Donald R. Prothero, Timothy D. Callahan: UFOs, Chemtrails and Aliens

What Science Says

Die beiden Autoren des vorliegenden Buches sind den Lesern vor allem skeptischer Literatur zum Themenkomplex Anomalistik bereits ein Begriff.

Prothero ist Geologe und Paläontologe, der auf dem Gebiet der Evolutionsforschung als angesehener Wissenschaftler gilt und zahlreiche Werke hierzu veröffentlicht hat. In seiner Freizeit beschäftigt er sich mit Kryptozoologie und ist Mitglied der Skeptic Society und des Committee for Skeptical Inquiry (CSI – vormals CSICOP). Auch im Bereich Skeptizismus hat Prothero bereits Bücher veröffentlicht, wie z.B. zusammen mit Daniel Loxton »Abominable Science: The Origin of Yeti, Nessie, and Other Cryptids« (New York 2013) oder »Reality Check: How Science Deniers Threaten our Future« (Bloomington, 2013).

Callahan, Schauspieler mit mehr als 20 Jahren Erfahrung in der Animationsfilmindustrie, war der Redakteur für den Religionsbereich des Skeptic Magazine, welcher hier sein Erstlingswerk vorstellt.

Der Stellenwert, den dieses umfangreiche und viele Themen umgreifende Werk für die skeptische Welt einnehmen soll, lässt sich neben den beiden Autoren auch daran erkennen, dass dem Buch ein Vorwort von Michael Shermer vorangestellt wird, dem Gründer und Direktor der Skeptic Society und Herausgeber des Skeptic Magazine.

Ein gewisses Misstrauen gegen das Buch befiel mich zunächst, was weniger mit den Anklagen verschiedener Frauen bezüglich sexueller Belästigung gegenüber Shermer, sondern eher mit Protheros Einschätzungen zu tun hat. Dessen Meinung, dass es nur schwer vorstellbar sei, dass in den USA mit einem der höchsten Lebensstandards und einem der besten Bildungssysteme der Welt, Leute weiterhin an UFOs, Astrologie, Bigfoot, Nessie etc. glauben würden, ist einigen Interessierten noch erinnerlich, da der Autor hier unter anderem Holocaust-Leugnung mit dem Glauben an UFOs und Kryptozoologie in einem Atemzug nannte. (Prothero, Donald R. und Buell, Carl Dennis: Evolution: What the Fossils Say and Why it Matters, New York 2017, S. 13)

Das Buch selbst ist sehr eingängig geschrieben und die von den Autoren vorgebrachten Argumente sind gut nachvollziehbar. Natürlich handelt es sich um ein Buch, in welchem dargestellt werden soll, wieso verschiedene anomalistische Themen von den Mainstream-Wissenschaften nicht ernst genommen werden.

Hierzu wird eine breite Palette von Themen angeschnitten, welche von UFOs, Entführungen, Sekten und Kornkreisen, bis hin zu Paläo-SETI und Chemtrails reichen.

Positiv besticht das Buch immer in den Teilen, in welchen die beiden Autoren in »ihrem Metier« zu Hause sind. So gibt es ein ausführliches Kapitel über sogenannte »Alien Skulls«. Diese Thematik wurde durch das sogenannte »Star Child« und dessen Untersucher Lloyd Pye auch über die Grenzen anomalistischer Forschung hinweg medial bekannt. Auch die sogenannten »Langschädel« zählen zu dieser Kategorie. Handelt es sich hierbei um Außerirdische oder Hybriden aus Mensch und Außerirdischen? Welche Rolle spielen Krankheiten (Star Child) und Kulte / Folklore (Längsschädel)? Prothero besticht hierbei mit seinen Kenntnissen und Hintergründen und kann so diese Fälle verständlich aufklären.

Auch im Bereich der UFO-Kulte und –Sekten kann das Buch interessante Informationen vermitteln. In einem sehr umfangreichen Kapitel berichtet so Callahan über verschiedenste Mythologien, welche von UFO-Kontaktlern, wie von Tassel, Adamski oder King über UFO-Sekten, wie Ashtar Galactic Command, dem Orden von Fiat Lux über Billy Meiers FIGU bis hin zu rechtsgerichteten Gruppen, wie die Tempelhofgesellschaft, Weltuntergangssekten wie Heavens Gate oder die gewinnorientierte Scientology reichen. Callahan arbeitet hier gut die einzelnen Entwicklungswege und Zusammenhänge aus.

Ein weiterer interessanter Bereich des Buches bildet das Kapitel: »Are they out there?«. Auch hier profitiert das Geschriebene vom beruflichen Backround Protheros‘, der aufgrund seiner Evolutionsforschung recht anschaulich beschreibt, wie mögliche Außerirdische sich entwickelt haben könnten und wie diese aussehen würden. Natürlich bleibt dies ein spekulatives Feld, da wir einfach nicht wissen, wie eine mögliche Evolution auf anderen Planeten tatsächlich verlaufen würde, da wir bisher schlicht nur die Erde als Beispiel vorliegen haben und hierbei nicht wissen, ob wir die Norm oder die Ausnahme darstellen. Demgegenüber ist dann auch die These der Autoren, dass wir wahrscheinlich die einzigen intelligenten Wesen sind, zwar tolerierbar, aber eben nichts weiter als eine These, die anhand des derzeitigen wissenschaftlichen Standes weder bestätigt noch verworfen werden kann.

So gut diese Kapitel jedoch sind, so schwieriger sind die anderen Themengebiete zu betrachten. Interessant ist hierbei auch, dass die Autoren an verschiedenen Stellen angeben, dass ein wissenschaftlicher Fachmann nur auf seinem Gebiet Fachmann ist und auf anderen eben trotz seiner Ausbildung Laie. Dem würde ich an sich grundsätzlich zustimmen (auch wenn es zahlreiche verdiente Laienforscher gibt, man siehe z. B. nur viele Lokalhistoriker, welche ohne entsprechendes Geschichtsstudium dennoch bemerkenswerten Anteil an der regionalen Historienforschung haben). Genau dieses Manko zeigt sich dann aber eben auch z. B. bei der UFO-Thematik, in welcher offensichtlich die Bildung in den Bereichen Paläontologie und Schauspielerei nicht als Gradmesser herhalten können, um diese adäquat bewerten zu können.

Gut beraten wären die Autoren z. B. gewesen, um dem wissenschaftlichen Anspruch gerecht zu werden, welchen sie im gesamten Buch fordern, wenn sie sich an die Aussage Shermers im Vorwort gehalten hätten:

»In this sense, it is good to remember what the U in UFO stands for: unidentified. Unidentified does not mean extraterrestrial, or government conspiracy, or anything else asserted by any other pet theory. The U just means unidentified – nothing more. And in science it is always acceptable to say ›I don’t know.‹« (S. XI)

Stattdessen wird im Buch immer wieder UFO als Synonym außerirdischer Raumschiffe genutzt und wiederholt wird von UFO-Gläubigen gesprochen.

Insgesamt wirken die Kapitel, welche sich mit dem UFO-Thema auseinandersetzen, tendenziös, oftmals wird eine ausführliche Quellendiskussion vermisst. Dies fällt vor allem bei den Themen Rendlesham und Roswell auf. Natürlich ist die bisher zur Thematik erschienene Literatur schier endlos und kaum zu überblicken, wenn die dann für eine Ausarbeitung genutzte Literatur jedoch fast ausschließlich die Ergebnisse wiederspiegelt, welche man für sich erwartet oder darstellen will und die Literatur ausgeblendet wird, welche Gegenargumente vorlegt, kann von Ausgewogenheit und Quellenkritik keine Rede mehr sein.

Über das Ziel hinaus schießen die Autoren, wenn aus polemischer Sprache und Diskussion argumentatio ad hominem wird, wie in diesem Fall:

»In 1991, Kevin Randle and Donald Schmitt wrote ›The Truth about the UFO Crash at Roswell‹ (…) The new material must have helped, because they sold 160.000 copies and the authors laughed all the way to the bank.« (S. 70)

Abgesehen davon, dass es sich erst bei dem 1994 erschienenen Nachfolgewerk von Randle und Schmitt um »The Truth about the UFO Crash at Roswell« handelte und beim 1991-er Werk schlicht um »UFO Crash at Roswell«, ist es nicht fair den Autoren gegenüber, diesen reine Gewinnsucht und damit auch ein fragwürdiges und unmoralisches Verhalten zu unterstellen. Für »UFO Crash at Roswell« wurden über 300 (!)Zeugen vernommen. Auch wenn bereits an anderer Stelle (siehe z. B. Pflock, Karl: Roswell. Inconvenient Facts and the Will to Believe, New York, 2001) Kritik an der Qualität der Zeugen aufkam – so waren nur ca. 15 % der Zeugen Erste- oder Zweite-Hand-Zeugen, so haben die beiden Autoren dennoch eine außerordentliche Fleißarbeit hingelegt. Die Ergebnisse zu schmälern zu versuchen, indem man einfach eine Gewinnsucht unterstellt, ist kein erfolgreiches Vorgehen (im Umkehrschluss könnte man ja auch Prothero und Callahan vorwerfen, sie würden wahrscheinlich viel Umsatz mit dem vorliegenden Buch erhoffen).

Auch die Aussagen Protheros‘ zur Area 51 sind wissenschaftlich von geringem Wert. Protheros‘ Vater hatte in den 1960-er Jahren auf der Basis gearbeitet. Von seinem Sohn vor seinem Tod befragt, habe dieser über angebliche Raumschiffe in der Basis gelacht und diese verneint. Warum der Vater Protheros‘ nun ein besserer oder vertrauenswürdigerer Zeuge sein soll als andere, bleibt an dieser Stelle unklar (zumal sich Protheros und Callahan immer wieder mit der Zweifelhaftigkeit von Zeugenaussagen befassen).

Interessant sind die Kapitel über Chemtrails und Kornkreise. Hier bemerkt man erneut meteorologische Vorkenntnisse Protheros‘, welche bei der Einschätzung zu angeblichen Chemtrails hilfreich sind. Die Aussagen bezüglich Kornkreise sind einleuchtend, wenn auch eine tiefere Beleuchtung an manchen Stellen gutgetan hätte.

Auch das Kapitel über Paläo-SETI ist gut gelungen und bringt einige immer wiederkehrende Themen, wie die Nazca-Linien, die Bagdad-Batterie, die Eisensäule von Delhi oder die mysteriösen Kristallschädel, aufs Tableau, welche dann näher betrachtet und auseinandergenommen werden. Die gezogenen Rückschlüsse müssen dann jedoch nicht in jedem Fall auch so geteilt werden.

Alles in allem handelt es sich um eine interessante Momentaufnahme zu anomalistischen Themen aus der Sicht der Skeptiker-Bewegung, welche in diesem Umfang seit Carl Sagans »Der Drache in meiner Garage oder Die Kunst der Wissenschaft, Unsinn zu entlarven« (München, 2000), nicht mehr zu erhalten war.

Das Buch ist mit vielen Grafiken anschaulich bebildert und auch eine 15-seitige Bibliografie ist angefügt, welche wiederum sehr interessant ist, da hier die genutzte Quellenlage der Autoren nachvollzogen werden kann (z. B. werden für den Rendlesham–Vorfall zwar verschiedene Quellen zitiert, jedoch weder die Bücher von Pope/Burroughs/Penniston, noch Warren/Robbins noch Randles noch Bruni etc. und von 18 Quellen zu Roswell können lediglich drei, nämlich Randle/Schmitt, Friedman/Berliner und Berlitz/Moore als Quellen für einen UFO-Absturz gewertet werden).

Sehr lesenswert sind die Kapitel, welche sich mit wissenschaftlicher Theorie befassen und auch die angeführten Punkte, welche zu bedenken gelten, wenn die UFO-Forschung von den Mainstream-Wissenschaftlern ernst genommen werden will.

Positiv zu werten sind auch die kurzen Zusammenfassungen am Ende der einzelnen Kapitel, welche noch einmal ein Resümee zulassen.

Das Buch hat Höhen und Tiefen, ist zum Teil anschaulich und sehr interessant, aber auch mit Vorsicht zu genießen. Für einen Überblick der skeptischen Sichtweise auf anomalistische Themen ist es gut geeignet.
Marius Kettmann  ∗ ∗ ∗ ∗ ∗

460 Seiten, gebunden, illustriert, ISBN 978-0253034168, 28,00 US-$ (ca. 28,67 €)

Indiana University Press
www.iupress.indiana.edu
Bloomington, USA, 2017

Quelle: JUFOF Nr. 249, 3/2020: 84 ff
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