Reinhard Habeck: Überirdische Rätsel

Reinhard Habeck:
Überirdische Rätsel

Entdeckungsreisen zu wundersamen Orten

 

Götterorte in Mitteleuropa?
Viele Leute sind sich gar nicht bewusst, wie viele bizarre und scheinbar unerklärliche Phänomene es in unserer nächsten Umgebung gibt – sowohl bei den archäologischen Überresten wie auch bei den fortianischen Phänomenen, weil im Internet fast immer amerikanische Texte wiedergekäut werden. Da ist an sich schon jedes Buch ein Gewinn, das sich den Mysterien Mitteleuropas widmet.

Ein solches ist auch der neue Band des Wieners Reinhard Habeck, das einen besonderen Fokus aus Österreich legt. Dazu kommt: Habeck kann anschaulich und amüsant erzählen. und – zumindest für mich ein weiteres Plus – er ist frei von der sonst im Genre der präastronautischen Vergangenheitsdeutung grassierenden Polemik gegen die Wissenschaft und die Archäologen.

Da fallen (glücklicherweise nicht allzu oft vorkommende) Strohmannargumente wie »Skeptiker würden sagen« (ja – sagen sie es denn oder nicht, und wenn ja, welcher Skeptiker?) kaum ins Gewicht, weil generell die Ansichten der Archäologie sogar ausführlich und unverfälscht angeführt und Spekulationen oft genug mit dem Hinweis, nun werde spekuliert, eingeleitet werden. (Dass kurzerhand die Wünschelrutenspekulanten Kusch als Experten für unterirdische Anlagen gehandelt werden, ist eigentlich der einzige ganz schlimme Fehltritt.)

Worum geht es?
In sechs Teilen, deren Abgrenzung mir nicht immer ganz klar war (aber es handelt sich hier auch nicht um eine akademische Arbeit) beschäftigt sich Habeck mit Orten, an denen das »Überirdische« (sprich: Maria, Engel, Götter oder Heilige) mit unserer Alltagsgeografie zusammengekommen ist und Spuren hinterlassen hat – von Bildnissen wie den Schwarzen Madonnen zu Fußabdrücken im Stein, aber auch ganz »konventionell« dadurch, dass man das Überirdisch auf Fresken dargestellt oder durch Kapellen und Kirchen verewigt hat.

Einen kleinen Geschmack gibt ein Text, der die Rätsel des Buches exemplarisch auflistet:
• »Kuriose Kirchenkunst: das Raumschiff von Goberling, Heilige Kopfnüsse und das Wurzelkruzifix von Straßengel
• Die Steine der Heiligen: vorislamische Steinkulte und Wundersteine der Christenwelt
• Die Macht der Schwarzen Madonna: Montserrat, Loreto und Wien
• Neapels explosive Idylle: das Höllenreich von Solfatara
• Die geheime Unterwelt von Klosterneuburg
• Österreichische Erscheinungsstätten: Maria Taferl, Maria Bildstein und Maria Absam
• Marienwunder in Ägypten: Spurensuche in Kairo
• Unruhige Knochen: morbide Reliquien und nicht verweste Leichname«

Der erste Teil handelt vor allem von Marienerscheinungen, der zweite von Steinen, die vom Himmel fielen (also heiligen Meteoriten), der dritte von Schwarzen Madonnen, der vierte von unterirdischen Orakeln und Katakomben, der fünfte von Wallfahrtsorten (hier mit Schwerpunkt Österreich), der letzte um eine »Verschwörung« um die Geburtskirche in Bethlehem.

Mich interessierte besonders der Abschnitt über das Blutwunder des St. Januarius in Neapel, das ich selbst einmal bewundern konnte (die Atmosphäre der Anbetung war eine der eindrucksvollsten Stimmungen, die ich je erlebte, deshalb hielt ich mich mit meiner Neugier stark zurück; es gibt in der Nähe übrigens in der Krypta eines Doms der Amalfi-Küste auch eine Schale mit Manna) oder die Geschichten der Loretto-Kapellen (es gibt eine mit schwarzer Madonna in meiner Geburtsregion Ludwigshafen-Oggersheim – und eine in Köln, in dessen Nähe ich jetzt lebe … es ist also von nirgendwo weit zu ähnlichen Wunderorten). Insbesondere faszinierten mich kurze Abschnitte und Fotos des Rasenkreuzes von Eisenberg im Burgenland, das die Jungfrau Maria dort – wie ein UFO eine Landespur – hinterlassen haben soll. Es verliert offenbar mittlerweile an Deutlichkeit.

In seine Diskussion streut Habeck immer wieder ufologische und prä-astronautische Thesen ein, ohne auf ihre Korrektheit zu pochen und zuweilen sogar recht verschmitzt. Selbst beim Spekulieren hält er sich an die Fakten (Ausnahme: Er wiederholt den Unsinn von den Augen der Tilma von Guadalupe, die wie ein Foto den Zeitpunkt ihrer Entstehung festhalte – das ist nur die Körnung des Films, mit dem die Reliquie fotografiert wurde!) und versteigt sich nur selten in sehr zweifelhafte Ideen wie die, Jesus im Mandorla sei eine Darstellung des »Hesekiel-Raumschiffs«. Diese Deutungen halten sich gemeinhin jedoch im Hintergrund – sie tauchen oft genug auf, um spekulativere Leser bei der Stange zu halten, schrecken aber einen kritischeren Leser nicht ab.

Habecks Buch über die heiligen Orte der Welt und insbesondere Österreichs ist, um ein Fazit zu ziehen, eine unterhaltsame und vergnügliche Lektüre, selbst wenn man Habecks prä-astronautischen Deutungen (wie ich) so ganz und gar nicht teilt. »Überirdische Rätsel: Entdeckungsreisen zu wundersamen Orten« ist als kurzweiliger Ausflug in die Welt der Erscheinungen und Wunder wie auch der seltsamen Reliquien aus unserer Vergangenheit durchaus zu empfehlen (wenn natürlich die Lektüre von wissenschaftlichen Abhandlungen zum Thema als Ergänzung ganz nützlich wäre). Das Buch ist reich mit Schwarzweiß- und Farbfotos illustriert.
Ulrich Magin

 

208 Seiten, illustriert, Hardcover, ISBN 978-3854317401, Preis: 19,90 €
Leseprobe
Pichler Verlag
Verlagsgruppe Styria GmbH & Co KG
www.styriabooks.at
Wien, 2016

 

Quelle: JUFOF Nr. 229, 1/2017: 31 f