Das Narrativ der überragenden arischen Herrenmenschen wurde von den Nazis über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren mit dem Dampfhammer in die Köpfe ihrer Anhänger eingehämmert und das so stark, dass alle Beteiligten ihr eigenes Märchen am Ende selbst glaubten.
Am 08. Mai des Jahres 1945 war der (Alb)traum dann ausgeträumt und Nazideutschland kapitulierte bedingungslos. Ein Ende der Mär hat sich daraus für die damaligen und auch heutigen Anhänger des Nationalsozialismus nicht ergeben. Stattdessen wurde sie einfach weiter gesponnen. Überlebens- und Fluchtmythen rund um Hitler kamen sehr schnell nach dem Krieg auf, und ab Beginn der 1950er Jahre dann auch der Mythos einer überlegenen Nazi-Flug-zeug-Technologie in Gestalt der angeblichen Reichsflugscheiben. Damit wird der Mythos der Überlegenheit des deutschen Ariers retrospektiv aufrechterhalten und die Geschichte verklärt. Die Niederlage ist hier nur eine vermeintliche Niederlage und das Dritte Reich existiert im Geheimen weiter bzw. (je nach Art der Verschwörungstheorie) die Nazis hätten nur ein bisschen mehr Zeit benötigt, um ihre technische Überlegenheit vollends auszuspielen.
In seinem nur etwas mehr als hundert Seiten starken Buch Von Eis-Nazis, Flugscheiben und geheimen U-Booten zeigt Michael Scholz deutlich auf, dass diese Fantasien von Alt- und Neonazis nicht haltbar sind. Sei es die Existenz einer bis heute in der Antarktis betriebenen Basis der Nazis namens Neuschwabenland oder die Existenz überlegener, untertassenförmiger Flugzeuge aus reichsdeutscher Entwicklung.
Die hier angeführten Argumente sind weitgehend richtig, aber nicht neu und wurden meines Erachtens bereits in wesentlich besser und tiefgründiger recherchierten Büchern vorgetragen. Mich haben an dem Buch besonders zwei Aspekte gestört. Zum einen sind es die mangelhaften Quellenkennzeichnungen. Lediglich Vollzitate werden in Fußnoten durchgehend gekennzeichnet. Paraphrasen wiederum zum größten Teil nicht, völlig inkonsistenterweise aber ganz vereinzelt (an weniger als fünf Stellen) doch. Dadurch bleiben viele angeführte Argumente, so richtig sie sind, aber unbelegt und für die LeserInnen nicht nachvollziehbar.
Es entsteht der Eindruck, dass der Autor nicht alle angeführten Werke bzw. Aussagen auch wirklich selbst gelesen hat. Besonders bei den Narrativen der Verschwörungstheoretiker selbst fehlen Quellenkennzeichnungen und es tauchen auch kleine Fehler auf. Als Erscheinungsdatum des Erstlingswerks des rechtsextremen Verschwörungstheoretikers Jan van Helsing alias Jan Udo Holey Geheimgesellschaften und ihre Macht im 20. Jahrhundert 1 wird zum Beispiel das Jahr 1996 angegeben (S. 83). Das Impressum des Buches weist allerdings 1995 als Erscheinungsjahr aus. Möglicherweise beruht die falsche Jahresangabe auf der „Werkliste“ des Wikipedia-Beitrags zu dem Autor; hier wird zu dem besagten Buch angegeben: „…, in Deutschland 1996 indiziert und beschlagnahmt“. Gemeint ist also das Jahr des Verbots, nicht des Erscheinens.
Dieser Eindruck verstärkt sich auch dadurch, dass einige (und korrekt zitierte) Aspekte sehr ausführlich dargestellt werden, etwa Ritschers Antarktis-Expedition 1938/39, andere Themen werden hingegen nur knapp angerissen.
Hierdurch wirkt das Buch etwas schnell zusammengeschrieben. Grundsätzlich sind die Argumente zutreffend und derart kritische Bücher sind wichtig. Wer also nur einen etwas oberflächlichen Überblick über die dbzgl. Verschwörungstheorien und deren Widerlegung erhalten möchte, kann sicherlich zugreifen. Wer sich tiefer mit der Materie befassen möchte, dem seien aber bessere Werke zu empfehlen. Hier sind zum Beispiel zu nennen Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus von Nicholas Goodrick-Clarke, Vril: Eine okkulte Urkraft in Theosophie und esoterischem Neonazismus von Julian Strube, Von der deutschen Flugscheibe zum Nazi-UFO von Gerhard Wiechmann und Flying Saucers from Naziland Vol. 1 von dem italienischen UFO-Forscher Maurizio Verga.
3 von 5 Sternen würde ich diesem Buch geben. Der dritte Stern aber nur aufgrund der Sinnhaftigkeit, derartigen rechtsextremen Fantasien zu begegnen.
André Kramer ∗ ∗ ∗ ∗ ∗
115 S., Abb., kartoniert, ISBN 978-3-86569-377-8, Preis: 10,00 €
Alibri Verlag
www.alibri.de
Aschaffenburg, 2023
Quelle: JUFOF Nr. 273, 3/2024: 89 f
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