Andreas Anton & Alan Schink: Der Kampf um die Wahrheit

Verschwörungstheorien zwischen Fake, Fiktion und Fakten


Die Autoren Andreas Anton und Alan Schink stellen in ihrem Buch eine „offene Herange­hensweise an das Phänomen Verschwörungstheorie“ in den Mittelpunkt und gliedern sich damit in ein Spannungsfeld ein, das derzeit Konjunktur zu haben scheint. Die Kritik im Buch richtet sich gegen die Art des geführten Diskurses und den gesellschaftlichen Umgang mit Verschwörungstheorien. Dabei negieren die Autoren die Gefahren von Verschwörungs­theorien für Gesellschaft und einzelne Per­sonen nicht, fügen aber die These an, dass „in vielen Fällen […] Verschwörungstheorien sogar eine positive Wirkung [entfalten], in­dem sie auf bestimmte Probleme oder Ungereimtheiten aufmerksam machen.“ Diese Perspektive wird einleuchtend dargestellt und es wird der Leserschaft durchaus in Erinnerung gerufen, dass es ja tatsächliche Verschwörungen gab und gibt.

So spielt es eine entscheidende Rolle, was man unter einer Verschwörungstheorie überhaupt versteht. Die Autoren stellen fest, dass der Forschungsgegenstand Verschwörungstheorie alles andere als einheitlich definiert ist. Die Verschwörung selbst hingegen lässt sich besser fassen und dient zunächst als Hinleitung:

„Eine Verschwörung liegt vor, wenn zwei oder mehrere Personen in geheimer Kooperation einen Plan entwickeln und diesen umsetzen oder umzusetzen versuchen, um ein konkretes Ziel zu erreichen.“

Wenngleich die Autoren verneinen, dass Verschwörungen „in jedem Fall eine ille­gale, kriminelle oder zumindest moralisch fragwürdige Zielsetzung haben“, würde der Rezensent doch diese Definition um den Zusatz „zum Nachteil Dritter“ ergänzen wollen. Abgesehen davon eine unstrittige Definition. Doch nicht die so definierte Verschwörung selbst, sondern die Annahme über die reale Existenz dieser ist Gegenstand der Betrachtung. Hier beginnt nun be­reits die Aufladung des Begriffes mit Attri­buten, die je nach Kontext und Autor unter­schiedlich ausfallen können. In der Öffentlichkeit und den Medien herrscht da­bei das Verständnis vor, es sei ein Merkmal von Verschwörungstheorien, dass sie immer falsch, irrational, abwegig, gefährlich seien. Als Bestandteil einer Definition weisen die Autoren dies jedoch zurück.

Zudem gibt es noch die Kritik am Begriff Verschwörungstheorie selbst. Diese besteht zum einen darin, dass es sich nicht um eine wissenschaftliche Theorie handele; zum anderen, dass der Begriff inzwischen zu negativ konnotiert sei. Die von anderen Autoren (z.B. Pfahl-Traughber, Nocun/Lamberty) vorgeschlagenen z.T. wertenden Bezeichnungen Verschwörungshypo­these, Verschwörungsmythos, Verschwörungsideologie und Verschwörungserzählung lehnen Anton/Schink ab. Nicht der Begriff ist das Problem, wenn man eine neutrale Definition zugrunde legt, sondern die nega­tive Aufladung – auch in der wissenschaftli­chen Diskussion. Hier führt die „unkritische Übernahme der negativen Verwendungs­weise des Verschwörungstheoriebegriffs regelmäßig in analytische Sackgassen“. Der Rezensent hält indes auch o.g. Alternativbegriffe für legitim, solange sie unmissver­ständlich definiert sind. Manchmal geht es eben doch darum, welchen Wahrheitsgehalt eine Verschwörungstheorie hat. Wenn auch nicht in diesem Buch.

Anton/Schink definieren schlussendlich den Begriff ohne Wertung wie folgt:

„[Eine Verschwörungstheorie ist] ein Erklärungsansatz, der aktuelle oder historische Zustände oder Ereignisse als Ergebnis einer Verschwörung interpretiert.“

Als theoretischen Unterbau enthält das Kapitel „1. Verschwörungstheorien in der wissenschaftlichen Diskussion“ neben der Begriffsbestimmung auch eine kurze Begriffsgeschichte sowie ein Kapitel über Ver­suche der Typisierung. Und dann noch „die Sache mit der Wahrheit“: Ob Verschwö­rungstheorien auch Wahrheitsgehalt haben können, hänge von der Definition des Be­griffs ab. Anton/Schink bewegen sich ge­mäß ihrer Definition also im Rahmen ihrer eigenen Ansprüche, wenn sie sowohl Theo­rien besprechen, die sich als wahr erwiesen haben, als auch solche, die kaum einen Realitätsbezug aufweisen. Insbesondere da es sich nicht um ein Minderheitenphänomen handele und einer spezifischen „Verschwö­rungsmentalität“ eine Abfuhr erteilt wird. Verschwörungen wie Verschwörungstheo­rien waren und sind gesellschaftliche Be­standteile.

Die zahlreichen Themen im Buch und insbesondere die beschriebenen Verschwö­rungstheorien selbst, müssen unter diesem Aspekt gelesen werden, damit das Buch seine Stärke entfalten kann und man nicht eventuell eine Zustimmung hineinliest, die es nicht gibt. In Bezug auf die Wahrheit verweisen die Autoren vielmehr auf zwei Ebenen, eine faktische Realität (mit den At­tributen richtig oder falsch) und eine soziale Wirklichkeit (mit den Attributen aner­kannt oder nicht anerkannt); eine Zuordnung sei nicht immer eindeutig zu treffen bzw. könne sich dynamisch ändern. Es spielt demnach bei der Lektüre keine Rolle, in welcher der möglichen Ebenen-Kombina­tion die im Buch aufgegriffenen Verschwö­rungstheorien vorkommen. Es finden sich faktisch reale Verschwörungen wie die Wa­tergate-Affäre und die NSA-Überwachung (letztere als Beispiel für einen Switch nach den Snowden-Enthüllungen 2013 von einer sozial nicht anerkannten zu einer anerkann­ten Theorie), aber auch Verschwörungstheo­rien, für die es nur wenige bis gar keine Belege gibt, darunter so skurrile wie die Reptiloiden-Verschwörung.

Doch wie entstehen Verschwörungstheo­rien? Auch dieser Frage wird innerhalb des Kapitels Platz eingeräumt und es wird be­tont, dass es nicht die eine Ursache gebe. Vielleicht sei der wichtigste Faktor ein grundlegendes Misstrauen, aus dem der Verdacht oder die Gewissheit entstünde, dass etwas nicht stimme. Anhand von Bei­spielen konspirativer Alltagspraktiken und der „süßen Schuld des Verschwörers“, die wir nach Erving Goffman alle in uns trügen, wird deutlich gemacht, welche Rolle Verschwörungen auch im Alltag spielen kön­nen. Anders als die Autoren sieht der Rezensent hier jedoch den „Nachteil Dritter“ als wichtigen Bestandteil der Definition von Verschwörungstheorien, wie bereits oben ausgeführt wurde. Es erschließt sich nicht, weshalb andernfalls auch positive Ver­schwörungen, wie das „Planen einer Über­raschungsparty“, mit einbezogen werden sollen, die es vielleicht im Alltag gibt, nicht aber im großen gesellschaftlichen Zusam­menhang. Oder ist irgendeine Verschwö­rungstheorie bekannt, die einen aus­schließlich positiven Impact zum Ziel hätte? Jedenfalls haben die innerhalb des Buches aufgeführten Verschwörungstheorien alle­samt einen im Endeffekt negativen Charak­ter zum Nachteil Dritter.

Einer geschichtlichen Betrachtung von Verschwörungen und Verschwörungstheo­rien ist das nächste Kapitel gewidmet und behandelt u.a. die Hexenverfolgung und antisemitische Verschwörungstheorien über Freimaurer und Illuminaten. Verschwörun­gen sind eine geschichtliche Konstante. Ob dies auch auf Verschwörungstheorien zutrifft, ist hingegen strittig. Anton/Schink tendieren dazu, dass es sich auch hierbei um eine historische Konstante handelt, auch wenn ein Nachweis aufgrund eines generellen Quellenproblems nicht gegeben sei. Und wenn die Autoren schreiben, dass Verschwörungstheorien sicher auch „gewis­sen Konjunkturen“ unterliegen, wird man vielleicht den Blick vom Buch in die aktuelle Medienlandschaft richten und wird wohl sagen: Wir haben derzeit Hochkonjunktur. Doch auch diesen Gedanken lassen die Autoren der Leserschaft nicht einfach durch­gehen. Ist das tatsächlich so? Und wie so häufig lautet die Antwort auf die Frage: Es kommt darauf an. (2. Zur Geschichte von Verschwörungen und Verschwörungstheo­rien)

Und wo es um Verschwörungstheorien geht, werden Geheimdienste nicht unerwähnt bleiben. Mythos und Praxis der Ar­beit von Geheimdiensten seien nicht leicht zu trennen. In Demokratien sei diese ange­siedelt in einem „Spannungsverhältnis zwi­schen Aufklärung und Konspiration“, in welchem „Verschwörungstheorien entste­hen und gedeihen“. Aber einen weiteren Punkt hier herauszuarbeiten, ist den Auto­ren vor dem Hintergrund ihrer Diskurskritik sicherlich wichtig: nämlich, wenn Personen, die versuchen, „illegale[] Geheimdienstope­rationen und potenzielle[] Fälle[] von Staats­terrorismus“ öffentlich zu thematisieren, in diskreditierender Absicht als „Verschwö­rungstheoretiker“ bezeichnet werden (Bei­spiel Andreas von Bülow und Daniele Gan­ser). Der Punkt ist die Kritik an der Diskreditierung an sich, berechtigte Probleme mit den beiden so Diskreditierten werden grob aufgezählt; eine tiefergehende Beschäfti­gung mit diesen Problemen ist jedoch nicht der Fokus und soll es auch nicht sein. Das ist wahrscheinlich nicht leicht auszuhalten für jemanden, der Bülow/Ganser sachlich kritisch gegenübersteht. (3. Geheimdienste – Im Namen des Staates?)

Ein eigenes Kapitel wird den Terroran­schlägen vom 11. September 2001 gewid­met, in welchem sowohl die offizielle Ver­sion als auch alternative Deutungen be­trachtet werden. Die Kritik der Autoren richtet sich dabei gegen „die pauschale und oberflächliche Weise, mit der in Leitmedien mit alternativen Verschwörungstheorien zum 11. September umgegangen wird“. Am Ende schließen sich die Autoren einer Einschätzung des Philosophen Karl Hepfer an und bemühen den (inzwischen leider etwas abgegriffenen) Leitspruch aus der US-ameri­kanischen TV-Serie „The X-Files“ (dt. „Akte X – Die unheimlichen Fälle des FBI“), die Wahrheit sei irgendwo da draußen. (4. Ver­schwörungstheorien zum 11. September 2001)

Zu den im nächsten Kapitel behandelten recht populären Verschwörungstheorien über die Illegitimität der Bundesrepublik Deutschland, den „Großen Austausch“ und „QAnon“ sowie den NSU-Komplex gesellen sich kurze Einlassungen über die sogenann­ten Reichsflugscheiben, genauer über einen zweifelhaften Modellbausatz, 2018 angebo­ten von der Firma Revell. Wieder geht es nicht um die Einordnung von wahr oder falsch, sondern anscheinend um die Kritik an dem Bausatz. Leider wird das nur kurz angebrachte Thema „Reichsflugscheiben“ mit dem Zitat einer Amazon-Beschreibung von 2021 beendet, der Unterschied zwi­schen Wahrheit und Legende ließe sich „heute nicht mehr zweifelsfrei ermitteln“. Das ist jedoch meines Erachtens etwas un­befriedigend, insbesondere da Revell mit Bezeichnungen wie „Haunebu II“ und „Vril“ warb und damit recht eindeutig auf die exo­tischeren Varianten der Reichsflugscheiben Bezug nahm, zu den sich durchaus etwas mehr sagen ließe (siehe z.B. Kramer, 2014). Ein Verweis auf weiterführende Literatur statt eines raunenden, offenen Endes wäre sinnvoller gewesen, selbst wenn die Auto­ren ein tiefes Eintauchen in diese Materie nie beabsichtigt hatten und es lediglich bei einer Anekdote belassen wollten. (5. Die Verschwörungen der Rechten)

Das Kapitel über die Themen HAARP, Chemtrails und Klimaverschwörung betrach­tet der Rezensent aus Platzgründen hier nicht näher. (6. Donnerwetter!)

Hingegen soll noch einmal ein besonde­rer Blick für die geneigte JUFOF-Leserschaft auf den Abschnitt „UFOs – Verschwörer aus dem All?“ im Kapitel über okkulte Ver­schwörungstheorien geworfen werden. Die Zuordnung des UFO-Themas bzw. seiner verschwörungstheoretischen Komponenten zum Okkultismus erschließt sich dem Rezensenten leider nicht in Gänze und wird von den Autoren bedauerlicherweise auch nicht näher erklärt. Wenngleich man sich überlegen kann, dass die Cover-Up-Verschwörungen als Teil des UFO-Komplexes mit dem lateinischen occultus (versteckt, verborgen, verdeckt, geheim) durchaus treffend umschrieben sein könnten (was aber auf alle anderen Verschwörungstheo­rien ebenso zutreffend wäre), so ist der Be­griff Okkultismus doch vorwiegend reser­viert für bestimmte esoterische Strömungen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts und eng mit dem Spiritismus verbunden. Auch esoterische, religiöse und weltan­schauliche Elemente, denen man in der Ufologie tatsächlich vielfach begegnen kann, rechtfertigen die Zuordnung m.E. nicht bzw. erscheinen nicht plausibel. Pas­sender wäre es, so meint der Rezensent, ausschließlich dem Okkultismus tatsächlich verwandte ufologische Themen oder auch Gruppierungen wie die fiktive Vril-Gesell­schaft oder die völkisch-antisemitische Thule-Gesellschaft dort einzusortieren. Die „eigentliche“ UFO-Verschwörung, das Cover-Up, das den Regierungen unterstellt wird, sowie die technisch verstandenen Nuts-and-Bolts-UFOs finden sich im Okkultismus eher nicht wieder, wenn auch bei Themen wie dem Channeling die Grenzen fließend sein mögen.

Kommen wir nun aber zum Inhalt: Der Einstieg in den UFO-Abschnitt mit der „Krieg-der-Welten-Hörspiel-Massenpanik“ von 1938 ist kein selten gewählter, wenn man sich dem UFO-Thema nähert. Auch die Autoren Anton/Schink beschreiben in eige­nen Worten, wie sich die „Massenpanik“ abgespielt haben soll, und bezeichnen die Radiosendung der CBS als „eine Art Schlüs­selszene […], um die Bedeutung des UFO-Themas in den USA zu verstehen“. Möglich­erweise eignet sich dieses Ereignis jedoch weit weniger für das Prädikat „Schlüssel­szene“ als vielmehr für ein Beispiel des Umgangs der (in diesem Fall Print-)Medien mit der Thematik. Die Medienhistoriker Jef­ferson Pooley und Michael J. Socolow be­streiten bereits 2013 im Online-Magazin Slate, dass bei einer Hörerquote von 2% die sogenannte Massenpanik so stattgefunden hat, wie von den Zeitungen geschrieben wurde:

„Die vermeintliche Panik war so uner­heblich, dass sie in der Nacht der Ausstrahlung praktisch nicht messbar war. Trotz wiederholter gegenteiliger Behauptungen in den PBS- und NPR-Pro­grammen wurde fast niemand durch Welles‘ Sendung getäuscht.“ (Pooley/Socolow; Übersetzung durch den Rezensenten)

„Der Kontrast zwischen dem, wie Zei­tungsjournalisten die vermeintliche Panik erlebten, und dem, was sie dar­über berichteten, dürfte krass gewesen sein. 1954 veröffentlichte Ben Gross, der Radioredakteur der New York Daily News, eine Erinnerung, in der er sich entsann, dass die Straßen von Man­hattan menschenleer gewesen seien, als sein Taxi zum CBS-Hauptquartier fuhr, gerade als „Krieg der Welten“ zu Ende war. Diese Beobachtung hielt die Daily News jedoch nicht davon ab, ei­nige Stunden später die Panik-Story auf diese legendäre Titelseite zu brin­gen.“ (Pooley/Socolow; Übersetzung durch den Rezensenten)

Die Legende von der Massenpanik, wie sie von den Zeitungen postuliert wurde, so das Fazit der beiden Historiker, wuchs erst retrospektiv und mit zeitlichem Abstand. Ob das ganze Spektakel also tatsächlich auf den „beachtenswerten Umstand“ (Anton/Schlink) hinweist, dass „die Vorstellung der Existenz extraterrestrischer Zivilisatio­nen im Jahr 1938 in den USA in einer Weise verbreitet [war], dass ein Angriff außerirdi­scher Invasoren zumindest von einigen Hö­rern der CBS-Radiosendung für eine reale Möglichkeit gehalten wurde“, wird damit m. E. ebenfalls in Zweifel gezogen.

Über die Sichtungswelle skandinavischer Geisterraketen und die oftmals als Start­punkt des modernen UFO-Phänomens be­zeichnete Kenneth-Arnold-Sichtung gelan­gen die Autoren zum Roswell-Zwischenfall als vielleicht bekanntestes UFO-Cover-Up (und ebenfalls ein Beispiel dafür, wie ein Mythos nachträglich wächst). Die legendä­ren Geschehnisse um den Fund des Ran­chers William „Mack“ Brazel am 14. Juni 1947 (das gemäß Thieme wahrscheinlichste Datum für den Fund) werden zusammen­gefasst. Die hierum von Berlitz/Moore (1980) ins Rollen gebrachte Verschwörungs­theorie wird mit der realen Verschwörung um Paul Bennewitz verknüpft, die der Sozi­ologe Ingbert Jüdt 2011 auf einer Tagung in Erfurt als »Dead Conspiracy Walking« be­zeichnete. Diese spannende Geschichte, die Anton/Schlink in ihrem Buch mit Bezug auf Jüdt zusammenfassen, ist das Paradebei­spiel einer regelrechten Geheimdienst-Kriminalgeschichte, deren Auswirkungen bis heute spürbar sind. Von historischen Beispielen staatlichen Interesses am UFO-Thema gleiten die Autoren hinüber in die Gegenwart. Ein neues Kapitel der UFO-Ge­schichte in den USA wurde 2017 aufgeschla­gen, so schreiben sie und umreißen grob die AATIP-Veröffentlichungen und den Nimitz-Zwischenfall. Jetzt sprechen wir über UAP. Verschmitzt heißt es im Buch, UAP wäre einfach eine andere Bezeichnung für UFO. Das stimmt, und wir werden sehen, ob und wann wir uns damit in die Euphemis­mus-Tretmühle begeben. (7. Die im Dunkeln sieht man nicht – Okkulte Verschwörungs­theorien)

Hier nimmt der Rezensent nun erneut eine Abkürzung und geht nicht näher auf die nachfolgenden Kapitel 8. COVID-19: Das Virus Verschwörungstheorie, 9. Medien und Spektakel und 10. Der Kampf gegen Ver­schwörungstheorien ein. Dies stellt im Übri­gen keine Wertung dar. Man muss einfach irgendwann einmal zum Schluss kommen und bei den ausgelassenen Kapiteln spielen UFOs/UAP keine Rolle mehr, so dass die Ab­kürzung, mit einer Leseempfehlung verse­hen, an dieser Stelle sinnvoll erscheint.

Das letzte Kapitel beginnt mit einer Diag­nose und endet mit der Hoffnung auf einen besonneneren Umgang mit Verschwörungs­theorien. Dem generellen Kampf gegen Verschwörungstheorien erteilen die Autoren noch einmal eine Absage. Hilfreich ist das Konzept der „Redaktionellen Gesellschaft“, für das der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen sieben Prinzipien formulierte, und das von den Autoren in Form eines „Redak­tionellen Ichs“ noch weiter heruntergebro­chen wird. (11. Verschwörungstheorien in der offenen Gesellschaft)


Fazit

Der Kampf um die Wahrheit von Andreas Anton und Alan Schink ist allein durch sei­nen Blickwinkel ein sehr bereicherndes Werk und hebt sich ab von den meisten anderen Veröffentlichungen zu diesem Thema. Die Autoren bieten eine wahrlich nuancierte und differenzierte Perspektive, die dazu beitragen kann (und soll), einen konstruktiveren Umgang mit Verschwö­rungstheorien zu ermöglichen, ohne die Gefahren, die von ihnen ausgehen können, zu verkennen. Das Buch ist damit aus einer Vogelperspektive geschrieben, die ohne Werturteile auskommt.

Ein besonderes Augenmerk dürfte die JUFOF-Leserschaft auf jene Abschnitte und Kapitel werfen, die einen Bezug zu UFOs oder zu ufologischen Themengebieten ha­ben. Verschwörungstheorien haben eine lange Tradition in diesem Feld. Zahlreiche bekannte Verschwörungstheorien haben ei­nen expliziten oder impliziten Bezug zu UFOs oder den damit assoziierten Außerir­dischen. Bei Andreas Anton, der auch Mitglied der GEP ist, und Alan Schink finden sich entsprechend Beispiele für die Beziehung zwischen UFOs und Verschwörungs­theorien. Auch wenn der Rezensent in ge­wissen Details hier und dort einiges auszu­setzen hat, trübt das insgesamt nicht die vorgestellte Perspektive.

Mich hat die Lektüre des Buches sehr be­reichert. Es bezieht nicht Stellung für oder gegen Verschwörungstheorien und deren potenziellen Wahrheitsgehalt oder bereits widerlegten -ansprüchen, wohl aber für ei­nen offenen Umgang mit diesem Komplex und gegen die pauschale Diskreditierung von Menschen, die von der Realität bestimmter Verschwörungen ausgehen oder sich mit ihnen beschäftigen. Es wurde, so könnte man sagen, wider den Generalver­dacht geschrieben. Dabei erlaubt das Buch zudem einen Akt der Selbstreflexion wäh­rend der Lektüre. Wie geht man selbst mit diesen Themen und den sich in ihnen be­wegenden Akteuren um, wenn man mit ihnen zu tun hat? Wie gebraucht man Be­griffe? Wann ist es notwendig, sich von Verschwörungstheorien abzugrenzen, und wann ist es das nicht? Was muss ein Diskurs, was muss unsere Demokratie aushal­ten? Aber auch: Wo muss sie wehrhaft sein? Wie gehen wir in unserer Gesellschaft mit­einander um? Die Autoren Andreas Anton und Alan Schink haben einen sachlichen Beitrag geleistet. Wer möchte, kann durch das Buch wichtige Anregungen erhalten.

T.A. Günter   

Literaturverzeichnis

  • Kramer, A. (2014). Vorsicht Verschwörung! Verschwörungstheorien, UFOs, Atlantis und Paläo-SETI im Lichte rechtsextremer Unter-wanderung. Lüdenscheid: Gesellschaft zur Erforschung des UFO-Phänomens e.V.
  • Pooley, J., & Socolow, M. J. (28. Oktober 2013). The Myth of the War of the Worlds Panic. Abgerufen am 26. Februar 2023 von slate.com: https://slate.com/culture/2013/10/orson-welles-war-of-the-worlds-panic-myth-the-infamous-radio-broadcast-did-not-cause-a-nationwide-hysteria.html
  • Thieme, U. (2022). Das UFO von Roswell – Ein Mythos stürzt ab. Lüdenscheid: Gesellschaft zur Erforschung des UFO-Phänomens e.V.

336 S., geb., ISBN: 978-3-8312-0584-4, Literaturverzeichnis, Preis: 22,00 €

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München, 2021

Hier erhältlich

Quelle: JUFOF Nr. 266, 2/2023: 52 ff