Daniel Gerritzen: Erst-Kontakt

Daniel Gerritzen:
Erst-Kontakt

Warum wir uns auf Außerirdische vorbereiten müssen

 

Der Autor, Journalist und Mitbegründer des »Forschungsnetzwerks extraterrestrische Intelligenz« (FEI) beschäftigt sich im vorliegenden Buch mit der Frage, was passieren könnte, wenn Außerirdische auf unsere Erde aufmerksam werden. Wie reagieren unsere Regierungen, die Medien, hat das Einfluss auf unser tägliches Leben, müssen wir mit einer Panik rechnen, usw.? Es schließen sich hier zahllose Fragen an, die ich vor dem Lesen des Buches gar nicht so auf dem Schirm hatte und deren Suche nach möglichen Antworten und sozialpsychologischen Folgen ich durchaus spannend fand.

Was kann also geschehen, wenn beispielsweise die Projekte SETI oder SETA ein Radiosignal einer außerirdischen Zivilisation empfangen oder man ein außerirdisches Artefakt im Weltraum (z. B. eine Robotsonde) auf dem Mond oder Mars entdeckt? Ist es nicht gefährlich, selbst Radiosignale zielgerichtet ins All zu senden, um damit möglicherweise erst »schlafende Hunde« zu wecken…? So nach dem Motto: »Hallo, hier sind wir, kommt vorbei, rottet unsere Menschheit aus, versorgt Euch mit Sklaven und plündert unsere Bodenschätze?« Schon 2010 warnte uns der Astrophysiker Stephen Hawking dahingehend, ja nicht auf eingehende Kommunikationssignale Außerirdischer zu antworten oder selbst welche proaktiv zu versenden.

Wer weiß, welche blutrünstige Zivilisation dann auf uns aufmerksam wird. Geschürt werden solche Ängste auch durch die auf uns einwirkende Konditionierung durch entsprechende Science-Fiction-Filme, in denen Außerirdische meistens als Invasoren oder blutrünstige Monster dargestellt werden. Und das hat eben auch einen Einfluss auf unsere Urängste, die Angst vor dem Fremden. Wie reagieren wir, wenn ausgerechnet auch noch achtbeinige, spinnenartige Außerirdische unsere Erde besuchen würden? Hier treffen die Spinnenängste mit den Ängsten vor Fremden, vor Aliens, zusammen. Geraten wir in Panik, ähnlich wie 1938 nach dem Hörspiel »Krieg der Welten«?

Daniel Gerritzen geht es aber nicht um diese Schwarzmalerei. Es geht ihm darum, alle Möglichkeiten aufzuführen, die sich aus einem Erstkontakt ergeben könnten. Daher ist es aus seiner Sicht wichtig, im Rahmen der Risikobeurteilungen Worst-Case-Szenarien zu entwickeln, die uns schon jetzt auf ein solches globales Ereignis vorbereiten.

Bei einem Erstkontakt kommen sozialpsychologische Mechanismen zum Tragen, die mit den vom Autor begründeten Zusammenhängen bedenklich, aber auch nachvollziehbar sind. Wie reagiert beispielsweise die Boulevardpresse, wenn man eine außerirdische Robotsonde im All entdeckt hat? Ich kann mir jetzt schon die platten Schlagzeilen vorstellen und wie sie möglicherweise die Haltung der Bevölkerung beeinflussen. Gerritzen schildert hier entsprechende Szenarien, die manchmal erschreckend sind.

Es gibt aber noch ein weiteres Problem. Wenn wir z. B. ein außerirdisches Signal im Rahmen des SETI-Projekts erhalten… können wir es überhaupt wirklich verstehen? Werden wir überhaupt ein ungewöhnliches Signal als eine an uns gerichtete Nachricht einer außerirdischen Intelligenz erkennen können?

Fragen über Fragen… und hier ist m. E. der Knackpunkt in der Arbeit von Daniel Gerritzen. Für mich sind die vielen »Was-wärewenn-Überlegungen« doch ein Tick zu viel. Aber es kann ja nicht schaden, sich jetzt schon mal Gedanken darüber zu machen, was man besser im Fall der Fälle vermeiden sollte. Auf jeden Fall sollten wir m. E. jegliche Panik unterbinden oder panikartige Reaktionen unterlassen und erst einmal mit gelassener menschlicher Neugierde dem Erstkontakt entgegensehen.

Wenn dann Außerirdische mit Laserwaffen ganze Landstriche in »verbrannte Erde« verwandeln, können wir immer noch dank der bereits in der Schublade liegenden Worst-Case-Szenarien und damit verbundenen Handlungsempfehlungen oder -anweisungen reagieren.

Es könnte aber auch ganz anders kommen: Das umwälzendste Ereignis in der Geschichte der Menschheit, der direkte Kontakt zu einer hochentwickelten außerirdischen Zivilisation, könnte zum einen einen großen Kulturschock auslösen, aber vielleicht auch viele unserer Probleme lösen… beispielsweise Medikamente gegen unheilbare Krankheiten, kostenlose Energie für alle u. ä. Aber Achtung! Gerade auch solche heilbringenden Aktionen hätten wahrscheinlich einen immensen Einfluss auf unser Leben und vor allem auf unsere Weltwirtschaft. Aktienkurse gehen in den Keller, Firmen können Insolvenz anmelden, mehr Arbeitslose, eine Weltwirtschaftskrise droht. Gerritzen sieht noch weitere Gefahren. Danach könnte es zudem einen Einfluss auf die Religionen geben und der religiöse Glaube zu weltweiten Konflikten führen.

Einige der wirklichen Gründe, die zu Erstkontaktkatastrophen führen können, liegen nach Ansicht des Autors einmal in der »mangelhaften Bildung der Medienmacher «, die »eine falsche, dramatisierende Berichterstattung über den Erstkontakt auslösen würden« und »die mangelhafte Bildung großer Bevölkerungsteile«, die »für ein gefährliches falsches Verständnis des größten Ereignisses der Menschheitsgeschichte sorgen würden.«

Nach Beurteilung aller Szenarien stellt Gerritzen fest, dass es kein »Best-Case-Szenario« gibt. Er kommt zu dem Schluss, dass »die primäre Gefahr bei einem Erstkontakt« vom Menschen selbst ausgeht, »die sekundäre Gefahr bei einem Erstkontakt von den Mainstream- und sozialen Medien« ausgeht und wir demnach »als irdische Gesellschaft nicht bereit für den Erstkontakt« sind. Na dann gute Nacht…

Auch wenn die Schlussfolgerungen des Autors eher düster sind, hat mir der Inhalt einen tieferen Einblick in die sozialpsychologischen Vorgänge ermöglicht, die in Folge eines Erstkontakts ablaufen könnten. Ich habe mehr über die Zusammenhänge im Falle eines Erstkontakts zwischen dem menschlichem Tun und die damit verbundenen Einflüsse auf unser Leben, auf die Weltwirtschaft und auf die Religionen erfahren. Ein interessantes und m. E. lehrreiches Buch.
Hans-Werner Peiniger

 

350 Seiten, geb., ill., Quellenangaben, ISBN 9783440148716, 25,00 €
Franckh Kosmos Verlag
www.kosmos.de
Stuttgart, 2016

 

Quelle: JUFOF Nr. 230, 2/2017: 62 ff