Ich habe ja schon einige Bücher über SETI, der Suche nach außerirdischern Zivilisationen, gelesen. Aber kaum eines hat fast alle diesbezüglichen Aspekte so umfassend, faszinierend und verständlich zusammengefasst wie das vorliegende Buch. Es hat mir wirklich Spaß gemacht, den Inhalten zu folgen und in die weite Welt der SETI-Forschung einzutauchen.
Aber um es gleich vorab einmal deutlich zu sagen: Zaun beschäftigt sich nicht mit den evolutionstheoretischen Aspekten der Entstehung von Leben. Er befasst sich auch nicht mit den notwendigen Bedingungen und vielleicht auch erforderlichen Zufällen, die erst zur Entwicklung von intelligentem Leben führen, wie wir es hier von der Erde kennen. Er spekuliert auch nicht über Art und Wesenheit möglicher Außerirdischer und schon gar nichts erfahren wir über die UFO-Thematik. Das Buch handelt explizit von der SETI-Forschung, ihrer Geschichte und ihrer technischen Umsetzung.
Die meisten Menschen, die jemals was von SETI gehört haben, verbinden das automatisch mit der Auswertung der Daten des Arecibo-Radioteleskops in Puerto Rico am heimischen PC. Mittlerweise haben sich fast sechs Millionen Teilnehmer mit analysierten Datenpaketen an dem SETI-Projekt beteiligt.[1] Aber darüber hinaus gibt es sehr viel mehr Möglichkeiten nach unseren kosmischen Nachbarn zu suchen und selbst mir als thematischer Insider waren da nicht alle bekannt.
Harald Zaun [2] ist promovierter Historiker, studierter Philosoph, Wissenschaftsjournalist und Sachbuchautor. Er schreibt überwiegend für Print-Medien, u. a. aber auch im Internet im Online-Magazin Telepolis [3] des Heise Zeitschriften Verlags. Sein lockerer Stil, gewürzt mit einem manchmal ungewöhnlichen und kunstvollen Vokabular, macht das Lesen zur Freude. So sind die rund 300 engbedruckten Seiten trotz der gefühlten Tausend Quellenfußnoten (tatsächlich sind es „nur“ rund 550) und dem Fehlen jeglicher Abbildungen, die die Inhalte ein wenig aufgelockert und illustriert hätten, relativ kurzweilig. Ein paar Abbildungen und Fotos des Beschriebenen hätten dem Buch noch ein dickes Plus hinzugefügt. Somit habe ich schon jetzt den einzigen Minuspunkt angesprochen und ich kann zum Inhalt übergehen.
Zunächst gibt Zaun einen Überblick über die Entstehung des Gedankens, dass wir möglicherweise nicht alleine im All sind. So erfahren wir beispielsweise, dass wir uns nicht erst in diesem Jahrhundert mit dieser Thematik beschäftigen. Seit der griechischen Antike bis zum Jahr 1916 sollen immerhin 140 Schriften verfasst worden sein, in denen die Verfasser über „Leben im All“ spekulierten. (S. 22) Bereits Ende 1900 „setzte die Französische Akademie der Wissenschaften einen mit 100.000 Francs (eine unglaubliche Summe für die damalige Zeit) dotierten Preis für jene Person oder Nation aus, die binnen zehn Jahren den Nachweis erbringen konnte, erstmals mit einer außerirdischen Zivilisation Kontakt aufgenommen zu haben.“ (S. 28) Über 100 Jahre später ist der Preis allerdings noch nicht ausgezahlt worden. Auf jeden Fall verbreitete sich in den Jahren danach die Frage nach Außerirdischen dank der Medien recht schnell und war bald in aller Munde.
In den nächsten Kapiteln widmet sich Zaun der Geschichte der SETI-Entstehung. Dabei ist er auch hier wieder sehr detailreich und erzählt, wie aus dem damaligen Zeitgeist heraus die ersten SETI-Projekte entstanden. Das Thema war auch nicht mehr den Boulevard-Blättern oder verrückten Fantasten vorbehalten, sondern fand Einzug in die wissenschaftliche Community. Interessant und sogar manchmal unterhaltsam sind die „vier ausgewählten Highlights der SETI-Geschichte“. Hier erfahren wir auch, dass der Entdecker des so genannten Wow-Signals [4], Jerry Ehman, „von der extraterrestrischen Hypothese im Sinne eines künstliches Signals inzwischen spürbar Abstand genommen“ hat. (S. 55)
Das so genannte Fermi-Paradoxon [5] ist neben dem „Wow-Signal“ ebenfalls ein Begriff, der immer wieder in den SETI-Diskussionen aufkommt. Zaun diskutiert hier mögliche Gründe, warum bisher noch keine Außerirdischen bei uns angeklopft haben. Dabei ist bei der Größe des Alls rein gefühlsmäßig die Wahrscheinlichkeit, dass zeitgleich mit uns technische Zivilisationen im All existieren, bei oberflächlicher Betrachtung gar nicht so schlecht. Aber bei den entsprechenden Wahrscheinlichkeitsberechnungen gibt es ein heftiges Für und Wider. Selbst die bekannte Drake-Formel [6] wird heute eher kritisch gesehen, weil die Optimisten und Pessimisten stets andere Zahlen einsetzen und die Formel, die ohnehin noch mit mindestens einer weiteren Variablen ergänzt werden müsste, immer wieder zu unterschiedlichen Ergebnissen führt. Letztendlich helfen uns solche Formeln nicht weiter, so Zaun. Wir müssen selbst „aktiv forschen, hinhören, hinsehen und vielleicht eines Tages sogar hinfliegen,…“ (S. 102)
Neben der klassischen Art SETI zu betreiben, also Radiosignale auszuwerten, bzw. mit großen Ohren ins All zu lauschen, gibt es aber noch weitere, weit weniger bekannte Methoden. So könnten unsere außerirdischen Nachbarn ihre Nachrichten statt mit Radiosignalen vielleicht mit gebündeltem Licht zu uns senden. So mag schon der eine oder andere zur Erde gelangte Laserblitz mit Nachrichteninhalt unbeachtet und ungelesen verpufft sein. Deshalb gibt es auch Verfechter und Projekte des so genannten OSETI, also eine Art der optischen Aliensuche. Das erste OSETI-Experiment fand 1973 in der Sowjetunion statt und mittlerweile wurde sogar in 2006 das weltweit erste Teleskop in Betrieb genommen, das ausschließlich für die Suche nach außerirdischen Laserimpulsen gebaut wurde. (S. 115) Inzwischen gilt OSETI als zweites Standbein der SETI-Forschung. (S: 122)
Im Folgenden berichtet Zaun über verschiedene Projekte, deren Umsetzungspläne bereits in der Schublade liegen, aber bei denen es wohl an der Finanzierung hapert. So beispielsweise beim „Square Kilometre Array“ (SKA), ein Radioteleskop mit enormer Empfindlichkeit. Sollte man es für SETI nutzen dürfen, könnte man damit den irdischen Flughafen-Radar noch in 100 Lichtjahre Entfernung registrieren und Mobilfunkstationen mit einem Megawatt Leistung in drei Lichtjahren. (S. 143)
Doch wie ist es überhaupt mit der Planetenhäufigkeit im All bestellt? Die Jagd nach Exoplaneten hat gerade in den letzten Jahren zu vielfachem Erfolg geführt. Mittlerweile sind über 500 solcher Planeten gefunden worden.[7] Auch hier hilft die fortgeschrittene Teleskoptechnik weiter, insbesondere Weltraumteleskope, wie das CoRoT, das seit Dezember 2006 um die Erde kreist. Es ist so leistungsstark, dass es in 800 Kilometer Entfernung noch die Helligkeitsschwankung registriert, die eine Mücke beim Vorbeiflug an einer Flutlichtanlage verursacht. (S. 149) Also auch in diesem Bereich tut sich was. Bei einer hohen Anzahl gefundener Exoplaneten müsste man nicht mehr ins Blaue hinein horchen oder selbst aktiv senden, sondern könnte die entsprechenden Planetensysteme gezielt unter die Lupe nehmen. Und wenn man etwas weiter in die Zukunft blickt und bestimmte Planungen umsetzt, dann werden wir mal optische Teleskope haben, deren Auflösung so hoch ist, dass man mit ihnen auf erdnahen extrasolaren Planeten noch Städte ausmachen kann. (S. 202)
Lässt man der Phantasie freien Lauf, dann findet man noch viele andere Möglichkeiten, wie wir nach Aliens Ausschau halten, oder wie uns Aliens eine Nachricht hinterlassen haben könnten. Vielleicht wurden wir ja schon in grauer Vorzeit besucht und man hat uns Relikte hinterlassen, die nur noch ihrer Aufspürung warten. Oder, wer weiß… vielleicht sind ja sogar Nachrichten in unserem Erbgut enthalten, die wir bei Erreichen eines bestimmten Kenntnisstandes entschlüsseln können. (S. 215)
Das Empfangen außerirdischer Nachrichten ist sicherlich kein Problem… das aktive Senden dagegen könnte jedoch gefährlich werden. Wissen wir, ob wir damit nicht aggressive „schlafende Hunde“ wecken, die dann mal eben bei der Erde vorbeischauen, um unsere Rasse unterzujochen und unseren Planeten auszuplündern? Wir wissen ja nichts über deren Ziele, Fähigkeiten und Absichten, so der SETI-Wissenschaftler John Billingham. So gibt es bezüglich der eigenen Nachrichtenübermittlung sowohl Befürworter als auch Kritiker. Momentan scheinen aber die Befürworter Oberwasser zu haben. So will man die erst am Anfang stehende Suche nach Aliens auch weiterhin betreiben und dem ersten sicheren Hinweis auf außerirdische Nachbarn entgegenfiebern. Auch Harald Zaun befürwortet SETI und zitiert am Schluss seines Buches den bekannten Science-Fiction-Schriftsteller Arthur C. Clarke [8], dessen Zitat ich gerne übernehmen möchte: „SETI stellt die höchstmögliche Form der Forschung dar, und wenn wir aufhören zu forschen, hören wir auf, menschlich zu sein.“ (S. 285)
Da uns SETI auch zukünftig begleiten wird und es sich um eins der spannendsten Projekte der Weltgeschichte handelt, ist es wichtig, wenn wir die wichtigsten Aspekte der SETI-Forschung kennen. Ich denke, dass uns Harald Zaun die Kenntnisse mit seiner vorliegenden Arbeit recht umfangreich und gut verständlich vermittelt hat und wir die Chancen und Perspektiven, aber auch die bedenklichen Risiken nun viel besser einschätzen können. Ein interessantes und spannendes Buch, das in unseren Bücherregalen seinen Platz finden sollte.
Hans-Werner Peiniger
[1] http://www.seti-germany.de/wiki/SETI%40home
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Harald_Zaun
[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Telepolis
[4] http://de.wikipedia.org/wiki/Wow!-Signal
[5] http://de.wikipedia.org/wiki/Fermi-Paradoxon
[6] http://de.wikipedia.org/wiki/Drake-Formel
[7] http://de.wikipedia.org/wiki/Extrasolarer_Planet
[8] http://de.wikipedia.org/wiki/Arthur_C._Clarke
302 Seiten, br., Register, ISBN-13: 978-3936931570, EUR 19,90
Heise Zeitschriftenverlag GmbH
www.dpunkt.de/telepolis
Hannover, 2010
Quelle: JUFOF Nr. 194: 59 ff