Nick Redfern:
Die echten Men in Black
Objektive Nachweise, berühmte Fälle, wahre Geschichten und die Verbindung zwischen diesen Männern und dem UFO-Phänomen
Der Vielschreiber Nick Redfern (geb. 1964 in Pelsall, Walsall, Staffordshire) tummelt sich auf vielen Gebieten der sogenannten Grenzwissenschaften. Kryptiden und Monster gehören ebenso zu seinen Themen wie Verschwörungen und das facettenreiche Feld der UFOs. Bereits im Juni 2011 erschien im US-amerikanischen Verlag »The Career Press« (Pompton Plains, New Jersey) sein Buch The Real Men in Black mit dem sperrigen Untertitel Evidence, Famous Cases, and True Stories of These Mysterious Men and Their Connection to the UFO Phenomena. Letzterer wurde auch in der deutschen Ausgabe beibehalten, die im Oktober 2015 im rottenburgischen Kopp-Verlag erschien.
Mit Die echten Men in Black ist ihm auf insgesamt 256 Seiten ein interessantes und lesenswertes Buch gelungen. Wie so oft in seinen Büchern, ist auch dieses zweigeteilt. Der erste Teil (Die Fallakten, S. 13–140) umfasst zahlreiche bekannte und weniger bekannte MIB-Fälle, die in elf chronologisch gegliederten Kapiteln (1945 bis 2000-er Jahre) wiedergegeben werden. Ein zwölftes Kapitel behandelt einige wenige Fälle von Women in Black, denen Redfern mittlerweile (März 2016) ein eigenes EBook gewidmet hat. Der zweite Teil (Die Theorien, S. 141–234) behandelt in acht Kapiteln die verschiedenen Versuche, das MIB-Phänomen zu erklären. Das Buch schließt auf den letzten 21 Seiten mit einer Schlussfolgerung, den Anmerkungen, dem Dank, den Quellenangaben sowie einer interessanten Liste der geführten Interviews und Korrespondenz des Autors und einem Register.
Was ist zu dem Inhalt des Buches zu sagen? Die von Redfern angeführten Fallbeispiele im ersten Teil des Buches sind höchst unterschiedlich hinsichtlich ihrer Intensität und Komplexität. Entsprechend unterschiedlich ausführlich fallen Redferns Schilderungen aus. Auf den ersten Blick scheint die Wiederholung der bekannten alten Fälle etwas re dundant zu sein, wie zum Beispiel die ausführliche Behandlung der MIB-Begegnung Albert Benders oder die MIB-Auftritte in und um Point Pleasant, West Virginia, in den Jahren 1966 bis 67. Frühere Arbeiten, wie etwa Jim Keiths Casebook on the Men in Black (Lilburn, Georgia 1997), haben dies bereits hinreichend geliefert. Die umfangreiche Korrespondenz Redferns mit zahlreichen direkt und indirekt Beteiligten lässt die Rückschau auf diese alten Fälle dann aber doch sehr aufschlussreich sein. So gelingt es Redfern bereits im ersten Teil des Buches, das kreative Geflecht aufzuzeigen, das aus den Kontakten zwischen Albert Bender, Gray Barker und John A. Keel hervorging und die Kategorie MIB überhaupt erst schuf. Interessant sind auch die weitgehend unbekannten, von Redfern selbst erhobenen MIB-Fälle, die meist jüngeren Datums sind. Andere Fälle sind hingegen von solcher Simplizität und Merkmalsarmut, dass man sich fragt, ob sie unbedingt den Weg ins Buch hätten finden müssen. Was am Ende des ersten Teils auffällt, ist der Eindruck, dass das MIB-Phänomen in den vergangenen rund 70 Jahren kaum eine nennenswerte Entwicklung durchgemacht zu haben scheint. Schwarze Anzüge, Cadillacs und ein bedrohlich nichtmenschliches Auftreten scheinen sowohl in den 1950-er als auch in den 2000-er Jahren das Bild der MIB auszumachen. Dieser Schein trügt jedoch. Redfern versucht zu Beginn des Buches nicht eine Definition des Phänomens, welche eventuell die notwendige Berücksichtigung eines größeren Gestaltenspektrums deutlich gemacht hätte. Er bleibt überwiegend bei der eingefahrenen Vorstellung von den MIBs, wie sie jeder UFO-Interessierte wiedergeben könnte. Wäre eine umfassendere Definition berücksichtigt worden, wie sie zum Beispiel Jerome Clark 1998 in seiner UFO-Encyclopedia gegeben hat (»[Term MIB] used to refer to any unusual, threatening, or strangely behaved individual whose appearance on the scene can be linked in some fashion with a UFO sighting«, S. 626), dann hätten für die in Teil II diskutierten Erklärungsversuche schon im ersten Teil mehr Belege angeführt werden können. Denn auch beim MIB-Phänomen gilt, dass hier die Übergänge zu zahlreichen anderen paranormalen Phänomenen fließend sind. Im deutschsprachigen Raum hat darauf u. a. Johannes Fiebag in Sternentore (1996, S. 185–198) hingewiesen. Im zweiten Teil des Buches diskutiert Redfern einige der vorgeschlagenen Erklärungen für das MIB-Phänomen, die von sehr konkret bis sehr spekulativ reichen. Sehr konkret sind die Fälle, in denen nachweislich FBI-Agenten und andere Angehörige staatlicher Behörden als Men in Black missinterpretiert wurden (durch Freigabe staatlicher Akten verifiziert) oder gar der dringende Verdacht besteht, dass sich diese des MIB-Motivs bewusst bedient haben, um an Informationen zu gelangen oder eine bestimme Wirkung zu erzielen. Letzteres lässt sich ebenso sicher für einige zivile UFO-Ermittler (z. B. von NICAP in den 1950-er und 60-er Jahren) belegen. Von besonderem Interesse sind Redferns Ausführungen zu dem eigenwilligen und exzentrischen Trio Bender, Barker und Keel, die maßgeblich das heutige Bild von den MIB geprägt haben. Die Rolle, die dabei Benders zu vermutenden physischen wie psychischen Krankheiten spielten, ist ein weiterer wichtiger Mosaikstein im Gesamtbild. Ebenfalls sehr interessant und aufschlussreich sind die Vergleiche der MIB mit den (halb)mythischen Figuren des Tricksters, der Tulpa und des Vampirs. Sehr spekulativ hingegen die Erklärungen als Zeitreisende oder (noch vager) dämonische Kräfte.
Redferns Schlussfolgerung im Anschluss an den zweiten Teil ist eher eine Zusammenfassung der beiden vorangegangenen Teile. Sie überrascht in ihrer Kürze und lässt das Buch etwas abrupt enden. Eine Antwort auf die Frage nach den echten Men in Black – wie es der Titel impliziert – bleibt aus, doch war dies freilich auch nicht zu erwarten. Vielleicht hätte der Leser aber dennoch eine Beurteilung oder Gewichtung der diskutierten Erklärungen verdient, anstatt in den letzten Zeilen noch einmal mit einem dramatischen Appell konfrontiert werden zu müssen (»Wenn Sie beschließen, die MIB zu verfolgen, und Sie eines Tages jenes gefürchtete langsame Klopfen an Ihrer Haustür vernehmen, so lassen Sie für Ihr eigenes Wohl und das aller Leute, die Ihnen am Herzen liegen, diese Tür fest verschlossen«, S. 237). So viel literarische Dramatik hätte zum Schluss nicht sein gemusst!
Abschließen sei noch angemerkt, dass sich Redfern leider ausschließlich auf den angloamerikanischen Raum beschränkt (die bedeutenden MIB-Fälle in den 1980-er Jahren in Schweden werden z. B. nicht erwähnt) und somit die Chance vertan hat, das MIB-Phänomen in seiner kulturraumübergreifenden Erscheinung darzustellen. Auch wurde leider kaum auf die historische Dimension des Phänomens eingegangen. Vergleichbare Begegnungen aus dem frühen 20., 19. oder gar noch früheren Jahrhunderten bleiben unerwähnt.
Hinsichtlich Redferns Stil und den von ihm berücksichtigten Formalia ist anzumerken, dass ersterer phasenweise etwas zu reißerisch auf den Rezensenten wirkte. Der zuweilen umgangssprachliche Stil ist zu verkraften (z. B. »J. Edgar Hoover, der Oberbonze des FBI« S. 155), aber dramatische Spekulationen am Kapitelende (z. B. »Möglicherweise hat genau dies Montiel das Leben gerettet«, S. 80) wirken da doch schon etwas zu dick aufgetragen. Unverkennbar, dass auch Redfern (wie Barker und Keel) nicht nur informieren und analysieren, sondern auch erzählen möchte. So verbrennt zum Beispiel der Arzt Herbert Hopkins nach einer MIB-Begegnung nicht nur in Angst seine Aufzeichnungen, sondern Redfern lässt ihn diese »in das flackernde Kaminfeuer« werfen, »wo sie rasch und endgültig zerstört wurden« (S. 87). Etwas weniger Dramatik hätte einer bildhaften Schilderung kein Abbruch getan.
Hinsichtlich der Formalia ist der Kontrast zwischen dem beeindruckenden Literaturverzeichnis mit 172 Titeln bzw. Quellen und den lediglich 57 Endnoten unter den Anmerkungen, die sich auf 229 Textseiten verteilen, etwas schmerzlich.
Die zu kritisierenden Punkte des Buches setzen aber nicht den Gesamteindruck herab, dass Redfern mit Die echten Men in Black ein interessanter Baustein gelungen ist, der das Phänomen der MIB etwas besser zu verstehen und zu entschlüsseln hilft.
Natale Guido Cincinnati
256 Seiten, gebunden, 17 S/W-Fotos und -abb., ISBN 978-3-86445-241-3, 14,95 €
Kopp Verlag
www.kopp-verlag.de
Rottenburg 2015
Quelle: JUFOF Nr. 226, 4/2016: 126 ff