Oliver Tonio Stoll: Das geheime Deutsche Erbe

Die Akte Ufo

Der Carl Gerber Verlag in welchem das vorliegende Buch erschienen ist, ist eigentlich bekannt als Fachverlag für Gesetzessammlungen, Kalender und für Bürobedarf. Warum „Das geheime Deutsche Erbe“ hier erschienen ist, ist wahrscheinlich das geheimnisvollste an diesem Werk.

Auf 128 Seiten wird so ziemlich alles geboten, was in Verschwörungskreisen zum Applaus und in der UFO-Forschung zum Haare raufen führt.

Der Inhalt des Buches ist ein Sammelsurium von unnützen Verschwörungstheorien und –ideologien, welche den UFO-Markt in den letzten Jahrzehnten überschwemmten.

Startpunkt ist eine Geschichte der Mutter des Autors aus der Vorkriegszeit (1937 oder 1938), als diese mit einem Bekannten auf einem Motorrad unterwegs war (S. 16). Dieses blieb grundlos stehen, startete später aber wieder problemlos. Für den Autor reicht das aus um klarzustellen, dass es schon vor dem Krieg elektromagnetische Experimente mit starken Magnetfeldern gegeben habe. Dies leitet über zum Philadelphia-Experiment, welches der Autor natürlich kritiklos übernimmt – wobei er nicht nur annimmt, dass man das Schiff unsichtbar machen würde, sondern allen Ernstes behauptet: „Ich denke nach allem was ich weiß, die wollten das Schiff fliegen lassen.“ (S. 17)

Und dann entwickelt sich ein wahrer Ritt entlang der Nazi-Glocke, welche in Kecksburg abgestürzt ist (S. 18), über Antigravitations- und Magnetfeldtechnik bis hin zu Plasmadrohnen (alles S. 31) und Nurflüglern (S. 39). Dabei dürfen beliebte Namen, wie Schauberger (S. 18) und Schriever (S. 21) und der natürlich in solchen Werken obligatorische Kammler (S. 20 und 28) nicht fehlen.

Wenn UFO-Forscher bisher mit vielen Fragezeichen und ungelösten Rätseln kämpfen mussten: in diesem Buch wird alles im Brustton der Überzeugung aufgeklärt. So handelte es sich bei jenen neun Objekten die Kenneth Arnold sah und die zum Startpunkt der modernen UFO-Ära werden sollten genauso um Nurflügler, wie beim legendären abgestürzten UFO in der Wüste New Mexikos bei Roswell (beides S. 39). Und auch die UFO-Welle in Belgien, welche ihren Höhepunkt von Winter 1989 bis Frühjahr 1990 hatte, wird nun endlich erklärt (S. 63ff.): es handelte sich um irdische Technik, eingesetzt von den US-Amerikanern, um sowjetischen Soldaten in der DDR das Meutern und die Flucht nach vorn in den Westen zu erschweren. Abgesehen davon, dass die Sowjetunion erst 1991 aufgelöst wurde und der Abzug der sowjetischen Truppen erst im Oktober 1990 durch den Aufenthalts- und Abzugsvertrag beschlossen wurde, kann man den Gedankengängen des Autors bei der dargebotenen Beschreibung der WGT (Westgruppe der Truppen) kaum folgen.

Doch auch sonst nimmt es der an Militärgeschichte interessierte Autor (S. 5) nicht so genau, wie seine Ausführungen zeigen: die Sowjetunion wäre 1941 in Rumänien eingefallen, wenn ihr Hitler nicht präventiv zuvorgekommen wäre (S. 81f.) oder die Heeresgruppe Nord wurde wegen des Schutzes der geheimen deutschen Flugscheiben nicht zum Entsatz nach Berlin geschickt (S. 12). Und ganz besonders interessant wird es, wenn Stoll unreflektiert und unkritisch über das angebliche Verschwinden des Norfolk-Regiments im 1. Weltkrieg schreibt (S. 25f.) und dies mit einem möglichen Pakt der Nationalsozialisten und möglichen Aliens in Verbindung bringt!

Immer wieder stößt man auch auf Stilblüten der Rechtschreibung und Grammatik, welche nahelegen, dass das Buch keinerlei Lektorat und Korrektorat erfahren hat. So schreibt der Autor unter anderem von „unhemlichen Begegnungen“ (S. 105), „Wie gefährich sind wir?“ (S. 113), „Was denk der Alien“ (S. 126), vom „Ufo absturtz“ (S. 125) und vom „Totelurteil“ (S. 92). Was-Sätze werden überwiegend ohne Fragezeichen dargeboten.

Und auch am gesamten Stil muss man sich erst gewöhnen, wenn der Autor z.B. schreibt: „den Parapsychologen ging einer ab“ (S. 54), „Alien-Flottillenpuff“ (S. 55) oder „U-Boot Dingsbums“ (S. 58).

Auch die Namen verschiedenster Personen werden falsch wiedergegeben, so wird aus J. Allen Hynek, Allen J. Hynek (S. 105) und aus Ronald Reagan, Ronald Reagen (S. 126). Auch von einem Roy McKinnon (S. 78 und 104) ist die Rede – gemeint ist hierbei jedoch nicht der US-amerikanische Schauspieler Ray McKinnon, welcher einigen sicherlich aus dem Roswell-Film „Visitors“ bekannt ist, sondern der britische Hacker Gary McKinnon. Und auch die Lebensläufe der behandelten Personen werden falsch wiedergegeben – so verstarb der US General George S. Patton Ende 1945 nach einem schweren Autounfall im Krankenhaus an einem Lungenödem und nicht, wie von Stoll behauptet, an einer Lungenentzündung (S. 14).

Nick Pope, der von 1985 bis 2006 als ziviler Mitarbeiter im britischen Verteidigungsministerium beschäftigt war, darunter von 1991 bis 1994 in einer speziellen Abteilung, welche sich mit UFO-Sichtungen beschäftigte (welche genauen Aufgaben und Befugnisse Pope dabei hatte, wird derzeit von verschiedenen Forschern äußerst kontrovers diskutiert), war bei Stoll schon 1979 Chefermittler der Royal Air Force (wohlbemerkt ist Pope erst 1965 geboren und wäre mit 14 Jahren wohl der jüngste Ermittler aller Zeiten gewesen)! 1979 untersuchte dieser lt. Stoll den Rendlesham Forrest Vorfall (S. 50), der im selben Jahr stattfand, wie der Cash-Landrum-Vorfall (S. 51). Und während sich der Autor beklagt, dass bisher noch niemand eine Verbindung zwischen diesen Fällen gezogen habe, wird dem Leser klar, dass dies daran liegen mag, dass beide Vorfälle erst 12 Monate später stattfanden.

Generell ist dies ein wiederkommendes Kritikmoment im Buch: Vorfälle seien bisher nicht analysiert und verglichen worden. Dies ist eine an der Realität der Erforschung des UFO-Phänomens vorbeigehende Kritik – da Stoll jedoch nicht angibt, welche Quellen (mit Ausnahme der verwendeten Bilder) er genutzt hat, ist fraglich ob und welche Artikel/Bücher dieser überhaupt zum Thema gelesen hat.

Das Stoll dann statt von Nahbegegnungen von unheimlichen Begegnungen spricht und diese dann wie folgt beschreibt: „Die dritte Kategorie bezeichnet den direkten körperlichen Kontakt mit außerirdischem Leben.“ (S. 105), fällt angesichts des Gesamtwerks kaum noch ins Gewicht.

Das Fazit des Buches könnte man mit den Worten des Autors so ziehen: „Die Flugscheibe gab es. Auch wenn ich über die Herkunft der der (sic!) Kenntnis keine Angaben mache.“ (S. 27) Nun denn. Sollte ich eines Tages eine Liste erstellen, in welcher ich die besten und schlechtesten Werke zur Thematik verzeichne, dann kann sich der Autor gute Chancen ausmalen, in den Top Ten der schlimmsten Machwerke aufgenommen zu werden. 2004 brachte der rechtsextreme Esoteriker Jan Udo Holey unter dem Pseudonym Jan van Helsing ein Buch mit dem Titel: „Hände weg von diesem Buch“ auf den Markt. Diese Überschrift hätte auch gut auf dieses hier gepasst.

Marius Kettmann    

127 Seiten, Taschenbuch, ill., ISBN: 978-3872493743, Preis: 12,50 €

Carl Gerber Verlag
www.gerberverlag.de
Rohrbach, 2019

Quelle: JUFOF Nr. 257, 5/2021: 154 ff

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