Klaus Stähle: Rechtsfragen beim Kontakt mit Extraterrestrischen

Völkerrecht, Wirtschaft und Politik – ein Gedankenmodell

Die Vorstellung, dass wir eines Tages mit Außerirdischen in Kontakt treten könnten oder dass sie uns gar auf der Erde besu­chen, wirft zahlreiche ethische, philosophi­sche und auch rechtliche Fragen auf. Der Berliner Rechtsanwalt Klaus Stähle hat sich ganz speziell mit den rechtlichen Fragen beschäftigt. Was wäre denn aus rechtlicher Sicht zu beachten, wenn schon morgen eine außerirdische Intelligenz vor dem Berliner Reichstagsgebäude landet und Kontakt zur Menschheit aufnehmen möchte. Das fängt schon mit der Frage an, wer denn die ge­samte Menschheit beim Erstkon­takt über­haupt vertreten darf und kann.

Sollte es zu einem solchen kommen, wäre es vorteilhaft, wenn man schon im Vorfeld geklärt hätte, wie bestehende völ­kerrechtliche Prinzipien auf den Kontakt angewendet werden können und welche Rechte und Pflichten sich für die Mensch­heit und für die außerirdischen Besucher ergeben? Ist das ungeklärt, droht u. U. ein politisches Chaos.

Stähle geht den Fragen nach, welche Re­geln bereits jetzt auf einen möglichen Kon­takt mit Aliens ange­wendet werden können und welche erst noch aufgestellt werden müssen. Letztendlich könnten solche Regeln möglicherweise dem Schutz beider Seiten dienen, denn wenn sich die Besucher als eine ebenso aggressive Spezies herausstel­len wie die Menschen, wären Konflikte und Gewaltanwendungen auf beiden Seiten ohne ein verbindliches Regelwerk unver­meidlich. Unsere bereits bestehenden Ge­setze gelten für Menschen, finden sie aber auch in Bezug auf Aliens Anwendung? Hof­fen wir, dass wir nicht irgendwann mit ei­ner solchen Hand­lungsweise konfrontiert werden und es stattdessen zu harmonisch-diplomatischen Beziehungen kommt.

Klaus Stähle geht wirklich äußerst gründ­lich vor. Zunächst diskutiert er die Wahr­scheinlichkeit eines solchen Kontakts und dessen mögliche Formen. Stähle beschränkt sich in seiner Untersuchung auf die Form des persönlichen Kontakts. Er stellt fest, dass völkerrechtlich „nichts vorhanden ist, was außerirdisches, intelligentes Leben normativ erfasst“. Daher versucht er, „be­stehendes irdisches Recht auf Außerirdi­sche“ anzuwenden.

Für eine einzelne Person ist der persönli­che Kontakt aus rechtlicher Sicht eher un­problematisch. Dieser ist in der Vergangen­heit immer wieder in Büchern, Filmen usw. thematisiert worden. Aber wie sehen die soziologischen Heraus­forderungen für die Politik, die Wirtschaft und die Naturwissen­schaften aus? Das hat dann schon eine an­dere Größenordnung und wirkt sich mög­licherweise auf die ge­samte Menschheit aus.

Kommt es zu einem Kontakt, müsste zu­nächst geklärt werden, wer sie sind, wen sie repräsentieren und welche Rechte „sie für sich in Bezug auf die Erde und ihre Be­wohner in Anspruch“ nehmen.

Und wer, wie eingangs bereits gefragt, ist von irdischer Seite berechtigt, mit den Au­ßerirdischen offiziellen Kontakt aufzuneh­men? Einzel­personen? Ein einzelner Staat? Die UNO? Und mit welchem Auftrag soll der Kontakt erfolgen und welcher Zweck soll verfolgt werden? Und auf welchen rechtli­chen Grundlagen könnte ein solcher Kontakt von­statten gehen? Fragen über Fragen…

Im Folgenden beleuchtet Stähle die be­stehenden Rechtsgrundlagen, beispiels­weise das Luft- und Weltraumrecht. Er geht der Frage nach, was sich aus diesen beste­henden Regelungen und Empfehlungen be­reits für einen Kontakt mit Aliens anwenden lässt. Und da treten schon weitere Pro­bleme auf. Kommt internationales oder na­tionales Recht zum Tragen?

Wer weiß… Möglicherweise konfrontieren uns die Außerirdischen auch mit ihren Rechtsgrundlagen, mit denen sie die Legi­timation ihrer Handlungsweisen belegen.  Vielleicht ist die Erde, wie in der satirischen Science-Fiction-Komödie Per Anhalter durch die Galaxis thematisiert, für den Bau einer „galaktischen Hyperraum-Umgehungs­straße“ im Weg. Die Pläne hätten schließ­lich seit Jahr­zehnten auf einem Planeten von Alpha Centauri ausgelegen und die Erde hätte keinen Einspruch erhoben. Somit würde man nun die in den Dokumenten be­schriebenen Maßnahmen umsetzen und die Erde vernichtet.[1]

Da zeichnen sich nicht nur in dem be­kannten Werk des britischen Schriftstellers Douglas Adams erhebliche Konflikte ab, sondern mit diesen müsste man auch bei einem realen Kontakt rechnen. Was pas­siert, wenn ein ir­discher Täter durchdreht und einen Außer­irdischen umbringt oder umgekehrt? Wer wäre dann für die Verfol­gung dieser straf­rechtlichen Sache zustän­dig? Und was pas­siert bei zivilrechtlichen Konflikten? Um hier rechtsfreie Räume zu schließen, müsste man sich auf ein ge­meinsames „intergalak­tisches Privatrecht“ verständigen. Der Autor sieht hier möglich­erweise auch Handlungs­bedarf beim Wett­bewerbsrecht, Urheber- und Patentrecht, beim Handelsrecht und selbst beim See­recht.

Kommt es zu einer „Intervention durch Außerirdische“, in deren Rahmen sie sich in unsere irdischen Angelegenheiten einmi­schen, sind ebenfalls rechtliche Aspekte zu be­rücksichtigen. Wer darf sich denn mit wel­chen Maßnahmen dagegen wehren? Nur der Staat, auf dessen Territorium die Inter­ven­tion erfolgt?

Immer wieder wird über Entführungen durch Außerirdische berichtet. Wie sieht denn da der rechtliche Hintergrund aus? Stähle stellt sich u. a. die Frage, ob denn überhaupt eine Freiheitsberaubung vorliegt, „wenn der Entführte bei der Rückführung aus dem UFO zeitlich vor dem Beginn der Entführung wieder in sein Bett zurückge­bracht wird“.

Was braucht es nun, um in allen Fragen Rechtssicherheit zu erhalten? U. a. eine „Verständigung über gemeinsame Rechts­grundsätze und Grundwerte“, eine „ge­meinsame Gerichtsbarkeit“, „Schiedsge­richte“, Repräsentanzen und ein „irdisches internationales völkerrechtliches Abkommen zur Regelung des Kontakts mit Außerirdi­schen“.

Sollte es zu einem längerfristigen Kontakt und Austausch mit Außerirdischen kom­men, würde das, so der Autor, Auswirkun­gen auf unser soziales Gefüge haben. Auch dann müssten viele völkerrechtliche As­pekte berücksichtigt und zwischen den irdi­schen Nationen in sogenannten Transforma­tionsverträgen vertraglich vereinbart wer­den. Es müssten aber auch Verträge zwi­schen den Vereinten Nationen und den Au­ßerirdischen abgeschlossen werden. Wie sieht das mit der Haftung aus, wenn ein außerirdisches Vehikel abstürzt und meine Garage inkl. PKW verwüstet?

Das alles hört sich natürlich sehr theore­tisch an und wir wissen nicht, ob es über­haupt jemals zu einem solchen Kontakt kommen wird. Es kann aber sicherlich nicht schaden, wenn sich Juristen im Vorfeld schon mal Gedanken über die dann auf­kommen­den rechtlichen Probleme machen und un­sere Institutionen darauf vorberei­ten.

 Das Buch bietet anhand der vielen Rechtsthemen, die man so als Nichtjurist gar nicht auf dem Schirm hat, einen anre­genden Denkan­stoß und ermutigt die Leser, über die rechtlichen, aber auch ethischen und philo­sophischen Aspekte des Kontakts mit Au­ßerirdischen nachzudenken. Klaus Stähle hat dazu die komplexen Rechtsthe­men auf­gegriffen und sehr akribisch analy­siert. Er hat verschiedene Szenarien be­leuchtet und stellt mögliche Lösungsansätze vor, die dazu beitragen könnten, kohärente rechtli­che Strukturen zu schaffen, um die Menschheit auf solche Begegnungen mit Außerirdischen vorzubereiten.

Hans-Werner Peiniger ∗ ∗ ∗ ∗ ∗

186 S., br., ISBN-13 978-3830555148, Preis: 36,00 €

Berliner Wissenschaft-Verlag
www.bwv-verlag.de
Berlin, 2023

Hier erhältlich: *


[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Per_Anhalter_durch_die_Galaxis

Quelle: JUFOF Nr. 270, 6/2023: 190 ff

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