Christian Brachthäuser:
Marspyramiden und Mondruinen
Edmond Hamilton (1904–1977), H.P. Lovecraft (1890–1937) und Clark Ashton Smith (1893-1961)
Vergessene Pioniere der Paläo-SETI-Hypothese
»Marspyramiden und Mondruinen« ist das neue Buch von Christian Brachthäuser, der schon mit mehreren Publikationen zu UFOs und Prä-Astronautik positiv aufgefallen ist.
Es vergeht ja kaum eine Woche, in der die Nachrichtenseite des Anomalist nicht eine neue Entdeckung von Relikten auf dem Mars melden kann – seien es Säulen, Mauern, Pyramiden, Ziegelsteine, Mäuse, Krabben oder gar ein Bigfoot. Gleichzeitig überschlagen sich in der Fortean Times die Leserbriefe mit Entdeckungen von Stellen über Marspyramiden und Sphingen in der frühen SF-Literatur.
Diesen ganzen Themenkomplex hat Cristian Brachthäuser in seinem neuen Band aufgearbeitet, und zwar verknüpft mit Beschreibungen solcher archäologischen Funde in den Horror-Geschichten aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts (ähnlich wie das Helga Abret und Lucian Boia in ihrem Das Jahrhundert der Marsianer für Marserzählungen und Forschungen des 19. Jahrhunderts taten).
Das erste Kapitel beschäftigt sich mit SETA – der Suche nach extraterrestrischen Artefakten – auf den Planeten und Monden in unserem Sonnensystem. Dabei geht die Bandbreite der Optionen von »wissenschaftlich« bis »populärwissenschaftlich« und berücksichtigt neben astronomischen Beiträgen auch Wortmeldungen der Science-Fiction, der UFO-Kontaktler der 1950er-Jahre, der Opfer von Entführungen durch Außerirdische wie auch durch Seher und mittels Remote-Viewing.
Brachthäuser geht dabei oft über die wissenschaftlichen Erkenntnisse hinaus und lässt es so scheinen, als seien die Aussagen der Prä-Astronautik gleichberechtigt neben die wissenschaftlichen zu stellen. Zudem ist er optimistischer als die Autoren, die er (übrigens oft auf Englisch und ohne Übersetzung) zitiert. Dabei fällt z. B. auf, dass er eine Aussage des Brookings Institute von 1961, man »might possibly« auf außerirdische Artefakte im Sonnensystem stoßen, mit »höchstwahrscheinlich« übersetzt (S. 8), obwohl der Ausdruck eigentlich »es könnte sein, ist aber nicht sehr wahrscheinlich« bedeutet. Dieser Optimismus, dass frühe SF und selbst die wildeste Paläo-SETI-Spekulation doch irgendwie faktisch sein könnte, kennzeichnet auch das gesamte Buch.
Den Kern des Bandes aber bilden dann Beiträge über die drei Autoren Edmond Hamilton, H.P. Lovecraft und Clark Ashton Smith (Charles Fort wurde leider vergessen, obwohl er alle drei maßgeblich beeinflusst – Hamilton war sogar Mitglied der Fortean Society und schickte Fort Zeitungsauschnitte, Lovecraft hat sich intensiv mit ihm beschäftigt, Fort lieferte allen drei Schriftstellern Buchideen und inspirierte sie.)
Edmond Hamilton hat das kürzeste Kapitel, von ihm ist vor allem eine Story interessant, die Mondruinen beschreibt. Es folgt ein kurzes Kapitel über »archäologische« Entdeckungen auf dem Mond, vor allem die aus der Pop-Literatur der 1960er bis 1980er bekannten Brücken, Maschinen und Obelisken. Brachthäuser zeigt die realen Hintergründe dieser »Entdeckungen« auf, dann folgt ein Kapitel über Science-Fiction-Romane, die Begegnungen mit Alien-Artefakten auf dem Mond schildern, von Arthur C. Clarke 1951 bis zu Jack McDevitts Cassandra-Projekt aus dem Jahre 2013.
Es folgt ein Kapitel über H.P. Lovecraft, dem Brachthäuser ja bereits eine eigene Biografie gewidmet hat. Lovecraft ist ein Kultautor, und Brachthäuser geht detailliert auf das Leben und die materialistischen Ansichten dieses Autors ein wie auch auf die Titel, etwa die Kadath-Romane, Dagon oder The Whisperer in Darkness, die viele Elemente vorwegnehmen, die später auch in der UFO-Mythologie eine Rolle spielten, und die dazu geführt haben, dass Lovecrafts Epigonen einen ganz genau umrissenen Cthulhu-Mythos aus den Fiktionen des Autors zusammendestilliert haben. Hier wieder unterzieht Brachthäuser Lovecrafts Romane einer Analyse und vergleicht sie mit Spekulationen von Hobby-Archäologen und Prä-Astronautikern, etwa den wirren Behauptungen von Rex Gilroy, der sich, um es milde zu sagen, die Entdeckungen, die er macht, selbst ausgedacht hat (S. 74–77). Mir blieb dabei unklar, ob das zeigen soll, dass die SF recht hatte oder dass die »Sachbücher« eigentlich nur Fiktionen wiederholen.
Das folgende Kapitel ist einem Überblick über Marsrätsel gewidmet – vom sattsam bekannten Gesicht bis zu den vielen Pyramidenentdeckungen dort. Besonders deutlich arbeitet Brachthäuser Aufstieg und Fall des Marsgesichtes heraus, hier legt er sich eindeutig auf einen natürlichen Ursprung dieser Formation fest.
Der letzte Abschnitt gilt Clark Ashton Smith (Teile davon sind aus den letzten jufof bekannt). Am spannendsten fand ich einen Hinweis auf eine auf das Jahr 1947 datierte UFO-Landung, von Smith 1931 in der SF-Erzählung Seedlings of Mars beschrieben (S. 103). Auch in diesem Kapitel gleicht Brachthäuser Smiths Storys, die Lovecraft sehr stark verpflichtet sind, mit Pseudoarchäologie ab, wenn es etwa um Mikronesien geht, im Verweis etwa auf die Erfindungen des Autors Churchward über Mu (S. 101), auf die Ashton Smith in seinen Storys einging.
Das Buch ist packend und doch nicht sensationsheischend geschrieben, wenn mir auch die Zusammenfassungen der Romane stilistisch zu stark von Lovecraft beeinflusst sind – da hört man immer von undenkbaren Planeten mit von der Zeit zerfressenen Mauern, die groteske und blasphemische Ghoule errichtet haben. Es versammelt viele Fakten, die man sich sonst mühsam zusammensuchen müsste. Wenn diese Besprechung dennoch in der Tendenz skeptisch klingt, kommt das vor allem daher, dass mir nie aufging, was denn nun die Felder »SETA«, Prä-Astronautik und frühe SF miteinander zu tun haben oder wie sie sich ergänzen könnten. SETA ist spekulative, erst einmal nicht faktendeutende Wissenschaft, das andere – Prä-Astronautik wie SF – Belletristik. Brachthäuser zeigt eigentlich nur, dass sich spekulatives Sachbuch und Phantastik schon immer von den gleichen Faktoiden genährt haben.
Die Themen zu trennen – hier: Wie geht die offizielle Wissenschaft mit der Idee von außerirdischen Artefakten im Sonnensystem um, dort: Wie handelt die frühe SF von diesem Thema – und zwar in miteinander nicht verknüpften Bänden, hätte mir eher zugesagt. Das mag aber mehr mit mir als mit dem Buch zu tun haben! Der Band zeigt allerdings recht deutlich, wie stark die Prä-Astronautik in der Tradition von Horror- und frühen SF-Erzählungen steht, und wie sehr das Material erst in esoterischen, dann fiktiven Kontexten auftauchte, bevor es von »Sachbuchautoren« okkupiert wurde.
Ulrich Magin
132 Seiten, br., ISBN 978-3-95652-131-7, 11,50 €
Ancient Mail
www.ancientmail.de
Groß-Gerau, 2015
Quelle: JUFOF Nr. 223, 1/2016: 22 ff