Jörg Dendl: Wunder am Himmel

Jörg Dendl:
Wunder am Himmel

 

Bei diesem E-Book handelt es sich um die dritte, erweiterte Auflage eines bereits in verschiedenen Versionen erschienenen Textes des Historikers Jörg Dendl. In dem knapp 60 Textseiten umfassenden Band geht es um vorgebliche und möglicherweise echte UFOs in der Antike. Dazu untersucht Dendl hauptsächlich die die Aufzeichnungen der Lateinisch schreibenden Historiker und Enzyklopädisten Livius, Julius Obsequens (dessen frühester überlieferter Text ist allerdings eine Bearbeitung aus dem Jahre 1508), C. Plinius Secundus, die Naturales quaestiones des Lucius Annaeus Seneca (als gut lesbares Reclam-Heft leicht erhältlich und absolut lesenswert), Johannes Lydus, Flavius Josephus und Theophanes Confessor. Es fehlen also im Großen und Ganzen die Griechen (obwohl Byzanz erfasst ist) wie auch UFO-artige Schilderungen in Romanen. Der Zeitraum, in dem die besprochenen Himmelswunder stattfanden, reicht (mit kleineren Ausnahmen) von 218 v. Chr. bis zum Jahr 76 v. Chr. und der erfasste klassische Texttyp ist – mit Ausnahme der naturwissenschaftlichen Schriften – der der Berichte über omina und prodigia, die ja für das Römische Reich von außerordentlicher Wichtigkeit waren.

Nun ist dieser Boden von der Prä-Astronautik bereits reich beackert worden. Dendl referiert demnach die Forschungsgeschichte von Jessup über Vallee, Kolosimo, Keel etc., unter besonderem Verweis auf die vielleicht wichtigste Arbeit, das poetische Gods and Spacemen in Greece and Rome des englischen Prä-Astronautikers W. Raymond Drake, das er entsprechend würdigt. Seltsamerweise vermisst man jede Rezeption von Vallee und Aubecks Wonders in the Sky, das ja ebenfalls umfänglich auf vorgeblich authentische antike Untertassen eingeht und das an dieser Stelle zumindest Erwähnung finden müsste. Danach geht es um wissenschaftlich arbeiten zu »antiken UFOs«, obwohl ich mir sicher bin, dass es dazu mehr Aufsätze gibt, als Dendl referiert. In einem ersten Fazit stellt Dendl mit eingehender Begründung fest, dass die grenzwissenschaftliche wie wissenschaftliche Untersuchung des Themas bislang mangelhaft gewesen ist.

Es folgt eine ausführliche Beschäftigung mit Einzelaspekten der antiken »Untertassen-Berichte«. Das ist gar nicht so einfach, denn bei den meisten dieser Berichte handelt es sich ja um äußerst knappe Beschreibungen, die selten länger sind als ein einziger Satz. Zuerst geht Dendl auf jene Meldungen ein, für die es mögliche natürliche Stimuli gibt. Dann folgt ein Abschnitt über die »Himmelsschlacht als Omen«, der vom Kampf von Lanzen und anderen Waffen im Himmel gegeneinander berichtet (ich hatte das bislang für ein rein jüdisch-christliches Motiv gehalten, die klassischen Berichte enthalten jedoch auch wenig Hinweise auf Soldaten am Himmel).

Im Anschluss geht es um »echte« Untertassen: »Clipei – Die ‚Fliegenden Untertassen‘ der Antike«. Dendl hält die Berichte über fliegende und brennende, den Himmel überquerende Rundschilde für echte Unidentifizierte und vergleicht die Texte mit den Fotos des Rudi-Nagora-UFOs (das, anders als er glaubt, durchaus in der Kritik steht). Mir ähneln diese Schilde, die oft zusammen mit »brennenden Säulen und Himmelsbildern« assoziiert sind, allzu sehr den Beschreibungen von Nordlichterscheinungen der frühen Neuzeit (ohne dass das Beweiskraft hat), für Dendl jedenfalls sind es reale UFOs: »Damit sind zahlreiche Punkte gefunden, die an einen engen Zusammenhang zwischen den Sichtungen des 20. Jahrhunderts und denen der römischen Antike aufzeigen.« Die acht Himmelserscheinungen, die dazu gehören, führt Dendl im Anschluss in einer Tabelle mit antikem und modernem Ortsnamen und Datum an.

Ein Exkurs behandelt den »Satelliten des Pertinax«, den die beiden italienischen Sensationsautoren Roberto Pinotti und Peter Kolosimo auf einer römischen Münze entdeckt haben wollen. Dendl führt zusätzliche, besser erhaltene Prägungen auf und stellt klar, dass dieser »künstliche Satellit« ein einfacher Stern war und zum konventionellen Bildprogramm römischer Münzen gehört.

Nach den einfachen UFO-Sichtungen folgen nahe Begegnungen in der lateinischen Literatur. Zuerst geht Dendl auf »Begegnungen der zweiten Art in der Antike« ein, wobei aber weniger Wechselwirkungen, sondern Landungen und Abflüge von Kugeln erfasst sind (etwa der faszinierende Bericht aus Spoletium), dann folgt ein kurzer Abschnitt über das fortianische Phänomen von Dingen, die vom Himmel fallen, hier allerdings eingegrenzt auf technikaffine Meldungen wie Silberregen. Besonderes Augenmerk widmet er den vom Himmel gefallenen Metallschildern des Numa, einer Sage, die aber oft berichtet wurde. Diese Ancilia werden von drei römischen Reliefs abgebildet, es »zeigen aber alle drei Darstellungen keinerlei Details, die zu der berechtigten Annahme Anlass geben würden, es handele sich um extraterrestrische Artefakte.« Dendl geht auf die vom Himmel gefallenen Artefakte ein, die anderswo als heilig verehrt wurden, und erwähnt auch Julian den Apostaten, nicht aber die UFO-Welle, die sich zu seiner Zeit ereignete, als er den Tempel in Jerusalem neu errichten wollte. [1]

Mit »Altar und Gestalten – eine Begegnung der III. Art« widmet sich Dendl den Humanoidenberichten, er führt aber aus der großen Zahl der verbürgten Götterkontakte nur den Altar mit weißgekleideten Gestalten an, der über Hadria (richtig mit heute Atri, nicht Adria, wie sonst in der prä-astronautischen Literatur falsch angegeben) erschien, und den er mit dem mit dem Gill-Fall aus Papua-Neuguinea vergleicht. Mich erinnert auch dieser Bericht stark an die Nordlichtbeschreibungen als feurige Säulen mit flankierenden Gestalten aus den Flugschriften des 16. Jahrhunderts.

Mit dem sensationellen Fall aus Atri schließt Dendl seine Betrachtung. Er kommt zu dem Fazit: »Wie gezeigt wurde, entsprechen die überlieferten antiken Sichtungsberichte weitestgehend den modernen. Auch in ihnen zeigt sich die Tendenz, dass das Berichtete umso unglaublicher wird, je mehr der Mensch und seine engste Umwelt in die Vorkommnisse verwickelt werden. Dies zeigen die angeführten Fälle des ›Altars‹ von Hadria, der aufsteigende ‚Feuerball‘ von Spoletium und der vom Himmel gefallene Schild des Numa. Bei den einfachen Sichtungsberichten über sich am Himmel bewegende Lichter sind die Beobachtungen ohne weiteres nachvollziehbar, dagegen sind die Berichte über vom Himmel gefallene Artefakte eher sagenhaft. Dabei ist für die Antike der Umstand zu bedenken, dass ein auf uns sagenhaft wirkender Bericht auch tatsächlich aus der Sage herstammen kann, ohne dass ein wirkliches Ereignis dahintersteht. Die betrachteten historischen Berichte haben ansonsten den gleichen Charakter wie die modernen Berichte. Es ist für die historischen wie für die modernen Berichte festzuhalten, dass die Ufologie, und damit auch die Präastronautik, nicht Sichtungen auswertet, sondern Sichtungsberichte.« Bei jenen antiken Sichtungen, die konventionell nicht geklärt werden können, »liegt der Gedanke nahe, dass jede Art von Fluggerät, […] außerirdischen Ursprungs gewesen sein kann.«

Selbst wenn man diese Schlussfolgerung nicht teilt, so muss man Dendls Arbeit dennoch uneingeschränkt empfehlen. Statt aus dritter Hand abzuschreiben, führt er die Originalberichte in Latein an, er wägt ab, urteilt vorsichtig, schießt nicht aus der Hüfte und kennt sein Metier. Das Werk ist auf jeden Fall ein Gewinn für die UFO-Forschung, und ich wünsche ihm eine große Verbreitung.

[1] Moore, Steve: Jerusalem’s Fireballs. Fortean Times 48, Spring 1987, S. 57–59. Moore zitiert Ammianus Marcellinus und Gregor von Nazianz.
Ulrich Magin

 

90 Seiten, ISBN 978-3-7427-9839-8, 2,99 €
neobooks
www.neobooks.com
Berlin, 2017

 

Quelle: JUFOF Nr. 229, 1/2017: 27 ff