Die Insider-Geschichte des am besten dokumentierten UFO-Vorfalls der Welt

Wenn man eine Liste der bekanntesten UFO-Vorfälle erstellen würde, dann würde neben dem übermächtigen Roswell, der Initialsichtung von Kenneth Arnold und der belgischen UFO-Welle höchstwahrscheinlich auch die Sichtung, besser gesagt die Sichtungen, über dem und im Rendlesham Forest im Dezember 1980 erwähnt werden.
Das Besondere an diesem Ereignis sind zum einen die vielen Berichte aus zum Teil öffentlichen/militärischen Quellen, die zwar weiterhin die Frage offenlassen, was, aber tatsächlich nicht, dass etwas gesehen wurde. Zum anderen ist es der Zeitpunkt der Sichtungen, denn ein Jahr zuvor waren sowjetische Truppen in Afghanistan einmarschiert und hatten den Kalten Krieg zurück auf die Tagesordnung gebracht, eine Entwicklung, die sich durch die Wahl Reagans zum US-Präsidenten nur einen Monat vor den Sichtungen noch verschärfte. Schließlich spielte auch der Ort der Sichtungen eine zentrale Rolle, befindet sich der Rendlesham Forest doch zwischen den sogenannten Zwillingsbasen: zwei ehemaligen, 1980 aber aktiven Militärflugplätzen namens Woodbridge und Bentwaters, welche sich zwar in Großbritannien befanden, jedoch von der US-Luftwaffe genutzt wurden.
Bei dem oft sogenannten Vorfall oder Zwischenfall im Rendlesham Forest handelt es sich eigentlich um zwei getrennte Ereignisse, am 26. und am 28. Dezember 1980. Die beiden Co-Autoren Burroughs und Penniston waren hierbei Zeugen des erstgenannten. Hierbei wurden Lichter gesehen, die im Wald niedergingen, und da man zunächst vermutete, es könne sich um einen Flugzeugabsturz handeln, wurde der leitende Sicherheitsoffizier Penniston losgeschickt, sich die Sache näher anzusehen, auch wenn sie sich nicht auf dem Territorium der US-Luftwaffe abspielte. Begleitet wurde Penniston von zwei Soldaten, von denen einer Burroughs war.
Es handelte sich bei dem Objekt, welchem die beiden Co-Autoren am Ende gegenüberstanden (die dritte Person war zur Aufrechterhaltung des Funkverkehrs zwischen der Basis und dem Erkundungstrupp auf halber Strecke zurückgeblieben) um ein dreieckiges Objekt, welches auf dem Boden stand. Es hinterließ im Nachhinein Abdrücke im Boden, bei deren Erkundung erhöhte Radioaktivität gemessen wurde. Zudem hatte das Objekt Schriftzeichen an der Außenhülle, welche keiner irdischen Sprache zugeordnet werden konnten (der Verdacht fiel natürlich zunächst auf die Sowjets).
Erst später berichtete Penniston davon, dass er bei der Berührung des Objekts einen Binär-Code übermittelt bekommen habe. Diesen verzeichnete er auch in einem seiner Polizeinotizbücher, welche er zu jener Zeit nutzte. Was dieser Code bedeutet, ist bis heute unklar, und während es zwar Deutungsversuche gab, auf welche im Buch auch eingegangen wird, stellen die Autoren dennoch klar, dass sie allen weiteren Interpretationen offen gegenüberstehen.
Während des zweitgenannten Vorfalls wurde die, in UFO-Kreisen bekannte, Tonbandaufnahme des stellvertretenden Basiskommandeurs Charles Halt aufgenommen. Diese ist auch in Gänze im Buch transkribiert.
Auch wenn es um die tatsächliche Stellung bzw. das tatsächliche Aufgabengebiet von Pope während seiner Zeit im sogenannten UFO-Büro des Verteidigungsministeriums Großbritanniens mittlerweile Diskussionen gibt, so kann dieser dennoch viele interessante Geschichten mit einbringen, welche Zusammenhänge und Taktiken besser verständlich machen. So sieht man sich damit konfrontiert, dass viele UFO-Untersuchungen scheinbar auf halboffiziellen Wegen erfolgen, oft getarnt durch Unternehmen, welche von ehemaligen hochkarätigen Militärs oder Geheimdienstlern geführt werden, deren alte Seilschaften, Verbindungen und Netzwerke aber weiterhin intakt sind. Dies führt dann dazu, dass bei Abfragen nach Akteneinsicht durch UFO-Forscher oder Investigativjournalisten keine Akten gefunden werden, ganz einfach, weil diese nicht durch Behörden angefertigt worden und somit entsprechenden Gesetzen nicht unterworfen sind.
Ein weiterer entscheidender Punkt in diesem speziellen Fall ist zudem die Zuweisung der Verantwortlichkeiten zwischen zwei Akteuren: Während die US-Luftwaffe außerhalb ihres Zuständigkeitsgebietes (in Form der beiden Militärbasen) auf britischem Boden ermittelte, da der Anfangsverdacht eines Flugzeugabsturzes bestand, wird bei Nachfragen zum Vorfall seitens der US-Behörden auf britische Behörden verwiesen, da sich die Vorfälle auf deren Boden zutrugen. Die Briten wiederum verweisen auf US-Behörden, da diese ja ermittelten.
Die beiden Co-Autoren, als Zeugen des ersten Vorfalls, kämpfen heute mit mutmaßlich durch das Objekt entstandenen gesundheitlichen Schäden, welche möglicherweise durch die radioaktive Strahlung hervorgerufen wurden. Ein kurioser Zufall, dass sich zur selben Zeit in den USA der berühmte Cash-Landrum-Vorfall ereignete, in welchem es ebenfalls um mögliche medizinische Probleme durch ein radioaktives Objekt ging.
Für den historisch am Umfeld der Sichtungen interessierten Leser bietet das Buch ein Kapitel über die wichtigsten Stützpunkte der NATO. Besonders interessant sind zudem zwei Kapitel über skeptische und exotische Thesen. Hier wird sehr eingehend über unterschiedliche Erklärungsmuster informiert.
Diese reichen bei den skeptischen Thesen von psychischen Ursachen, wie dem Einfluss von Alkohol oder Drogen, der Wirkung halluzinogener Pilze oder Halluzinationen, über natürliche, wie Meteore, bis zu technischen Ursachen wie Prototypen von Flugzeugen, Raketentests und Drohnen. Natürlich dürfen auch drei in den letzten Jahren viel diskutierte Thesen nicht fehlen: nämlich die eines Leuchtturms und die eines Gülle-Lkws sowie die, dass es sich um einen gezielten Test der Wachmannschaften gehandelt haben könnte.
Bei den exotischen Thesen geht es erwartungsgemäß um den Besuch von Außerirdischen, aber auch um andere Dimensionen, Parallelwelten und Zeitreisende.
Besonders interessant hierbei ist, dass die beiden Zeugen die extraterrestrische These nicht als die zwangsläufig wahrscheinlichste ansehen. Vielmehr hat man den Eindruck, dass die Zeitreisen-These von den exotischen Thesen als wahrscheinlicher angenommen wird. Festlegen will sich von den Autoren aber niemand. Dies wird mehrfach sehr klar dargestellt.
Dies führt auch zu einem insgesamt positiven Resümee: Was am Buch besonders positiv auffällt, ist die stets versuchte Neutralität, die Unvoreingenommenheit bzw. die Offenheit im Umgang mit den Fakten. Anders als vielleicht vermutet werden könnte, wird in diesem Buch keine bestimmte These vertreten, sondern dem Leser viel Raum für eigene Interpretationen gelassen. Das Buch ist das beste Kompendium zum Vorfall und eine Bereicherung sachlicher Bücher zur UFO-Thematik in deutscher Sprache. Das einzige Manko ist vermutlich, dass das Buch erst nach 9 Jahren aus dem Englischen ins Deutsche übertragen wurde und dass so einige Aspekte mittlerweile an anderer Stelle weiterführend diskutiert wurden und manche hier ursprünglich neu ins Rennen gebrachte Themen mittlerweile weitgehend bekannt sind.
Marius Kettmann, B.A. ∗ ∗ ∗ ∗ ∗
432 S., geb., 21 Abb., ISBN-13: 978-3864459023, Preis 22,99 Euro
Kopp Verlag
www.kopp-verlag.de
Rottenburg, 2023
Quelle: JUFOF Nr. 270, 6/2023: 188 ff
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