Alfred. H. Mühlhäuser: Unidentifizierte fliegende Objekte

Alienraumgleiter oder „reichsdeutsche Vergeltungswaffen“?

Der vorliegende Band ist Teil 8 einer bei Books on Demand erschienen Buchreihe, von welcher sich die ersten fünf um den Tod Hitlers und anderer Akteure (wie z.B. Goebbels oder Bormann) in und um den Führerbunker 1945 in Berlin und die beiden Vorgängerbände um Flugscheiben drehten.

Um Flugscheiben geht es auch in diesem Buch und trotz dieser höchst kontroversen Thematik startet es sehr gut, wenn der Au­tor sehr objektiv schreibt:

„Jede strittige Thematik hat aber ein sachliches Herangehen und eine objektive Prüfung verdient.“ (S. 8)

Und auch der Anmerkung zu UFOs ist nichts hinzuzufügen:

„[…] wird in der Regel ‚UFO‘ genannt, was die Abkürzung ist für: unidentifiziertes flie­gendes Objekt. Und das ist zunächst einmal die Bezeichnung für alle Flugobjekte, deren Charakter, Herkunft und Zugehörigkeit nicht sofort erklärt werden können. Sie bleiben so lange UFOs, bis geklärt wurde, um was es sich bei ihnen wirklich handelt.“ (S. 10)

Mit dieser Objektivität will der Autor sich des schwierigen Themas annehmen, ob hin­ter UFO-Sichtungen ganz irdische Technolo­gie stecken könnte, nämlich die durch die Nationalsozialisten in den 1930er/40er Jah­ren angeblich entwickelten (Reichs-)Flug-scheiben, welche nach dem Krieg samt ih­ren Entwicklern möglicherweise durch an­dere Länder weiter konstruiert und einge­setzt wurden.

Hierbei geht der Autor natürlich vor allem auf militärische, aber auch zivile Versuche in der damaligen Sowjetunion und in den USA ein.

Positiv ins Auge fallen hierbei die vielen verwendeten Zeitungs-/Zeitschriftenartikel, hauptsächlich aus den 1950er Jahren (z.B. BILD, FAZ, Frankfurter Rundschau, Spiegel, Tagesspiegel etc.), welche sich mit Flug­scheiben beschäftigten. Allerdings gelingt dem Autor nicht, diese geschichtlich einzu­ordnen. Der aufkeimende Kalte Krieg im Spannungsfeld zum Space Race der verfein­deten Machtblöcke wird hier nicht ins Kal­kül gezogen. Die Artikel werden eher als Beweise tatsächlicher Flugscheiben angese­hen,

Hintergründe und kritische Beurteilungen der Inhalte der Artikel werden hingegen kaum er­wähnt oder behandelt.

Die so stark hervorgehobene Objektivität, die bei den einleitenden Worten durch­klingt, kann das Buch somit nicht durch­gängig widerspiegeln. Neben den genannten Zeitungs-/Zeitschriftenartikeln beginnt die Objektivität auch immer dann zu bröckeln, wenn bestimmte Dinge ohne Nachweis als Voraussetzung genommen werden. Wie z.B.:

  • Dass es sich bei Flugscheiben um reale Konstruktionen handle (S. 7).
  • Dass es ein reichsdeutsches Projekt um Flugscheiben mit dem Titel V7 gab (S. 11).
  • Dass es sich beim angeblichen UFO-Ab­sturz auf Spitzbergen um eine Flugscheibe handelte (S. 23).

An anderen Stellen im Buch zeigt sich, dass der Autor in bestimmten Gebieten fachlich nicht sattelfest ist, wenn er z.B. schreibt:

  • Dass Kapustin Jar in Sibirien liegen würde (S. 40) – dabei liegt es in Südruss­land.
  • Dass es eine Tatsache sei, dass es sich bei Kontakten mit UFO-Besatzungen nach 1945 häufig (!) nicht um außerirdische Be­sucher, sondern um menschliche Besatzun­gen in wehrmachtsähnlichen Uniformen gehandelt habe (S. 91).
  • Dass Flugscheiben in den späten 1940er Jahren auf der AREA 51 starteten (S. 67) – dabei wurde die Basis erst 1955 im Zuge der U2-Erprobung erbaut.

An anderen Stellen des Buches wiede­rum gibt der Autor aber viele richtige Erklä­rungen wieder, wie z.B.:

  • Dass Epp als Lügner enttarnt wurde (S. 42).
  • Eine Tabelle aus welcher eindeutig her­vorgeht, dass es keine Sachbeweise (vorlie­gende Flugscheiben, nachgewiesene Werk­stätten, Fabriken, Labore etc.) gibt und es in allen bekannten Konstruktionszeichnun­gen Fehler gibt (S. 95).
  • Er schätzt in einer Liste von 20 Indizien, welche von Personen angeführt werden, die eine Fortführung der Flugscheibenforschung durch die dama­lige Sowjetunion propagieren, nur zwei als Indiz, eines als anführbares, zwei als soli­des, eins als robustes und eines als fragli­ches und somit immerhin 13 als schwache Indizien ein (S. 27ff.).

Auffällig ist, dass immer dann, wenn es um wirklich konkrete Faktenlagen geht, keine belastbaren Quellen vorliegen oder genannt werden können.

So verwundert es dann auch nicht, dass es im Kapitel zum Verbleib angeblicher Flugscheibenkonstrukteure von Konjunkti­ven nur so wimmelt, wie: „soll dann“, „durchaus denkbar“, „möglicherweise“ (alle S. 107), „sei gewesen“, „kann durchaus so gewesen sein“ (alle S. 108), „angeblich“ (S. 109), „soll haben“ (S. 110), „haben könnte“, „angeblich“, „kann man glauben“ (alle S. 111), „erscheint durchaus möglich“ (S. 112) etc.

Eine interessante Anekdote ist die, dass im Buch Howard Menger als Flugscheibenkonstrukteur genannt und vorgestellt wird ohne zu erwähnen, dass dieser zu den „klassischen“ Kontaktlern gehörte und seine Ideen zur Entwicklung von Flugschei­ben von Außerirdischen erlangt haben will (S. 62).

Neben Allgemeinplätzen, welche man in derlei Büchern sehr häufig findet, wie die Vertreter der etablierten Wissenschaften als „Wissenschaftsfeinde“ zu brandmarken (S. 86) oder darauf hinzuweisen, dass die Technik den Anderen um 100 Jahre voraus war (S. 73) – freilich ohne zu erklären, wo­ran man das festmacht – bleibt das Buch die brennendste Erklärung schuldig: wenn die Technik so weit entwickelt war, wieso wurde sie nicht eingesetzt? Wieso konnte das Dritte Reich mit Technik, die den Geg­nern um 100 Jahre voraus war, den Krieg nicht gewinnen (immerhin reden wir hier von Kraftstrahlkanonen als Antriebe und Atombomben – S. 93) oder zumindest den Gegnern herbe Verluste zuführen? Stattdes­sen war die deutsche Luftwaffe am Ende des Krieges völlig machtlos und stellte kei­nerlei kriegsentscheidenden Faktor mehr dar.

Positiv hervorzuheben ist, dass der Autor viele seiner Aussagen im Buch, anders als in vielen anderen Werken zur Thematik, versucht nachzuweisen. So wurden 372 Fußnoten vergeben, welche in einem 13-seitigen Quellen- und Anmerkungsverzeich­nis wiedergefunden werden.

Und auch das Literaturverzeichnis ist mit 22 Seiten im Gesamtverhältnis des Buchumfanges sehr üppig ausgefallen. Die hier­bei genannten Autoren sind auch nicht ein­seitig einer Richtung zuzuordnen, so findet man neben eher skeptisch angehauchten Forschern wie Werner Walter oder Dennis Kirstein auch Verweise auf eher journalisti­sche Werke wie von Leslie Kean oder Jean-Claude Bourret, man findet bekannte Werke von Michael Hesemann oder Timothy Good bis hin zum Who is Who der deutschen UFO-Forschung (s.o.) wie Illobrand von Ludwiger oder Hans-Werner Peiniger, allerdings werden auch äußerst kontroverse Personen, wie Joseph Epp, Heiner Gehring oder Karl-Heinz Zun­neck erwähnt.

Allerdings birgt dies auch eine Gefahr: Wie geht ein Leser, der nicht tief in der Ma­terie steckt, mit dieser scheinbaren Objekti­vität um? Kann er die Fakten von den Ver­mutungen trennen und kann er Quellen und Anmerkungen richtig in das Gesamtschema einordnen? Es bleibt zu hoffen, dass Bücher wie dieses keine Schule machen, denn sie versperren den klaren Blick zwischen Reali­tät und Mythos.

Marius Kettmann   

156 Seiten, Quellen, ISBN 978-3750424760, Preis: 8,99 € (e-book: 6,49 €)

Books on Demand
www.bod.de
Norderstedt, 2020

Hier bestellbar

Quelle: JUFOF Nr. 262, 4/2022: 123 ff