Alienraumgleiter oder „reichsdeutsche Vergeltungswaffen“?
Der vorliegende Band ist Teil 8 einer bei Books on Demand erschienen Buchreihe, von welcher sich die ersten fünf um den Tod Hitlers und anderer Akteure (wie z.B. Goebbels oder Bormann) in und um den Führerbunker 1945 in Berlin und die beiden Vorgängerbände um Flugscheiben drehten.

Um Flugscheiben geht es auch in diesem Buch und trotz dieser höchst kontroversen Thematik startet es sehr gut, wenn der Autor sehr objektiv schreibt:
„Jede strittige Thematik hat aber ein sachliches Herangehen und eine objektive Prüfung verdient.“ (S. 8)
Und auch der Anmerkung zu UFOs ist nichts hinzuzufügen:
„[…] wird in der Regel ‚UFO‘ genannt, was die Abkürzung ist für: unidentifiziertes fliegendes Objekt. Und das ist zunächst einmal die Bezeichnung für alle Flugobjekte, deren Charakter, Herkunft und Zugehörigkeit nicht sofort erklärt werden können. Sie bleiben so lange UFOs, bis geklärt wurde, um was es sich bei ihnen wirklich handelt.“ (S. 10)
Mit dieser Objektivität will der Autor sich des schwierigen Themas annehmen, ob hinter UFO-Sichtungen ganz irdische Technologie stecken könnte, nämlich die durch die Nationalsozialisten in den 1930er/40er Jahren angeblich entwickelten (Reichs-)Flug-scheiben, welche nach dem Krieg samt ihren Entwicklern möglicherweise durch andere Länder weiter konstruiert und eingesetzt wurden.
Hierbei geht der Autor natürlich vor allem auf militärische, aber auch zivile Versuche in der damaligen Sowjetunion und in den USA ein.
Positiv ins Auge fallen hierbei die vielen verwendeten Zeitungs-/Zeitschriftenartikel, hauptsächlich aus den 1950er Jahren (z.B. BILD, FAZ, Frankfurter Rundschau, Spiegel, Tagesspiegel etc.), welche sich mit Flugscheiben beschäftigten. Allerdings gelingt dem Autor nicht, diese geschichtlich einzuordnen. Der aufkeimende Kalte Krieg im Spannungsfeld zum Space Race der verfeindeten Machtblöcke wird hier nicht ins Kalkül gezogen. Die Artikel werden eher als Beweise tatsächlicher Flugscheiben angesehen,
Hintergründe und kritische Beurteilungen der Inhalte der Artikel werden hingegen kaum erwähnt oder behandelt.
Die so stark hervorgehobene Objektivität, die bei den einleitenden Worten durchklingt, kann das Buch somit nicht durchgängig widerspiegeln. Neben den genannten Zeitungs-/Zeitschriftenartikeln beginnt die Objektivität auch immer dann zu bröckeln, wenn bestimmte Dinge ohne Nachweis als Voraussetzung genommen werden. Wie z.B.:
- Dass es sich bei Flugscheiben um reale Konstruktionen handle (S. 7).
- Dass es ein reichsdeutsches Projekt um Flugscheiben mit dem Titel V7 gab (S. 11).
- Dass es sich beim angeblichen UFO-Absturz auf Spitzbergen um eine Flugscheibe handelte (S. 23).
An anderen Stellen im Buch zeigt sich, dass der Autor in bestimmten Gebieten fachlich nicht sattelfest ist, wenn er z.B. schreibt:
- Dass Kapustin Jar in Sibirien liegen würde (S. 40) – dabei liegt es in Südrussland.
- Dass es eine Tatsache sei, dass es sich bei Kontakten mit UFO-Besatzungen nach 1945 häufig (!) nicht um außerirdische Besucher, sondern um menschliche Besatzungen in wehrmachtsähnlichen Uniformen gehandelt habe (S. 91).
- Dass Flugscheiben in den späten 1940er Jahren auf der AREA 51 starteten (S. 67) – dabei wurde die Basis erst 1955 im Zuge der U2-Erprobung erbaut.
An anderen Stellen des Buches wiederum gibt der Autor aber viele richtige Erklärungen wieder, wie z.B.:
- Dass Epp als Lügner enttarnt wurde (S. 42).
- Eine Tabelle aus welcher eindeutig hervorgeht, dass es keine Sachbeweise (vorliegende Flugscheiben, nachgewiesene Werkstätten, Fabriken, Labore etc.) gibt und es in allen bekannten Konstruktionszeichnungen Fehler gibt (S. 95).
- Er schätzt in einer Liste von 20 Indizien, welche von Personen angeführt werden, die eine Fortführung der Flugscheibenforschung durch die damalige Sowjetunion propagieren, nur zwei als Indiz, eines als anführbares, zwei als solides, eins als robustes und eines als fragliches und somit immerhin 13 als schwache Indizien ein (S. 27ff.).
Auffällig ist, dass immer dann, wenn es um wirklich konkrete Faktenlagen geht, keine belastbaren Quellen vorliegen oder genannt werden können.
So verwundert es dann auch nicht, dass es im Kapitel zum Verbleib angeblicher Flugscheibenkonstrukteure von Konjunktiven nur so wimmelt, wie: „soll dann“, „durchaus denkbar“, „möglicherweise“ (alle S. 107), „sei gewesen“, „kann durchaus so gewesen sein“ (alle S. 108), „angeblich“ (S. 109), „soll haben“ (S. 110), „haben könnte“, „angeblich“, „kann man glauben“ (alle S. 111), „erscheint durchaus möglich“ (S. 112) etc.
Eine interessante Anekdote ist die, dass im Buch Howard Menger als Flugscheibenkonstrukteur genannt und vorgestellt wird ohne zu erwähnen, dass dieser zu den „klassischen“ Kontaktlern gehörte und seine Ideen zur Entwicklung von Flugscheiben von Außerirdischen erlangt haben will (S. 62).
Neben Allgemeinplätzen, welche man in derlei Büchern sehr häufig findet, wie die Vertreter der etablierten Wissenschaften als „Wissenschaftsfeinde“ zu brandmarken (S. 86) oder darauf hinzuweisen, dass die Technik den Anderen um 100 Jahre voraus war (S. 73) – freilich ohne zu erklären, woran man das festmacht – bleibt das Buch die brennendste Erklärung schuldig: wenn die Technik so weit entwickelt war, wieso wurde sie nicht eingesetzt? Wieso konnte das Dritte Reich mit Technik, die den Gegnern um 100 Jahre voraus war, den Krieg nicht gewinnen (immerhin reden wir hier von Kraftstrahlkanonen als Antriebe und Atombomben – S. 93) oder zumindest den Gegnern herbe Verluste zuführen? Stattdessen war die deutsche Luftwaffe am Ende des Krieges völlig machtlos und stellte keinerlei kriegsentscheidenden Faktor mehr dar.
Positiv hervorzuheben ist, dass der Autor viele seiner Aussagen im Buch, anders als in vielen anderen Werken zur Thematik, versucht nachzuweisen. So wurden 372 Fußnoten vergeben, welche in einem 13-seitigen Quellen- und Anmerkungsverzeichnis wiedergefunden werden.
Und auch das Literaturverzeichnis ist mit 22 Seiten im Gesamtverhältnis des Buchumfanges sehr üppig ausgefallen. Die hierbei genannten Autoren sind auch nicht einseitig einer Richtung zuzuordnen, so findet man neben eher skeptisch angehauchten Forschern wie Werner Walter oder Dennis Kirstein auch Verweise auf eher journalistische Werke wie von Leslie Kean oder Jean-Claude Bourret, man findet bekannte Werke von Michael Hesemann oder Timothy Good bis hin zum Who is Who der deutschen UFO-Forschung (s.o.) wie Illobrand von Ludwiger oder Hans-Werner Peiniger, allerdings werden auch äußerst kontroverse Personen, wie Joseph Epp, Heiner Gehring oder Karl-Heinz Zunneck erwähnt.
Allerdings birgt dies auch eine Gefahr: Wie geht ein Leser, der nicht tief in der Materie steckt, mit dieser scheinbaren Objektivität um? Kann er die Fakten von den Vermutungen trennen und kann er Quellen und Anmerkungen richtig in das Gesamtschema einordnen? Es bleibt zu hoffen, dass Bücher wie dieses keine Schule machen, denn sie versperren den klaren Blick zwischen Realität und Mythos.
Marius Kettmann ∗ ∗ ∗ ∗ ∗
156 Seiten, Quellen, ISBN 978-3750424760, Preis: 8,99 € (e-book: 6,49 €)
Books on Demand
www.bod.de
Norderstedt, 2020
Quelle: JUFOF Nr. 262, 4/2022: 123 ff