Mark O’Connell: The Close Encounters Man

Mark O’Connell:
The Close Encounters Man
How One Man Made the World Believe in UFOs

J. Allen Hynek muss man in einem Heft wie dem Jufof nicht mehr vorstellen – sollte man meinen. Dennoch ist der Hynek, den dieses Buch zeigt, in manchen Teilen kaum bekannt – als Mitarbeiter beim ersten amerikanischen Satellitenprogramm, bei der Erklärung der Szintillation der Sterne, bei der Vorbereitung der Mondlandung, als Anthroposoph und Rosenkreuzer. Nur dass er – wie O’Connell behauptet, der Vater des Crowdfunding sei, weil er Laien bei astronomischen Projekten zur Mitarbeit ermutigte, geht wohl etwas weit.

Und obwohl Hyneks Leben so faszinierend (und zur selben Zeit akademisch „langweilig“) war, liegt Mark O’Connells Schwerpunkt in seiner Biografie eindeutig auf Hynek dem UFO-Forscher. In kaum 30 Seiten ziehen Kindheit, Jugend, sein Interesse an Rudolf Steiners Anthroposophie und die frühen Mannesjahre an uns vorüber – die böhmische Herkunft, der Tod von zuerst Vater, dann Mutter, der Hynek im Alter von 18 Jahren als Vollwaisen zurücklässt, das Astronomiestudium und das frühe Interesse an Leben im All (konkret: auf dem Mars).

Schon früh an diesen spekulativen Fragen, aber auch an Anthroposophie interessiert, widmet sich Hynek nach Abschluss seines Astronomiestudiums der Lehre, er popularisiert in Tageszeitungen die Astronomie, wird dann im Laufe der amerikanischen Kriegsbemühungen im Zweiten Weltkrieg zur Waffenentwicklung rekrutiert. Er ist daher den Militärs bereits bekannt und ohne Sicherheitsbedenken, als 1947 die „fliegenden Untertassen“ und damit ein Problem für die amerikanischen Streitkräfte auftreten. Rasch wird Hynek als bekannter und kompetenter Astronom zur Sichtung des Materials herangezogen, um mögliche astronomische Stimuli auszusortieren. Es überrascht, dass private Aufzeichnungen verraten, dass sich Hynek bereits 1952 von der Realität der UFOs überzeugt zeigte – und das trotz der Tatsache, dass Hynek noch Ende der 1960er in Pro-UFO-Büchern als Teil der bösen Regierungsverschwörung zur Geheimhaltung der UFO-Realität beschrieben wurde (etwa von Frank Edwards in UFOs Here and Now).

Das Militär bedient sich Hyneks Kompetenz aber nicht nur bei den Untertassen: 1954 fliegt er in den Iran, um die Beobachtung einer Sonnenfinsternis vorzubereiten (es ging dabei darum, die Kenntnisse zur Erdkrümmung zu optimieren), der Zusammenprall zwischen technischer amerikanischer und gastfreundlich-morgenländischer Kultur liest sich recht vergnüglich.

Hynek wird auch einer der Mitarchitekten des ersten US-Satellitenprogramms (gemeinsam übrigens mit Donald Menzel), für das er seine späteren UFO-Forschungskollegen Bud Ledwith und Walter Webb rekrutiert. Der Sputnik-Schock, als die Sowjetunion der Vereinigten Staaten zuvorkommt, trifft auch ihn hart.

Er widmet sich fortan der Lehre der Astronomie an verschiedenen Universitäten. Einer seiner Studenten an der Northwestern, dann enger Mitarbeiter bei der UFO-Forschung, ist der Franzose Jacques Vallee (O’Connell schreibt ihn amerikanisch, ohne Akzent). Beide versuchen auf verschiedenen Wegen, die Blue-Book-Archivalien der Forschung nutzbar zu machen. Der Streit mit McDonald wird geschildert, bei dem McDonald Hynek Feigheit vorwirft, weil dieser die Luftwaffe nicht aggressiv angreift. Hynek hat auf seine Weise gearbeitet: O’Connell meint, Hynek habe zeitweise fast alle wichtigen Akten des Air-Force-Projekts bei sich zu Hause gehortet!

O’Connell streift die wichtigsten Sichtungen, mit denen sich Hynek befasste: Arnold – Chiles-Whitted – Bismarck – Levelland – Gill, Papua Neuguinea – Hill – Zamora – Dexter, Michigan (das „swamp gas“-Fiasko, bei dem O’Connell Hynek von jedem Fehlverhalten freispricht, und bei dem sich Hyneks Aussagen und die von Blue Book unversöhnlich gegenüberstehen) – und dann das Ende von Blue Book und das Forschungsunternehmen der Universty of Colorado.

Nach Einstellung des Projekts Blue Book fühlt sich Hynek jedenfalls – man hört förmlich, wie er aufatmet – vom UFO-Korsett befreit, er beschäftigt er sich nun mit paranormalen Themen wie den Gedankenfotografien von Ted Serios oder den außerkörperlichen Erfahrungen von Robert Monroe. Hier scheint sich eine größere Diskrepanz zu Vallee aufgetan zu haben, den man gemeinhin als den spekulativeren Autor der beiden wahrnimmt: Vallee – obwohl selbst überzeugter Rosenkreuzer – sieht Hyneks neuerwachtes Interesse an „Esoterik“ durchweg skeptisch, er hält Serios für einen Trickkünstler und wirft Hynek vor, dass er auf ihn hereinfällt. Hyneks Kommentar ist uns aus anderen Zusammenhängen vertraut: Nur weil Zauberkünstler all das, was Serios tut, mit Leichtigkeit nachahmen können, bedeutet noch lange nicht, dass Serios trickst.

Wir erleben Hyneks ufologisches Coming-out mit The UFO Experience, neben Hendrys UFO Handbook das einzige naturwissenschaftliche Fachbuch zum Thema, streifen mit der Forschung des Astronomen nach Novae dann wieder kurz den konventionell-akademischen Hynek, gehen dann zur Gründung von CUFOS über, erfahren von dem zweiten Hynek-Buch The Edge of Reality (gemeinsam mit Vallee), es folgen die Fälle Pascagoula, der Coyne-Helikopterfall, die Travis-Walton-Entführung (als Schwindel oder zumindest sehr fraglich dargestellt) – der Val-Johnson-Fall, 1979, aus Arizona.

Ein längerer Abschnitt widmet sich – natürlich – dem Film, der Hynek und seine Forschungen wirklich weltberühmt machte, Steven Spielbergs Epos Close Encounters. Kurioserweise entsteht der Kontakt zu Spielberg erst, nachdem Hynek in der Zeitung von dem Projekt liest, der erste Kontakt ist also rein kommerziell und es geht um Nutzungs- und Namensrechte. Beide freunden sich dann doch an (es wird hier erneut aufgeräumt mit der oft kolportierten, aber falschen Behauptung, dass das Vorbild des Charakters Claude Lacombe Jacques Vallee gewesen sei – es war zweifelsohne und nachweislich der GEPAN-Leiter Claude Poher).

O’Connell schildert, wie es nach dem Film zu einer UFO-Welle kommt, die Fälle Cash/Landrum und Hudson Valley werden kurz angesprochen – und, ganz richtig in den 1980ern platziert, Roswell – schließlich Hessdalen. Ein langes Kapitel handelt von dem Streit zwischen Carl Sagan und Hynek – ein sehr unangenehmes und extrem polemisches Kapitel voller Unterstellungen. Sicherlich stimmt aber, dass Sagan fühlte, dass ein weiterer spekulativer Bereich der Astronomie neben SETI, nämlich eine naturwissenschaftliche UFO-Forschung, mit ihm in Wettbewerb um Fördergelder geriete.

Wir begleiten Hynek bei seiner Pensionierung 1978, bei seinem Umzug 1984 nach Phoenix, Arizona, der dortigen Gründung des ICUFOR, das durch einen britischen Millionär finanziert wird. Hynek leiht dem Verein sein Gesicht, führt es als Außenstelle des CUFOS in Chicago, findet aber bald heraus, dass nicht seriöse Forschung, sondern Vermarktung das Ziel ist, und distanziert sich kurze Zeit darauf.

1984 wird bei ihm Krebst diagnostiziert, später ein Gehirntumor. Vallee erzählt, dass Hynek dann fahrig und diffus wurde. Schließlich stirbt er, nicht ohne noch einmal den Kometen Halley gesehen zu habe, der zu seiner Geburt am Himmel erstrahlte – und in seinem Todesjahr. Hynek wird nach den rituellen Vorgaben der Rosenkreuzer bestattet.

In O’Connells Biografie lernen wir also neben Hynek dem UFO-Forscher und Hynek dem Astronomen wir auch Hynek, den Anthroposophen und Rosenkreuzer kennen, der – streng antireligiös in seinem Weltbild – dennoch einen übergeordneten Sinn im Leben ersehnt und sucht. Vielleicht war das einer der Gründe für seine Beschäftigung mit den UFOs.

Wie bedeutsam Hynek für die Astronomie und Weltraumfahrt des 20. Jahrhunderts gewesen ist, war mir vor der Lektüre der Biografie nicht klar. Ich hätte deshalb gern mehr über Hynek, den prominenten Astronomen gelesen, sowohl in seinem Fach als Autor zahlreicher Artikel in Science und Nature als auch als Vermittler astronomischen Wissens in Fernsehsendungen. Doch dazu, wie auch zu Hyneks Psyche als früher Vollwaise, begabter Student, früher und populärer Wissenschaftsautor, erfahren wir nichts. Der Schwerpunkt des Buches liegt eindeutig auf UFOs. Nicht einmal auf Hynek, sondern auf UFOs.

Es ist dabei zudem ein typisches Pro-UFO-Buch: Sichtungen werden dramatisiert und mit belletristischen Mitteln geschildert, und zwar als objektive Ereignisse, nicht als Erfahrungen des Zeugen, wie von Hynek gefordert. Und obwohl sich das Buch fast ausschließlich Hynek dem UFO-Forscher widmet, erfahren wir kaum, was er selbst über UFOs dachte und welche Entwicklungen sein Denken nahm – wir lernen mehr darüber aus Hyneks vier Bücher The UFO Experience, Hynek UFO Report und – mit Jacques Vallée, The Edge of Reality und – mit mehreren Ko-Autoren – Night Seige.

Nachdem ich ein Buch gelesen, mein Urteil gebildet und eine Besprechung verfasst habe, schaue ich gern nach, was andere denken. Bei Amazon haben jene, die an UFOs als physikalische Objekte glauben, dem Buch fünf Sterne gegeben, UFO-Skeptiker weniger als fünf Sterne. Sie haben also nicht das Buch beurteilt, sondern das, was es über UFOs sagt. Das reflektiert eine Schwäche des Buchs – es handelt zwar auch von Hynek, ist aber hauptsächlich ein Buch, das UFOs als legitimes, vermutlich außerirdisches Phänomen beweisen will. Das wird Hynek, der ja stets betonte, dass die Wissenschaft von heute sich nicht mit UFOs, sondern ausschließlich mit UFO-Erfahrungen beschäftigt, kaum gerecht.

Eine zweite Schwäche ist die übergroße Selektivität des Buchs. Es scheint fast so, als habe Hynek im Alleingang gehandelt, als gäbe es keine UFO-Forschungsszene oder Subkultur. Im Buch fehlen Namen wie Keel (der im langjährigen ideologischen Streit mit Hynek und Vallée lag) völlig, wir lesen nichts von der Flying Saucer Review etc. Die Hudson-Valley-Sichtungen, immerhin Thema von Hyneks letztem Buch, werden nur in einem Nebensatz erwähnt. Die gesetzten Schwerpunkte sind also die Schwerpunkte des Biografen, nicht die von Hynek. Es fehlen Hendry (eine Erwähnung), Fort und viele andere Namen, die bei Hynek selbst auftauchen.

Trotz dieser Einwände, die keine geringen sind, würde ich dem Buch bei Amazon derzeit fünf Sterne geben, weil es eine große Lücke schließt – und seine Lektüre wirklich empfehlen. Deshalb – bis ein besseres oder ausgewogeneres folgt – ist es absolut lesenswert.
Ulrich Magin

416 Seiten, Paperback, ill., ISBN-13: 978-0062484178, Preis: 11,99 €

Dey Street Books
www.harpercollins.com
New York, NY, Juni 2017

Quelle: JUFOF Nr. 233, 5/2017: 155 ff
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