und Kommunikation prinzipiell keine Grundlage für die wissenschaftliche Prüfung jeglicher Thesen sieht, und zum anderen eine Untersuchung von »physikalischen, biologischen, medizinischen oder physiologischen Spuren oder Folgeerscheinungen«, in der er eine legitime Vorgehensweise erkennt, die dann aber, da sie stark interdisziplinär geführt werden muss, den einzelnen Methoden der jeweiligen Disziplinen unterliege und keiner zusätzlichen theoretischen Fundierung bedürfe. In einer weiterführenden Erkenntnistheorie der UFO-Forschung kann Hövelmann aber den Ansatz für eine Diskussion darüber erkennen, was »durch UFO-Forschung über […] nichtmenschliches Leben […] gewusst oder erfahren werden kann«.
Der zweite Beitrag von Martin Engelbrecht fokussiert dann die »wissenschaftliche Suche nach außerirdischer Intelligenz« – das SETIProjekt. Ebendieses sieht er als im Spannungsfeld »vorwissenschaftlicher Intuitionen«, denn die gezielte Suche nach außerirdischem Leben setzt derzeit den reinen Glauben an ein solches voraus, was fast automatisch in einem Konflikt zwischen Befürwortern und Verweigerern dieser Annahme resultiert. Vor diesem Hintergrund charakterisiert Engelbrecht das SETI-Unternehmen als US-amerikanische linksliberale Bemühungen im Sinne humanistischer Ideale und der »final frontiert« und zeigt Schlüsselprobleme dieser Suche nach Aliens auf, die durch gezielte Vorannahmen entstehen, etwa die Verwendung von Richtfunkradiowellen spezieller Frequenzen durch andere Zivilisationen. So sieht Engelbrecht SETI als »hybrides Projekt« mit einer Verknüpfung aus wissenschaftlicher Empirie und visionärem Ansatz, wobei gerade diese Verbindung in Hinblick auf die Werte unserer eigenen Zivilisation kritisch reflektiert werden sollte.
Die möglichen Konsequenzen zum Beispiel eines Erfolgs des SETI-Projekts untersucht Michael Schetsche in seinem zweiten Essay mit dem sozialwissenschaftlichen Instrument der Szenarioanalyse. Unter den bereits für SETI notwendigen Vorannahmen unterscheidet er vier Kontaktszenarien: den Fernkontakt, das Auffinden fremder Artefakte, den direkten Kontakt und das Fernagentenszenario, das von bereits unerkannt auf der Erde befindlichen nichtirdischen Intelligenzen ausgeht. In dieser Reihenfolge postuliert Schetsche eine steigende Wahrscheinlichkeit für Probleme im Umgang mit der entsprechenden Entdeckung, bis hin zu einen globalen Kulturschock, der bei Kontakten von Völkern mit bisher unbekannten höher entwickelten Zivilisationen auf der Erde bisher mehrfach eintrat. Daraus ableitend kommt Schetsche auch auf eine mögliche Geheimhaltung solcher Kontakte durch staatliche Regierungen zu sprechen und konstatiert, dass diese im Lichte oben genannter Probleme denkbar und auch möglich sei.
Über Weltraumpolitik und Weltraumrecht klärt zuletzt der Politologe Kai-Uwe Schrogl auf, der eine prinzipielle Ignoranz derzeitiger politischer und rechtlicher Verhältnisse in Bezug auf den uns umgebenden Weltraum diagnostiziert. Die wenigen Ausnahmen, darunter eine internationale Bemühung um konzertierte Aktionen, die einem Kontakt mit Außerirdischen folgen sollen, betrachtet er detailliert und die »Declaration of Principles Concerning Activities Following the Detection of Extraterrestrial Intelligence« ist auch vollständig im Anhang des Beitrags abgedruckt.
Aufgrund der direkten Behandlung der UFOForschung ist das Buch lohnenswert für den an diesem Thema Interessierten, darüber hinaus aber ganz sicher eine unverzichtbare Quelle für Jeden, den der Umgang der Menschheit mit Außerirdischen, ob als klarer Fiktion oder als soziale Realität, schon immer fasziniert hat. Danny Ammon
286 Seiten, broschiert, ISBN 9783899428551, € 27,80
Michael Schetsche, Martin Engelbrecht (Hrsg.):
Von Menschen und Außerirdischen
Transterrestrische Begegnungen im Spiegel der Kulturwissenschaft
transcript Verlag
www.transcript-verlag.de
Bielefeld, 2008
Quelle: JUFOF 179, 150 ff