Hubert Rehm alias Siegfried Bär: Die biologischen Geheimnisse der Alien

Hubert Rehm alias Siegfried Bär:
Die biologischen Geheimnisse der Alien

Die erste wissenschaftliche Abhandlung

 

Vorbemerkung
UFO-Forscher und Aliens. Der Irrglaube ist eben dieser: Wer nach UFOs forscht, wird nicht nur ein Interesse an Extraterrestrischem haben, es müsse sich quasi um das gleiche Thema handeln. An der Identität der Piloten jener als Raumschiffe geltenden Objekte gibt es nun wirklich keinen Zweifel – selbst dann nicht, wenn man UFOs als rein fiktiv erachtet, so sind die Piloten es eben auch. Aber man ist gemeinsam fiktiv und entstammt derselben Themenfamilie. UFOs = Raumschiffe = Außerirdische; das ist für viele die Formel, auch wenn das Akronym UFO bekanntermaßen etwas Anderes aussagt. Josef Allen Hynek hat hierzu die am weitläufigsten anerkannte Definition formuliert. Von Außerirdischen ist darin nicht die Rede – lediglich darauf aufbauend existiert eine Hypothese oder vielmehr eine Idee, die besagt, dass UFOs im engeren Sinn Raumschiffe von anderen Planeten sein könnten. Im Rahmen einer ergebnisoffenen, wissenschaftlichen UFO-Forschung fehlen bislang dafür aber nicht nur die Belege, sondern es stehen auch andere Überlegungen und Fragen im Raum, denen man als UFO-Forscher seine Zeit widmen kann.

Dass die Bedeutung des Akronyms eine Binsenweisheit ist, mag zwar richtig sein – schützt aber auch unter scheinbaren Experten nicht vor undifferenzierter Verquickung beider Themengebiete. Dennoch, es lässt sich selbstverständlich nicht leugnen und auch nicht klar trennen: Da die These, bei den UFOs könne es sich um Besucher aus dem Weltraum handeln, eben die populärste ist, verbinden sich beide Themen unwiderruflich zu einem Themenkomplex, der sich nicht um nüchterne Definitionen kümmert.

So aber ist es zu erklären, dass jemand der nach UFOs forscht oder geforscht hat, angehalten ist, eine Rezension zu verfassen über ein Buch, das sich ausschließlich mit extraterrestrischem Leben befasst. Zudem ist der Rezensent Science- und Fiction-Freund, so dass das vorliegende Buch, welches mir der Autor freundlicherweise übersandt hat, auch dahingehend Würdigung findet.

Ein Abriss darüber, was das Buch nicht ist und was es ist
Der Autor Hubert Rehm schreibt als Siegfried Bär. Einem Eintrag in der Wikipedia entnehme ich, dass Hubert Alfred Rehm ein deutscher Publizist, Autor und Verleger sowie Mitherausgeber des Laborjournals ist. Er studierte Biochemie und Mathematik an der Universität Tübingen – ersteres ist die Grundlage für das zu rezensierende Buch.

Man kann dieses Buch auf zwei Arten beschreiben. Man kann darüber Auskunft geben, was das Buch nicht ist; nämlich eine biologische Abhandlung über die aus dem UFO-Thema bekannten Außerirdischen (etwa Greys, Nordics, Reptiloiden etc.). Tatsächlich wäre eine solche Arbeit interessant für UFO-Forscher die entgegen meinen obigen Ausführungen, der ETH zugeneigt sind, diese vielleicht sogar als Faktum betrachten und darüber hinaus postulieren, dass wir bereits irgendetwas über die Biologie dieser Außerirdischen wissen können. Aber wie erwähnt, genau das ist das Buch nicht. Weder spielen UFOs eine Rolle, noch extraterrestrische Raumschiffe (wenigstens nicht maßgeblich), noch die aus ufologischen Erzählungen stammenden Alien-Wesen. Rehm behandelt also nicht den maximal Fremden, der im Rahmen der UFO-Forschung bislang hypothetisch geblieben ist, sondern ein ganz konkretes Alien.

Dies benennend, lässt sich nun beschreiben, was das Buch stattdessen ist: Der Autor behandelt die xenomorphen Außerirdischen der Alien-Filmreihe. Fiktive Wesen also, deren Biologie er erforscht. Seine Quelle ist dabei die Filmreihe an sich, also die Teile 1–4. Explizit Abstand nimmt Rehm von dem 2012 erschienenen Prequel Prometheus, das er »ein von Däniken inspiriertes, auf Krawall gebürstetes Kinotoppdrama ohne tieferen, geschweige denn wissenschaftlichen Wert« nennt.

»In diesem Buch«, so formuliert der Autor sein Unterfangen selbst, »wird die Biologie und Biochemie dieser sonderbaren Lebewesen analysiert, dargestellt und erklärt, soweit die Filme Rückschlüsse darauf zulassen.« Einzuordnen ist die Monografie irgendwo zwischen phantastischer und zoologischer Literatur, ein durchaus interessanter Mix. Die Idee, der Fantasie entsprungene Lebewesen wie real existierende Wesen zu analysieren, ist sicher faszinierend, wenn auch nicht neu. Insbesondere die Science-Fiction bietet nicht nur ein weites, ja nahezu unerschöpfliches Themenspektrum, sondern auch dankbare Fans und Liebhaber, die sich diesen Themen nur zu gerne widmen. Wird eine Science-Fiction-Erzählung darüber hinaus als ein Medien-Franchise in mehrere Teile oder Episoden aufgeteilt, so erweitert sich mit jedem Teil der Pool an Informationen – allerdings auch die Gefahr der Diskontinuität. Aliens sind jedenfalls früher schon aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet worden [1][2]. Jüngst ist bezüglich der Aliens-Reihe etwa ein ebook der Reihe »Masters of Fiction« erschienen, welches das Universum der xenomorphen Geschöpfe sowie den Einfluss der Filme auf unsere Kultur und Gesellschaft weitgehend beleuchtet [3]. Neben den Filmen an sich geht es in dem recht empfehlenswerten Buch z. B. um eine philosophische Betrachtung des Einflusses der Filmprotagonistin Ellen Ripley auf das Frauenbild in Filmen. In diesem Buch wird übrigens ebenso auf Däniken Bezug genommen, wenn auch detaillierter und zielgerichteter als in dem eher abwertend anmutenden Einwurf von Rehm. Allein die biologische Betrachtung der Alien-Spezies kommt in dem ebook recht kurz, beschränkt sich auf die künstlerische Darstellung durch H.R. Giger. So lässt sich letztlich der Bogen zu den biologischen Geheimnissen der Aliens nach Rehm schlagen; beide Bücher könnten sich ergänzen. Allerdings sind sie vom Stil her dermaßen unterschiedlich, dass dies so zu betrachten äußerst schwerfallen mag.

Bereits im Untertitel des Buches versucht der Autor dem Leser weiszumachen, es handele sich um eine wissenschaftliche Abhandlung, die erste gar zu diesem speziellen Thema. Diesem ausformulierten Anspruch wird das Werk nicht gerecht, aber das will das Buch natürlich auch gar nicht. Abgesehen von der Behauptung des Autors, versucht das Werk im Inneren nicht mal, diesen Anschein aufrecht zu erhalten. Die Schreibweise ist launig, weder in einem streng wissenschaftlichen noch populärwissenschaftlichen Duktus verfasst. Stattdessen begegnet uns viel Ironie. Von der fachlichen Richtigkeit der biologischen Ausflüge gehe ich jedoch aus, auch wenn ich diese nicht im Detail beurteilen kann. Stellenweise sehr humorig, persönlich und dabei leider auch hier und da etwas über die Stränge schlagend.

Die Biologie der Xenomorphen
Der Autor gesteht zunächst ein, dass es »eine Zumutung zu sein [scheint], ein außerirdisches Lebewesen, ein Xenomorph, in Kategorien der irdischen Biologie pressen zu wollen.« Dies ist wohl richtig. Nicht von ungefähr bezeichnet der Soziologe Prof. Dr. Michael Schetsche den hypothetischen Außerirdischen als maximal Fremden, über den sich nichts aussagen lässt, dessen Erkennbarkeit ggf. sogar in Frage gestellt werden muss [4]. Im Gegensatz zu diesem hypothetischen Fremden hat der Autor Hubert Rehm jedoch Zugang zu konkretem, wenn auch fiktivem Material. Aus diesem extrahiert er Gründe, weshalb eine Kategorisierung nach irdischen Maßstäben doch gelingen mag. Einen Grund hat der Autor m. E. aber übersehen: Die Fiktionalität an sich und die daraus zwingend erwachsende anthropozentrische Erschaffung des Aliens durch den Künstler H.R. Giger, die Begrenzung des Denkens in Bezug auf das maximal Fremde. Diese Fiktionalität allein rechtfertigt die Betrachtung des Aliens unter Gesichtspunkten irdischer Biologiesysteme.

Und so geht Hubert Rehm ans Werk. Zunächst identifiziert er die Alien-Spezies als Wirbeltiere und kommt recht schnell zu dem Schluss: die Aliens sind mit den irdischen Waranen verwandt, am ehesten mit dem Komodo-Waran. Dem kann man folgen oder nicht; der Schluss erfolgt recht schnell und vielleicht ein wenig willkürlich, aber wird in sich schlüssig begründet. Wenn auch der Waran Rehms Lieblingskandidat für eine Verwandtschaft mit dem Alien ist, so vergleicht er das extraterrestrische Monster im Buchverlauf punktuell auch mit Insekten oder weiteren Wirbeltieren, z. B. mit Nacktmullen (die Linie zieht der Autor über die Eusozialität der Tiere, um dann jedoch auch einige Organfunktionen direkt mit dem Alien zu vergleichen). Diese Vorgehensweise macht die Willkür deutlich, mit der der Autor aus den Reihen irdischer Fauna die Verdächtigen zieht. Allzu fremdartig erscheinende Eigenschaften oder Körperfunktionen erklärt der Autor mit gleich mehreren Symbionten, die er plötzlich aus dem Hut zaubert.

Nicht wenigen Filmreihen ist zu eigen, dass sie mit fortlaufender Geschichte gewisse Widersprüche, Diskontinuitäten oder Paradoxien aufweisen. Schon unterschiedliche Regisseure oder Budgets können hier viel ausmachen. Dies betrifft auch die Alien-Filme und hier eben auch Eigenschaften der Xenomorphen. Wurde das Alien ursprünglich als äußerst intelligentes Mischwesen (Biomechanoide) konzipiert und im ersten Alien-Film von 1979 mit ungeahnten Fähigkeiten dargestellt, so wandelte sich das Bild: In den späteren Teilen wurden die Aliens dann eher als instinktgesteuerte Raubtiere dargestellt. Wie bei staatenbildenden Insekten gab es nun eine Königin für die Fortpflanzung. Die Aliens werden von dieser gesteuert; im ersten Teil ist von einer Königin jedoch noch keine Spur [5].

Rehm beschreibt, wenn überhaupt, derartige Unterschiede nicht als Paradoxie, sondern flickt sie aneinander und summiert die Eigenschaften letztlich auf oder erklärt sie ohne Belege. So wurde zum Beispiel erst im dritten Teil eingeführt, dass Aliens Eigenschaften ihrer Wirte, in denen sie parasitär heranwachsen, übernehmen können. Für solche unverhofft hinzukommenden Fähigkeiten lassen sich in filmischer Hinsicht gute Erklärungen finden, z. B. die Kreativität der Autoren und die Tendenz, dem Publikum immer neue, spannende Aspekte zeigen zu wollen. Dies ist jedoch nicht die Herangehensweise Rehms: Er nimmt das fiktive Alien-Universum und behandelt es wie eine echte Quelle – aus dieser Perspektive, muss er andere Erklärungen vorstellen. So zum Beispiel in Bezug auf den Rottweiler-Parasiten:

»Der in AIII aus einem Rotweiler geschlüpfte Alien unterscheidet sich zwar von den aus Menschen geschlüpften Kriegern (zum Beispiel in AI), doch liegt das nicht am Rottweiler, sondern an den fehlenden Königin-Hormonen«.

Im Verlauf behandelt der Autor zudem absurd anmutende Fragen, wie nach der kulinarischen Genießbarkeit von Aliens. Am Ende formuliert er offen gebliebene Fragen. Wer weiß, vielleicht bekommt der Autor mit der künftigen Erweiterung der Filmreihe – so er diese Fortführungen als kanonisch anerkennt – weiteres Forschungsmaterial an die Hand.

Einigermaßen unverständlich ist mir geblieben, dass Rehm konsequent die Singular-Schreibweise »Alien« auch dann verwendet, wenn er im Plural spricht. Ich kann mir fast nicht vorstellen, dass es sich um einen Fauxpas handelt, vielmehr wirkt es wie ein bewusster Affront. Leider wurde mir an keiner Stelle deutlich, gegen wen oder was genau sich dieser richten könnte. Die Möglichkeit, dass Rehm dem Irrtum aufgesessen ist, dass es sich bei der Bezeichnung »Alien« um den vergebenen Namen für die außerirdische Spezies und damit um einen Eigennamen handelt, muss verneint werden: Beim Zitieren aus einer YouGov-Umfrage [6] nennt er allgemein intelligentes außerirdisches Leben ebenfalls Alien im Singular. Rehm steht damit allein da: Selbst der Reihe zweiter Teil ist mit »Aliens« im korrekten Plural betitelt. Ich verbuche diese durchgängige Schreibweise im Buch als (leider störendes) Stilmittel.

Über die Biologie hinaus
Zwar arbeitet sich der Autor vorrangig biologiefachlich am Xenomorphen ab, aber darüber hinaus macht er auch Ausschweifungen, die uns das Umfeld, in welchem die Filme spielen näherbringen sollen. So wirft er einen Blick auf die medizinischen Probleme der Zukunft, in der das Alien-Universum angesiedelt ist, lässt sich über Rottweiler aus (da im Film ein solcher vorkommt) und analysiert den Kryo-Schlaf der Raumschiffmannschaft sowie künftige Beerdigungsriten. Die Quelle ist auch hier die Filmreihe. Ausschweifungen und Einlassungen durchziehen hier und da das komplette Skript; mal interessant, mal überflüssig, mal gar abstoßend. Die Erläuterung des Autors zum Thema Altruismus etwa gipfelt leider in einem völlig unnötigen Kommentar zum Thema Flüchtlingshilfe. Es schickt sich sicher nicht, aus nur wenigen Absätzen auf das politische Weltbild des Autors zu schließen, aber es ließ mich zumindest schlucken – ganz abgesehen davon, dass ich diese Hinleitung als fehlplatziert und stark konstruiert empfand. Und leider ist es nicht der einzige gruselige Kommentar dieser Art, gegen »Gutmenschen « scheint Rehm eine gewisse Aversion zu haben.

Gestaltung als verpasste Chance
Der Autor hat komplett darauf verzichtet, dem Buch ein ansprechendes Layout zu spendieren. Das Buchcover ist in schlichtem Schwarz gehalten, schmuck- und bildlos. Schade, denn es bietet sich thematisch geradezu an, mit selbst beschrifteten Anatomiebildern seine Thesen zu verdeutlichen oder die humoristische Seite mit Cartoons zu unterstreichen; ganz abgesehen von der Bebilderung von Filmszenen. Vielleicht aus lizenzrechtlichen Gründen hat der Autor auf Alien-Bildmaterial verzichtet, aber ein paar Fotos oder Zeichnungen hätten dem Werk sehr gut getan. So bestätigt das Buch leider die (oftmals unberechtigten) Vorbehalte gegenüber Selbstverlegern. Dazu kommt: Das mit Paperback-Klebebindung veröffentlichte Buch hat eine von diesen Laminierungen, bei deren Verwendung sich der Umschlag zu biegen beginnt; für Buchliebhaber ein Gräuel.

Fazit
Die Idee, die mutmaßliche Biologie (und mehr) der fiktiven Aliens anhand des vorhandenen Filmmaterials zu analysieren, ist nicht schlecht. Der Schreibstil gibt vor, dass das Buch mehr Unterhaltung als ernsthafte Beschäftigung mit dem Thema ist. Lässt man sich auf diese Sichtweise ein, so kann man sich ob der launigen Schreibe durchaus unterhalten fühlen. Ich selbst bemerkte jedoch beim fortschreitenden Lesen gewisse Abnutzungserscheinungen. Aufgrund des nicht immer gelungenen Spagats zwischen der Ausdrucksweise (vor allem mit den manchmal unappetitlichen Einlassungen und Spitzen) und den biologischen Erläuterungen auf der anderen Seite konnte ich dem Buch leider weniger abgewinnen, als ich gewollt hätte. Ferner hätte es dem Buch, dem Verständnis und dem optischen Genuss gutgetan, Bildmaterial und Zeichnungen beizufügen – etwas, das mir wirklich sehr gefehlt hat. So bleibt ein ambivalentes Gefühl zurück: Die Zuneigung zur Idee an sich reicht für eine Empfehlung leider nicht aus.
T.A. Günter

 

202 Seiten, broschiert, ISBN 978-3741823244, 13,99 €
Selbstverlag / epubli
www.epubli.de
Berlin, 2016

 

Anmerkungen
[1] Cuntz, Vera: Kalkulierter Schrecken – Standardsituationen in der Alien-Filmreihe. Gardez!, Remscheid, 2007.
[2] Döring, Lutz: Erweckung zum Tod – Eine kritische Untersuchung zu Funktionsweise, Ideologie und Metaphysik der Horror- und Science-Fiction Filme Alien 1–4. Königshausen & Neumann, Würzburg, 2006.
[3] Albrecht, Elias; Zerm, Eric: Masters of Fiction: World of Alien. Von Menschen, Königin und Xenomorphs. In Farbe und Bunt Verlag, Mülheim an der Ruhr, 2015.
[4] Schetsche, Michael (Hrsg.): Der maximal Fremde. Begegnungen mit dem Nichtmenschlichen und die Grenzen des Verstehens. ERGON Verlag, 2004.
[5] Ein herzlicher Dank geht an Danny Ammon für den Hinweis auf die konzeptionellen Unterschiede der Aliens im Verlauf der Filmreihe.
[6] Der Autor selbst ist leider sehr sparsam mit Quellenangaben. Daher reicht der Rezensent den Link zur besagten Umfrage von 2015 nach: https://yougov.de/news/2015/09/23/mehrheit-glaubt-ausserirdisches-leben.

 

Quelle: JUFOF Nr. 227, 5/2016: 154 ff