Rätselhafte Funde versunkener Welten
In seinem neuen Buch präsentiert der österreichische Autor Reinhard Habeck in acht größeren Kapiteln »kuriose« und »unerklärliche« Museumsstücke, die vor allem aus dem Alpenraum stammen. Im Mittelpunkt stehen dabei nicht ausschließlich prä-astronautische Funde, sondern auch Exponate, die einfach nur ungewöhnlich sind. Besonders angenehm finde ich, dass Habeck unter allen Autoren prä-astronautischer Ausrichtung fast der einzige ist, der die konventionelle wissenschaftliche Deutung der Funde korrekt darstellt und nicht habituell in Wissenschaftshetze verfällt. Das macht seine letzten Bücher zumindest für mich sehr lesbar, vergleicht man seine Titel mit thematisch ähnlichen Büchern.
Das erste Kapitel dreht sich um den Löwenmenschen der Schwäbischen Alb. Es handelt sich um eine der Höhle Hohlenstein-Stadel im Lonetal ausgegrabene, 35.000 bis 41.000 Jahre alte Skulptur aus Mammut-Elfenbein, die ein Mischwesen aus Mensch und Löwe zeigt. Die Fundumstände sind sensationell, ständig werden bei Grabungen neue Splitter entdeckt. Habeck geht natürlich auf Mischwesen anderer Traditionen ein, versteift sich aber nicht auf die Genmanipulationsthese. Diese ältesten Kunstwerke der Menschheit sind auch ohne jedes sensationelle Beiwerk – sensationell!
Das zweite Kapitel überraschte mich. Es handelt vom »Würfel von Salzburg« bzw. vom Eisen von Wolfsegg. Habeck muss das Thema parallel zu mir recherchiert haben – und kommt übrigens zum selben Ergebnis wie ich (siehe meinen Beitrag im jufof Nr. 225, 3-2016). Dass er unter den Autoren, die ungeprüft die falsche Mär vom perfekten Würfel verbreiteten, Erich von Däniken auslässt (der den »Würfel« in Aussaat und Kosmos darstellt), sei nur kurz angemerkt.
Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit den »vorzeitlichen Astronauten« auf den Felsbildern vom Val Camonica und den Felsbildern am Monte Bego in den französischen Seealpen. Ich komme nach wie vor nicht dahinter, wie man in Menschen mit Kreis um den Kopf oder Geweihstangen am an der Stirn Astronauten sieht, aber vielleicht bin ich einfach mit Astronautenblindheit geschlagen … Bei den »Heiligenscheinen« ist ja eine esoterische Deutung möglich, etwa als Aura, und wohl auch wahrscheinlicher. Es gab ja nie einen Astronauten auf der Welt, der geweihartige Antennen auf dem Kopf trug. Däniken hatte, wie Kolosimo, von dem er diese Deutung Val Camonicas übernahm, TV-Antennen als letzten Schrei kennengelernt. Dass heute noch jemand in diese Richtung deutet, verblüfft mich. Vielleicht sind Prä-Astronautiker schon Nostalgiker, die sich gedanklich in Vorinternet-Zeiten flüchten. Dennoch stimmt der archäologische Teil des Kapitels, wir erfahren viel über die andauernde Entdeckungsgeschichte der Felsbilder, die vorgeschichtliche Landkarte usw.
Prä-astronautisch wird es auch im nächsten Abschnitt, wo es um die Deutung ägyptischer Tempelreliefs als Glühbirnen geht. Auch diese Deutung überzeugt mich nicht, und auch die Beharrlichkeit, mit der die Bagdadbatterie auftaucht, verwundert, ist doch längst geklärt, dass es keine Batterie war. Man hat Dutzende Tonkrüge mit Fluchformeln gefunden, und wenn die Fluchformel auf Papier geschrieben war, konnte das »Gerät« natürlich nie als Batterie dienen. Nur ein oder zwei Funde wiesen Fluchtäfelchen aus Metall auf, und um diese Ausnahmen dreht sich der ganze Hokuspokus (siehe, u. a. E. Paszthory: Stromerzeugung oder Magie, Antike Welt, 16(1), 3–12, 1985 und Gerhard Eggert: On the origin of a gilding method of the Baghdad silversmiths. Gold Bulletin, March 1995, Band 28, Nr. 1, S. 12–16) Die Dendera-Reliefs sind das Thema, mit dem Habeck bekannt wurde, und so sehe ich auch das unter dem Aspekt der Nostalgie.
Die letzten vier Kapitel sind nicht mehr prä-astronautisch. Zunächst geht es um Keltenkult und den Mythos vom Untersberg. Immer wieder wollen Menschen in den Stollensystemen, die seit der Hallstattzeit gegraben werden, auf Zwerge und ähnliche übernatürliche Wesen gestoßen sein, manche erhielten Botschaften übermittelt. Hier hält Habeck den Spagat zwischen spannender Darstellung und nüchternen Abwägungen.
Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit dem – mir bislang unbekannten – Codex Gigas, einem riesigen, handgeschrieben Buch. Der Legende nach half der Teufel bei seiner Abfassung, was wohl vor allem daran liegt, dass das Werk für jeden Betrachter damals eine unglaubliche Leistung gewesen sein muss, und dass eines der beiden Bilder darin einen Teufel zeigt. Das Buch enthält neben einer Weltbeschreibung Bibeltete, passt also ganz in die Zeit, in der es entstand. Analysen zeugen, dass es tatsächlich von einem einzigen Autor geschrieben wurde. Ein spannendes Thema.
Danach besuchen wir die Schädelsammlung des Doktor Gall, dem Begründer der Lehre Phrenologie, nach der man Charakter und Klugheit eines Menschen aus seinem Schädel ableiten kann (wir kennen noch Begriffe wie »Denkerstirn«, »energisches Kinn« oder »Verbrechervisage«, die dieser Denkart entstammen). Hier wird die Phrenologie eindeutig als das bezeichnet, was sie ist: eine Pseudowissenschaft nämlich. Ich mag solche Biografien längst vergessener, früher aber bedeutsamer Forschungspioniere, und Habeck führt uns angenehm im Plauderton durch diese Geschichte.
Der letzte Abschnitt ist para-zoologisch: Es geht um den ominösen Fluch des Zlatorog, einer weißen Gämse, die all jenen den Tod bringt, die sie erlegen (hier fehlt ein Hinweis auf die literarische Gestaltung des Motivs in Kafkas »Jäger Gracchus«). Weiße Gämsen gibt es übrigens wirklich.
Insgesamt ist das Buch eine unterhaltsame Lektüre ohne allzu viel unhaltbare Spekulation – und es bestätigt, was ich auch schon herausgefunden habe: Rings um uns wimmelt es nur so von kuriosen archäologischen Relikten, werden Monster gesehen und magische Dinge geglaubt. Mitteleuropa ist um vieles geheimnisvoller, als viele denken.
Zahllose Schwarzweißfotos in ausgezeichneter Qualität sowie zwei Farbtafelteile illustrieren das Buch. Zu den einzelnen Kapiteln gibt es Literaturverweise und Internetquellen, aber kein Register.
Ulrich Magin ∗ ∗ ∗ ∗ ∗
208 Seiten, 17 x 24 cm, gebunden, reich illustriert, ISBN: 978-3222135705, 19,90 €
Styria Verlag
www.styriabooks.at
Wien, 2017
Quelle: JUFOF Nr. 244, 4/2019: 116 f
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