Ein Verteilungsmodell für habitable Planeten
Im jufof Nr. 227, 5-2016, rezensierte ich das erste Buch der beiden Autoren »Die Alien-Hypothese«. Sie gingen der Frage nach, ob das UFO-Phänomen real ist und welche Konsequenzen und Interpretationen sich aus den Berichten zu UFO-Sichtungen ergeben. Dabei sind sie mit einer Wahrscheinlichkeitsbetrachtung und -berechnung zu dem Ergebnis gekommen, dass es in unserer Galaxie geradezu von Leben wimmelt.
Klaus Piontzik ist Ingenieur der Elektrotechnik und Mathematiker, Dr. Claude Bärtels Biochemiker und Biophysiker. Letztes Jahr erschien ihr Folgeband, indem sie einen Schritt weitergehen und beschäftigen sich mit dem Sinn oder Nichtsinn der Suche nach außerirdische Zivilisationen im Rahmen des Projekts SETI, mit dem Fermi-Paradoxon und mit der Suche nach der »zweiten Erde«.
Dabei wenden Sie ein Verfahren an, das in der Mathematik als »axiomatische Vorgehensweise« bezeichnet wird. Sie zwingt die Autoren dazu, Voraussetzungen für die weiteren Berechnungen eindeutig zu formulieren und vermeiden damit das Einschleichen von »versteckten Prämissen«. Sie weisen vorab darauf hin, »dass es sich bei der folgenden Abhandlung nicht um eine exakte Berechnungsmethode zur Bestimmung der Anzahl extraterrestrischer Zivilisationen handelt, sondern um eine Größenabschätzung mittels statistischer Methoden, auf Grundlage von möglichst gesicherten bzw. empirischen Daten«.
In ihrer Arbeit stellen sie eine umfängliche und geschlossene Arbeitshypothese vor, in der die wahrscheinliche Verteilung von Planeten in einer habitalen Zone, von Leben in unserer Galaxie, von intelligentem Leben und von technischen Zivilisationen beziffert wird.
Berechnungsgrundlage sind neben bekannten astronomischen Kenntnissen, z. B. Daten des Kepler-Satelliten, aber auch die Entdeckungen von Exo-Planeten.
Aus dem Gesamtdatenmaterial werden bestimmte Aussagen getroffen und in »Sätzen« formuliert. Diese »Sätze« und Axiome werden in einer Gesamtdarstellung der gegebenen Situation zusammengeführt und daraus eine Arbeitshypothese gebildet.
Ich habe mir wirklich die Mühe gemacht, das ganze sehr formellastige und daher wenig spannende Buch durchzulesen. Das war aber auch erforderlich, um den Berechnungen halbwegs folgen zu können.
Man muss wirklich deutlich darauf hinweisen, dass die Wahrscheinlichkeitsberechnungen nicht in Stein gemeißelte Endergebnisse beinhalten. Es gibt viele Unwägbarkeiten, die die zur Berechnung erforderlichen Faktoren ändern können.
Die Autoren räumen selbst ein, »dass sich alle Wahrscheinlichkeitsfaktoren für die Verteilung von Planeten, Leben, Intelligenz und Zivilisation innerhalb der nächsten zwei Jahrhunderte hinreichend genau ermitteln lassen werden«, nämlich dann, wenn wir selbst in vielleicht 100 bis 200 Jahren interstellare Raumfahrt betreiben und die Verteilung selbst überprüfen können.
In einer Berechnung kommen sie zu dem Ergebnis, dass 1 bis 12 alte technologische Zivilisationen in unserer Galaxie existieren, die interstellare Raumfahrt betreiben. Und das bedeutet, so die Autoren, dass sie »die Menschheit schon seit Anbeginn ihrer Entwicklung besucht und kontaktiert haben könnten. Wie es scheint haben sie dabei auch eine Reihe von Spuren bei den Menschen (z.B. Höhlenmalereien) hinterlassen.«
Im Rahmen der Verteilungsberechnungen von Zivilisationen werden die veraltete Drake’sche Formel und die von Sara Saeger korrigiert und erweitert. Im korrigierten speziellen Grundmodell nach Drake müssen wir mit 49 bis 442 sonnenähnlichen Sternensystemen in der Galaxie rechnen, die eine »Erde 2« in habitabler Zone besitzen, auf der eine intelligente Spezies beheimatet ist. Nach der von Seager sind es sogar 77 bis 742 Systeme. Für technologische Zivilisationen sieht die Wahrscheinlichkeit auch nicht schlecht aus, hier sind es immerhin 6 bis 94. Ein weiteres Ergebnis weist auf 6 bis 82 raumfahrende Zivilisationen hin, die auf einer »Erde 2« in unserer Galaxie existieren.
In ihrem Fazit kommen die Autoren zu dem Schluss, dass »trotz kleiner Ausgangswahrscheinlichkeiten, doch gute Chancen für die Existenz von Leben, Intelligenz und Zivilisation« in unserer Galaxie bestehen. Nach Piontzik und Bärtels »ergibt sich damit in der Konsequenz: Es ist eher unwahrscheinlich das wir allein in der Galaxie sind. Es ist wahrscheinlicher das wir nicht alleine sind.«
In einer Nachbetrachtung des Projekts SETI stellen die Autoren fest, dass in den nächsten Jahrzehnten nicht damit zu rechnen ist, Signale von anderen Zivilisationen zu empfangen. Zudem sei »eine Kommunikation mit anderen Zivilisationen wegen der langen Zeiträume bei der Übertragung, nahezu unwahrscheinlich.«
In der zweiseitigen Betrachtung des immer wieder zitierten Fermi-Paradoxon finden sie ein schnelles Ergebnis: »Das Fermi-Paradoxon ist überholt und kann entfallen.«
Das Buch ist etwas für Spezialisten und für Personen, die eine sehr hohe Affinität und große Aufgeschlossenheit gegenüber diesem mathematischen Verfahren haben. Aber auch Interessierte, die mal über den Tellerrand der Drake’schen Formel schauen wollen finden hier ein dezidierteres Modell, mit dem sich die wahrscheinliche Verteilung außerirdischer Zivilisationen in unserer Galaxie beziffern lässt.
Hans-Werner Peiniger ∗ ∗ ∗ ∗ ∗
Ein Großteil des Buches lässt sich hier einsehen:
176 Seiten, broschiert, illustriert, ISBN 978-3752812299, Preis: 22,00 €
Books on Demand
www.bod.de
Norderstedt, 2018
Quelle: JUFOF Nr. 244, 4/2019: 119 ff
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